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Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Normalerweise schweigt Russland über die eigenen Opfer in seinem Krieg gegen die Ukraine. Doch ausnahmsweise macht Moskau dazu Angaben - und nennt eine verheerend hohe Zahl getöter russischer Soldaten.

Ukraine-Krieg - Kiew
Zerstörte Gebäude in Kiew. Russland greift die Ukraine unablässig mit Kampfdrohnen an. Foto: Renata Brito
Zerstörte Gebäude in Kiew. Russland greift die Ukraine unablässig mit Kampfdrohnen an.
Foto: Renata Brito

Die Ukraine hat mit einem Luftangriff Dutzende russische Soldaten in einer Unterkunft im von Russland besetzten Donbass getötet. Das bestätigte das russische Verteidigungsministerium und sprach von 63 Toten. Das ukrainische Militär meldete sogar 400 Tote und 300 Verletzte. Russland nahm seinerseits erneut die Ukraine mit Drohnen unter Feuer.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg erwartet, dass der Krieg sich hinzieht, und forderte den Ausbau der westlichen Waffenproduktion. Militärexperten halten aber auch einen Waffenstillstand in diesem Jahr für möglich.

Dass Moskau die vielen getöteten Soldaten nach dem ukrainischen Angriff auf den Ort Makijiwka (russisch: Makejewka) im Donbass bestätigte, war sehr ungewöhnlich. Es handelte sich um die höchste von Russland selbst genannte Zahl von Toten an einem Ort in dem seit Februar währenden Angriffskrieg. Die Zahl wird dennoch von vielen für zu niedrig gehalten.

Die Ukraine hatte in der Neujahrsnacht mit Raketen angegriffen. Bei den Getöteten soll es sich Medienberichten zufolge um Reservisten handeln, die im Zuge der von Kremlchef Wladimir Putin angeordneten Teilmobilmachung einberufen wurden. Sie sollen sich zu einer Neujahrsfeier in dem Gebäude versammelt haben. Zu sehen waren in den sozialen Netzwerken Bilder und ein Video von den Überresten eines völlig eingestürzten Gebäudes. Unter den Trümmern werden weitere Tote und Verletzte vermutet.

Das ukrainische Militär soll wegen der hohen Aktivität von Datenverkehr mit Mobiltelefonen auf den Standort aufmerksam geworden sein. Unbestätigten Berichten zufolge soll sich das Gebäude neben einem Munitionsdepot befunden haben, weshalb es zu verheerenden Explosionen gekommen sei.

Bürgermeister Klitschko berichtet von Schäden in Kiew

Russland griff seinerseits in der Nacht zu Montag die fünfte Nacht in Folge die Ukraine mit Kampfdrohnen an. In vielen Landesteilen gab es Luftalarm. In der Hauptstadt Kiew sei wieder Energie-Infrastruktur beschädigt worden, teilte Bürgermeister Vitali Klitschko mit. Es gebe Stromausfälle in der Stadt, die sich auch auf die Wärmeversorgung auswirkten.

Nach Angaben der ukrainischen Flugabwehr wurden eine Rakete und 43 Drohnen abgeschossen, davon 22 allein in Kiew. Nach Klitschkos Worten wurde ein 19-Jähriger verletzt und im Krankenhaus behandelt, nachdem ein Haus bei einem russischen Angriff getroffen wurde.

Seit Tagen greift Russland verstärkt nachts mit Kamikaze-Kampfdrohnen vom iranischen Typ Schahed-136 an. Russische Militärblogger berichteten, dass neben Kiew die Regionen Poltawa, Charkiw, Donezk, Dnipropetrowsk, Mykolajiw und Cherson betroffen waren.

Auch Russland meldet immer wieder Drohnenangriffe von ukrainischer Seite. Im grenznahen russischen Gebiet Brjansk wurde nach Angaben von Gouverneur Alexander Bogomas Energie-Infrastruktur getroffen. In einem Ort sei dadurch der Strom ausgefallen. Es habe keine Verletzten gegeben, sagte Bogomas.

Experte: Russische Drohnenangriffe bewusst nachts

Die russischen Angriffe mit sogenannten Kamikaze-Drohnen auf Ziele in der Ukraine werden nach Ansicht eines Experten bewusst nachts und entlang des Flusses Dnipro gesetzt. »Logischerweise ist nachts am Himmel nicht alles erkennbar«, sagte Oberst Wladislaw Selesnjow der ukrainischen Agentur RBK-Ukraina. Die Flugroute aus südlicher Richtung entlang des Dnipro sei zudem gewählt worden, um die ukrainische Luftabwehr nach Möglichkeit zu umfliegen.

Stoltenberg: Müssen mehr Waffen produzieren

Nato-Generalsekretär Stoltenberg sagte der BBC, die Nato müsse sich darauf einstellen, die Ukraine langfristig zu unterstützen. Russland habe neue Kräfte mobilisiert. »Das weist darauf hin, dass sie bereit sind, den Krieg fortzusetzen und möglicherweise versuchen, eine neue Offensive zu starten«, sagte Stoltenberg. Die Instandhaltung der an die Ukraine gelieferten Waffensysteme sei mindestens so wichtig wie die Debatte über weitere Waffen. »Wir brauchen eine enorme Menge an Munition. Wir brauchen Ersatzteile.«

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bekräftigte die langfristige Unterstützung der Europäischen Union für die Ukraine. In einem Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj habe sie »dem ukrainischen Volk meine uneingeschränkte Unterstützung und meine besten Wünsche für 2023 übermittelt«, schrieb die deutsche Politikerin auf Twitter. Die Auszahlung der für 2023 vorgesehenen 18 Milliarden Euro werde bald beginnen.

Ex-Nato-General erwartet Waffenstillstand noch 2023

Nach Einschätzung des früheren Bundeswehr- und Nato-Generals Hans-Lothar Domröse könnte es im Laufe dieses Jahres einen Waffenstillstand geben. »Ich rechne im Frühsommer mit einem Stillstand, an dem beide Seiten sagen: Jetzt bringt es nichts mehr«, sagte Domröse den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Am wahrscheinlichsten trete zwischen Februar und Mai eine Situation ein, »in der beide Seiten erkennen, dass sie nicht weiterkommen«.

Dies bedeute aber noch lange keinen Frieden. »Waffenstillstand heißt: Wir beenden das Schießen. Die Verhandlungen dürften lange dauern, man benötigt einen Vermittler: vielleicht UN-Generalsekretär Guterres, der türkische Präsident Erdogan oder der indische Präsident Modi - wobei sich niemand wirklich aufdrängt.« Ähnlich äußerte sich der Russland- und Sicherheitsexperte András Rácz von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.

© dpa-infocom, dpa:230102-99-75500/6