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Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Die Zerstörung ukrainischer Infrastruktur durch russische Angriffe ist für Kiew ein Anlass, noch enger zusammenzurücken. Kanzler Scholz bekräftigt die deutsche Unterstützung »solange wie nötig«.

Bachmut
Ein Grad-Mehrfachraketenwerfer des ukrainischen Militärs feuert Raketen auf russische Stellungen an der Frontlinie in der Nähe von Bachmut in der Region Donezk. Foto: Libkos
Ein Grad-Mehrfachraketenwerfer des ukrainischen Militärs feuert Raketen auf russische Stellungen an der Frontlinie in der Nähe von Bachmut in der Region Donezk.
Foto: Libkos

Die jüngsten russischen Angriffe auf die Ukraine haben die Entschlossenheit in den Reihen der Nato noch einmal gestärkt, Kiew bis zum Sieg beizustehen. »Es wird keinen dauerhaften Frieden geben, wenn der Aggressor gewinnt«, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Freitag in Brüssel. Aus Sicht von Brüssel ist auch die Lieferung von deutschen Patriot-Flugabwehrsystemen kein Tabu. Bundeskanzler Scholz versicherte erneut, Deutschland werde das angegriffene Land solange wie nötig unterstützen.

Unterdessen hält der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj daran fest, dass die Befreiung der russisch besetzten Halbinsel Krim ein zentrales Kriegsziel bleibe. Russlands Präsident Wladimir Putin zeigt sich an der Seite von Müttern getöteter sowie derzeit kämpfender Soldaten.

Nato erschüttert über Angriffe auf zivile Infrastruktur

Stoltenberg zeigte sich erschüttert über die jüngsten russischen Angriffe auf die Ukraine und übte scharfe Kritik an Putins Kurs. »Präsident Putin scheitert in der Ukraine - und er reagiert mit noch mehr Brutalität«, sagte er. Wellen gezielter Raketenangriffe auf Städte und die zivile Infrastruktur nähmen den Ukrainern nun Wärme, Licht und Nahrung. »Das ist ein schrecklicher Beginn des Winters für die Ukraine«, sagte er. Deutschland und die anderen 29 Bündnisstaaten forderte Stoltenberg erneut zu weiterer Hilfe für die Ukraine auf.

Scholz: Ukraine kann sich auf deutsche Hilfe verlassen

Neun Monate nach dem russischen Überfall auf die Ukraine hat Bundeskanzler Scholz versichert, das angegriffene Land zu unterstützen, solange dies notwendig ist. »Die Ukraine kann sich darauf verlassen, dass wir sie weiterhin umfangreich finanziell, humanitär und auch mit Waffen unterstützen werden, und zwar solange, wie es nötig sein wird«, sagte der SPD-Politiker in einem Interview des Magazins »Focus«. Auf die Frage, ob Putin ein Kriegsverbrecher sei, antwortete Scholz: »Der Krieg in der Ukraine verletzt alle völkerrechtlichen Regeln, und Wladimir Putin ist für diesen Krieg verantwortlich.«

Putin trifft Mütter toter Soldaten

Der Kremlchef traf unterdessen Mütter getöteter sowie derzeit kämpfender Soldaten. Staatliche russische Medien veröffentlichten ein Video, das zeigt, wie Putin mehr als ein Dutzend ausgewählter Frauen in seiner Residenz in Nowo-Ogarjowo im Moskauer Gebiet empfängt und ihnen Kaffeetässchen reicht. »Ich möchte, dass Sie wissen, dass wir diesen Schmerz mit Ihnen teilen, und dass wir natürlich alles dafür tun werden, damit Sie sich nicht vergessen fühlen«, sagte Putin laut Agentur Interfax bei dem Treffen. Nach offiziellen Angaben waren 17 Frauen aus diversen russischen Regionen sowie aus völkerrechtswidrig von Moskau annektierten Gebieten der Ostukraine angereist. Aus Putins Ansprache ging hervor, dass unter ihnen auch Mütter von Männern waren, die derzeit im Nachbarland kämpfen.

Immer noch viele Haushalte in Kiew ohne Strom

Zwei Tage nach den schweren russischen Raketenangriffen auf die ukrainische Strom- und Wasserversorgung hatte die Hälfte der Verbraucher in der Hauptstadt Kiew nach Angaben von Bürgermeister Vitali Klitschko am Freitagmorgen noch keinen Strom. Ein Drittel der Kiewer Häuser sei aber bereits wieder beheizt, teilte Klitscho im Nachrichtenkanal Telegram mit. Präsident Selenskyj beschwor angesichts der Zerstörungen den Widerstandsgeist gegen die russische Invasion. »Wir haben neun Monate lang einen umfassenden Krieg überstanden, und Russland hat keinen Weg gefunden, uns zu brechen. Und er wird keinen finden«, sagte Selenskyj.

Nato: Deutsche Patriot-Flugabwehr kein Tabu

Eine Lieferung von deutschen Patriot-Flugabwehrsystemen in die Ukraine wäre aus Sicht von Nato-Generalsekretär Stoltenberg nicht grundsätzlich tabu. »Nato-Verbündete konnten bereits verschiedene Arten moderner Luftverteidigungssysteme und auch andere moderne Systeme wie die Himars in die Ukraine liefern«, sagte Stoltenberg. Wenn es Spezialisten brauche, um diese Systeme zu bedienen, könnten Ukrainer dafür in einem Nato-Staat ausgebildet werden. Dies sei beispielsweise auch bei dem Flugabwehrsystem Nasams so gewesen. Die Entscheidung, ob der Ukraine ein System geliefert werde, sei eine nationale Entscheidung, betonte Stoltenberg.

Kreml: Ukraine nicht an friedlicher Lösung interessiert

Der Kreml hat dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj vorgeworfen, keine friedliche Beilegung des Konflikts um die 2014 von Russland annektierte Halbinsel Krim zu wollen. Selenskyj wolle die Krim nur mit militärischer Gewalt wieder zur Ukraine zurückholen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Das aber käme einer »Enteignung russischen Territoriums« gleich, sagte er laut russischen Nachrichtenagenturen mit Blick auf das völkerrechtswidrig von Moskau einverleibte Gebiet. »Das kommt gar nicht in Frage.« Selenskyj hatte zuvor in einem Interview mit der britischen Zeitung »Financial Times« an einer militärischen Befreiung der Krim als Ziel festgehalten.

London: hohe Opferzahl unter russischen Reservisten

Nach der russischen Teilmobilisierung ist nach Einschätzung britischer Geheimdienste eine hohe Zahl an eingezogenen Reservisten im Ukraine-Krieg gefallen. Viele der Verpflichteten würden trotz chronischer gesundheitlicher Einschränkungen in gefährliche Missionen geschickt, hieß es im täglichen Kurzbericht des britischen Verteidigungsministeriums. Unter anderem in der Region Donezk, rund um die Stadt Bachmut, seien mobilisierte Reservisten wohl in hoher Zahl gefallen, hieß es. Das gelte auch für Soldaten, die in der Region Luhansk Grabensysteme hätten ausheben müssen, während sie unter schwerem Artilleriefeuer standen.

IAEA will ukrainische AKWs prüfen

Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) wird die Sicherheitsmaßnahmen in allen ukrainischen Kernkraftwerken untersuchen. Die Besuche in den AKWs Südukraine, Chmelnyzkyj und Riwne würden derzeit vorbereitet und sollten in nächster Zeit stattfinden, hieß es aus diplomatischen Kreisen. Laut einem IAEA-Bericht von Anfang November könnten die Expertinnen und Experten der Organisation unter anderem die technischen Systeme und Notfallpläne der vier Anlagen in Bezug auf Sicherheitsfragen bewerten und mögliche Empfehlungen abgeben.

© dpa-infocom, dpa:221124-99-641214/17