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Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Die Kämpfe im Osten der Ukraine gehen weiter. Dabei werden nach russischen Angaben auch westliche Waffen zerstört. Eine Drohung Putins verfängt bisher aber nicht. Die Entwicklungen im Überblick.

Charkiw
Rettungskräfte und Polizisten inspizieren ein zerstörtes Haus nach einem russischen Angriff in einem Wohnviertel in der Innenstadt von Charkiw. Foto: Evgeniy Maloletka
Rettungskräfte und Polizisten inspizieren ein zerstörtes Haus nach einem russischen Angriff in einem Wohnviertel in der Innenstadt von Charkiw.
Foto: Evgeniy Maloletka

Die russische Armee rückt im Osten der Ukraine weiter vor und nimmt nach der Einnahme des Gebiets Luhansk zunehmend die Region Donezk ins Visier.

Die Besatzer führten Angriffe von der kürzlich eingenommenen Stadt Lyssytschansk aus in Richtung Westen, sagte der ukrainische Gouverneur von Luhansk, Serhij Hajdaj, am Samstag. »Wir geben uns Mühe, die bewaffneten Gruppierungen der Russen auf ganzer Linie aufzuhalten.« Allerdings greifen diese Hajdaj zufolge von mehreren Seiten an und versuchen, tief in das benachbarte Gebiet vorzudringen. Von unabhängiger Seite lassen sich die Berichte aus den Kampfgebieten kaum überprüfen.

Russische Armee nimmt Gebiet Donezk in den Blick

Russland dürfte als nächstes im Gebiet Donezk die größeren Städte Slowjansk und Kramatorsk im Blick haben. Es ist erklärtes Ziel Moskaus, die Region komplett der ukrainischen Kontrolle zu entreißen. Am vergangenen Wochenende hatte Russland bereits die Stadt Lyssytschansk eingenommen, die als letzte ukrainische Bastion im Gebiet Luhansk galt.

Nach Angaben des ukrainischen Generalstabs in Kiew gab es auch in anderen Teilen des Landes Beschuss, darunter in den Gebieten Charkiw und Tschernihiw. Dabei sei auch zivile Infrastruktur getroffen worden. Es seien jedoch immer wieder Angriffe des Feindes zurückgeschlagen worden, hieß es. Ukrainische Luft-, Raketen- und Artillerieeinheiten feuerten auf Ansammlungen russischer Truppen und auf Munitionslager.

Russland berichtet von zerstörten westlichen Waffen

Russland vernichtete nach eigenen Angaben bei massiven Angriffen im Osten der Ukraine einmal mehr auch westliche Waffen. In der Nähe der Ortschaft Tschassiw Jar im Gebiet Donezk sei ein Hangar mit von den USA gelieferten M777-Haubitzen zerstört worden, sagte Ministeriumssprecher Igor Konaschenkow. Demnach wurden dort auch zahlreiche ukrainische Soldaten getötet.

Auch im Gebiet Mykolajiw im Süden des Landes, in der Region Dnipropetrowsk um die Millionenstadt Dnipro sowie anderen Teilen des Landes seien bei Artillerie- und Raketenangriffen Dutzende ukrainische Soldaten getötet sowie Militärtechnik und teils Munitionslager zerstört worden, sagte Konaschenkow.

London: Russische Reserven haben veraltetes Gerät

Die Verstärkungen der russischen Armee in der Ukraine werden nach Ansicht des britischen Verteidigungsministeriums mit veraltetem oder ungeeignetem Gerät losgeschickt. So habe ein großer Teil der russischen Reserven, die aus dem ganzen Land zusammengezogen würden, lediglich Truppentransporter des sowjetischen Typs MT-LB zur Verfügung. Diese Fahrzeuge seien deutlich schwächer gepanzert und bewaffnet als die Schützenpanzer BMP-2, die zu Kriegsbeginn eingesetzt wurden.

Bericht: Munitionsnachschub für Gepard-Panzer gesichert

Die Bundesregierung hat einem Medienbericht zufolge langfristig den Nachschub an Munition für die der Ukraine zugesagten Gepard-Panzer gesichert. Das Kanzleramt habe zusammen mit dem Verteidigungsministerium in Norwegen einen Hersteller gefunden, der weitere Munition für das Flugabwehrsystem herstellen könne, berichtete der »Spiegel« unter Berufung auf Regierungskreise. Eine Bestätigung von Regierungsseite gab es dazu zunächst nicht.

Die zusätzliche Munition des norwegischen Herstellers solle bereits kommende Woche auf dem Bundeswehr-Schießplatz in Putlos in Schleswig-Holstein getestet werden, berichtete der »Spiegel« weiter.

CDU-Politiker: Russland macht »leere Drohungen«

Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter bezweifelte die jüngsten Warnungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin, dass Russland den Krieg in der Ukraine noch gar nicht richtig angefangen habe. »Für mich sind das leere Drohungen, weil Russland sich eine weitere Eskalation nicht leisten kann«, sagte Kiesewetter. Auch das britische Verteidigungsministerium meldete Zweifel an den Aussagen an. Putin hatte mit Blick auf die russische Offensive in der Ukraine gesagt: »Jeder sollte wissen, dass wir im Großen und Ganzen noch nichts Ernsthaftes begonnen haben.«

Der frühere russische Präsident und heutige Vizechef des russischen Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew, schrieb bei Telegram, der Krieg habe die internationale Bedeutung Russlands gestärkt. »Mit Russland wird nun ernsthaft gerechnet. Wie mit der Sowjetunion. Und in mancher Hinsicht sogar noch ernsthafter, dem Sanktionspaket nach zu urteilen.« Allerdings verurteilen vor allem westliche Staaten den russischen Angriff seit Wochen heftig. Einige Staats- und Regierungschefs der G20-Staaten haben ihre Teilnahme an einem Gipfel im November infrage gestellt, sollte Russlands Präsident Wladimir Putin dort persönlich auftreten.

Außenpolitiker fordert neue Ostpolitik

Angesichts des Kriegs in der Ukraine forderte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth, eine neue Ostpolitik. »Sicherheit kann es in Europa nur noch gegen, nicht mehr mit Russland geben«, schrieb der SPD-Politiker in einem Gastbeitrag für die »Welt am Sonntag«. Eine neue europäische Sicherheitsarchitektur müsse auf militärische Abschreckung sowie auf die politische und wirtschaftliche Isolation Russlands bauen, forderte er. Präsident Wladimir Putin habe aus dem Land eine imperialistische Macht gemacht.

Scholz warnt vor andauernder Energieknappheit

Maßnahmen gegen Energieknappheit könnten nach Einschätzung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auch über den kommenden Winter hinaus notwendig sein. »In diesen Tagen beschäftigt uns die Sicherheit unserer Energieversorgung. Sie wird es noch die nächsten Wochen, Monate und auch Jahre«, sagte er in einer Videobotschaft. Verschärft wird die Debatte durch die Angst um ein Ende der Gaslieferungen aus Russland. Am Montag (11. Juli) sollen jährliche Wartungsarbeiten an der Ostseepipeline Nord Stream 1 beginnen, die in der Regel zehn Tage dauern. Die große Sorge ist, dass Russland nach der Wartung den Gashahn nicht wieder aufdreht.

© dpa-infocom, dpa:220709-99-962416/5