Deutschland und die Niederlande werden der Ukraine zusammen sechs weitere Modelle der Panzerhaubitze 2000 liefern. Das sagten Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) und ihre niederländische Amtskollegin Kasja Ollongren am Dienstag am Rande des Nato-Gipfels in Madrid.
Nachdem die ostukrainische Stadt Krementschuk Ziel eines Angriffs der russischen Luftwaffe geworden ist, hat Russland den Angriff eingeräumt. Ein Einkaufszentrum ist komplett zerstört worden, die ukrainischen Behörden sprechen von Dutzenden Opfern.
Am frühen Dienstagmorgen wurden Explosionen in der Stadt Mykolajiw gemeldet, wie Bürgermeister Olexander Senkewitsch im Nachrichtendienst Telegram schrieb. Über Schäden und Opfer wurde noch nichts bekannt. Er rief die Einwohner auf, sichere Orte aufzusuchen. Präsident Wolodymyr Selenskyj bat nachdrücklich um moderne Luftabwehr-Systeme.
Zerstörtes Einkaufszentrum: Russland räumt Luftangriff ein
Das russische Militär hat nach der Zerstörung eines Einkaufszentrums in der Ukraine eingeräumt, für den folgenschweren Luftangriff auf die Stadt Krementschuk verantwortlich zu sein.
Die Attacke habe mehreren Hallen gegolten, in denen aus Europa und den USA gelieferte Waffen und Munition gelagert worden seien, teilte das russische Verteidigungsministerium am Dienstag in Moskau mit. Die Detonation der Munition habe dann einen Brand in dem nahegelegenen Einkaufszentrum ausgelöst. Zwar behauptete das Ministerium, das Gebäude sei nicht mehr in Betrieb gewesen - doch Einträge örtlicher Geschäfte in sozialen Medien und auf Online-Plattformen legen das Gegenteil nahe.
Nach Darstellung der ukrainischen Behörden wurde das Einkaufszentrum von einem russischen Langstreckenbomber mit Luft-Boden-Raketen beschossen und zerstört. Mehr als 20 Menschen seien getötet und rund 60 verletzt worden. Angesichts von offiziell 36 Vermisstenmeldungen könnten die Opferzahlen weiter steigen.
Kämpfe um wichtige Versorgungsstraße
In der Ostukraine kämpfen ukrainische und russische Truppen weiter erbittert um die Kontrolle der Trasse von Lyssytschansk nach Bachmut. Dem ukrainischen Generalstab zufolge wurde am Dienstag ein russischer Vorstoß auf die Ortschaft Spirne in Richtung der Stadt Siwersk abgewehrt. Die umkämpfte Straße ist eine der wenigen verbliebenen Nachschubrouten für Lyssytschansk. Die ehemalige Großstadt ist die letzte von ukrainischen Truppen gehaltene größere Ortschaft im Gebiet Luhansk.
Lyssytschansk werde dabei weiter ständig mit Mörsern und anderer Artillerie beschossen, teilte der Generalstab mit. Russische Truppen stehen bereits am Südrand der Stadt.
Selenskyj bekräftigt Bitte um Luftabwehr-Systeme
Der Präsident erinnerte daran, dass die Ukraine bereits vor dem Krieg und direkt nach der russischen Invasion um Luftabwehr-Systeme gebeten habe. »Die Leute im Einkaufszentrum in Krementschuk verdienten die gleiche Sicherheit wie Leute in jedem Einkaufszentrum der Welt, ob irgendwo in Philadelphia oder Tel Aviv, oder in einer Einkaufspassage in Dresden«, sagte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache.
Selenskyj: Russland »größte Terrororganisation der Welt«
Selenskyj bezeichnete Russland nach dem Angriff als »größte Terrororganisation der Welt«. Das müsse auch rechtlich festgestellt werden. »Und jeder auf der Welt muss wissen, dass es bedeutet, Terroristen Geld zu geben, wenn man russisches Öl kauft oder transportiert, Kontakte mit russischen Banken unterhält oder dem russischen Staat Steuern oder Zollabgaben zahlt«, sagte Selenskyj.
G7: Putin wird Rechenschaft ablegen müssen
»Willkürliche Angriffe auf unschuldige Zivilistinnen und Zivilisten sind Kriegsverbrechen. Der russische Präsident Putin und die Verantwortlichen werden dafür Rechenschaft ablegen müssen«, stellten die Teilnehmer des G7-Gipfels am Montagabend fest. »Der Angriff Russlands auf Zivilisten in einem Einkaufszentrum ist grausam«, schrieb US-Präsident Joe Biden bei Twitter. »Dieser entsetzliche Angriff zeigt erneut, zu welchem Ausmaß an Grausamkeit und Barbarei der russische Staatschef fähig ist«, sagte der britische Premierminister Boris Johnson am Rande des G7-Gipfels.
Russischer UN-Diplomat spricht von »Provokation«
Der stellvertretende UN-Botschafter Russlands, Dmitri Poljanski, sprach im Zusammenhang mit dem Angriff von einer »neuen ukrainischen Provokation im Stil von Butscha«. Moskau hat die vielfach dokumentierten Tötungen ukrainischer Zivilisten im Kiewer Vorort Butscha durch russische Truppen stets als angebliche Inszenierung abgetan. Zu Krementschuk behauptete Poljanski bei Twitter ohne nähere Erläuterung, es gebe »zu viele auffällige Unstimmigkeiten«.
Acht Menschen in Schlange für Trinkwasser getötet
In einer Schlange vor einem Tankwagen mit Trinkwasser in der ukrainischen Stadt Lyssytschansk wurden bei einem russischen Raketenangriff nach Behördenangaben acht Menschen getötet. Weitere 21 seien verletzt worden, schrieb der Gouverneur des Gebiets Luhansk, Serhij Hajdaj, beim Nachrichtendienst Telegram. Lyssytschank ist die letzte große Stadt in der Region unter ukrainischer Kontrolle. In der Stadt Charkiw wurden nach Angaben des regionalen ukrainischen Befehlshabers Oleg Sinegubow bei russischem Beschuss 5 Zivilisten getötet und 22 weitere verletzt. Unter den Verletzten seien fünf Kinder, schrieb Sinegubow bei Telegram.
Medwedew: Krim ist für immer ein Teil Russlands
Der frühere russische Präsident und heutige Vizechef des russischen Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew, bekräftigte den russischen Anspruch auf die annektierte Halbinsel Krim. »Für uns ist die Krim ein Teil Russlands. Und das ist für immer«, sagte Medwedew der Zeitung »Argumenty i Fakty«. Jeder Versuch, die Krim Russland streitig zu machen sei »eine Kriegserklärung an unser Land«. Und wenn darin ein Nato-Land involviert wäre: »Dritter Weltkrieg. Totale Katastrophe.« Die zur Ukraine gehörende Krim wurde von Russland 2014 besetzt. Die Annexion wird international nicht anerkannt.
Ukraine erhält mehr als 40 Leichen gefallener Soldaten
Die Ukraine erhielt nach eigenen Angaben erneut Leichen gefallener Soldaten aus den eigenen Reihen von Russland. »Die Ukraine hat die Körper von 46 heldenhaften Verteidigern für ihre würdige Bestattung zurückgeholt«, teilte das Ministerium für Reintegration in Kiew am Dienstag mit. 21 der Leichen seien von Verteidigern des Stahlwerks Azovstal aus dem von russischen Truppen eroberten Mariupol in der Ostukraine.
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