Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich überzeugt gezeigt, dass der russische Präsident Wladimir Putin den Krieg in der Ukraine nicht gewinnen wird.
Eine Einnahme der gesamten Ukraine durch Russland scheine heute weiter entfernt als noch zu Beginn des Krieges, sagte Scholz am Donnerstag auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos in der Schweiz. In Aachen erhielten die aus dem mit Russland verbündeten Belarus stammenden Karlspreisträgerinnen großen Applaus für ihren demokratiepolitischen Einsatz. Eine deutsche Fregatte hilft, die Nordflanke der Nato zu sichern.
Scholz: »Brutalität« schweißt zusammen
Laut Scholz habe zudem die »Brutalität des russischen Kriegs« die ukrainische Nation enger zusammengeschweißt als je zuvor. Putin wolle zurück zu einer Weltordnung, in der der Stärkere diktiere, was Recht sei, sagte Scholz. »Das ist der Versuch, uns zurückzubomben in eine Zeit, als Krieg ein gängiges Mittel der Politik war.« Putin habe auch die Geschlossenheit und Stärke unterschätzt, mit der die Gruppe der sieben großen Industrienationen (G7), die Nato und die EU auf seine Aggression reagiert hätten.
Karlspreis als Demonstration gegen den Krieg
Außenministerin Annalena Baerbock hat die drei diesjährigen Trägerinnen des Internationalen Karlspreises aus Belarus als »mutigste Frauen Europas« gewürdigt. Die Grünen-Politikerin lobte in ihrer Laudatio am Donnerstag in Aachen den Einsatz der Oppositionspolitikerinnen Swetlana Tichanowskaja, Veronika Zepkalo und Maria Kolesnikowa für Freiheit und Demokratie. Die Ministerin warf dem Machthaber Alexander Lukaschenko vor, Russlands Krieg in der Ukraine zu unterstützen.
Ukrainische Armee im Osten weiter unter Druck
Die ukrainische Armee steht im äußersten Osten ihrer Front stark unter Druck. Russische Truppen beschossen am Donnerstag weiter die Großstadt Sjewjerodonezk im Gebiet Luhansk, wie der ukrainische Generalstab in seinem abendlichen Bericht mitteilte. Der Angriff auf die Stadt und ihren Vorort Boriwske sei aber nicht erfolgreich. Die Militärangaben waren nicht unabhängig überprüfbar.
In einem anderen Dorf in der Nähe, in Ustyniwka, habe die russische Seite einen Teilerfolg errungen, hieß es. Die russischen Truppen versuchten durch Beschuss auf Brücken die Beweglichkeit der ukrainischen Truppen einzuschränken. Durch das umkämpfte Gebiet fließt der Fluss Siwerskyj Donez.
Lawrow wettert gegen Selenskyj und Westen
Russlands Außenminister Sergej Lawrow hat dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj fehlende Verhandlungsbereitschaft vorgeworfen. Der Westen unterstütze Selenskyj auch noch in dieser Haltung, sagte Lawrow dem arabisch-sprachigen Ableger des staatlichen Fernsehkanals RT. Der Präsident der angegriffenen Ukraine hatte zuvor gesagt, er werde nur mit Kremlchef Putin direkt verhandeln und das erst, wenn Russland sich auf die Grenzen vor dem 24. Februar zurückziehe. »Dass das nicht ernsthaft ist, muss man niemandem erklären und beweisen«, sagte Lawrow laut Interfax am Donnerstag.
In den ersten Wochen nach dem russischen Überfall hatten Moskau und Kiew noch verhandelt. Die Gespräche kamen aber zum Erliegen, als die Gräueltaten russischer Soldaten nach dem Rückzug aus Kiewer Vororten wie Butscha ans Licht kamen.
Gefangene Soldaten aus Stahlwerk noch in Ostukraine
Die ukrainischen Kämpfer aus dem ehemals belagerten Stahlwerk Azovstal, die in Mariupol in russische Kriegsgefangenschaft geraten sind, werden weiter im von prorussischen Separatisten kontrollierten Donbass festgehalten. Das teilte Separatistenführer Denis Puschilin am Donnerstag der Agentur Interfax mit. Die Ukraine hofft, dass die mehr als 2400 Männer und Frauen im Zuge eines Gefangenenaustauschs freikommen können. Moskau hat aber noch nicht entschieden.
Charkiw: Sieben Tote durch russischen Beschuss
In der Region Charkiw in der Ostukraine sind bei russischen Angriffen nach örtlichen Behördenangaben mindestens sieben Menschen getötet worden. Weitere 17 Menschen seien verletzt worden, sagte der regionale ukrainische Befehlshaber Oleg Sinegubow am Donnerstag einem Bericht der Internetzeitung Ukrajinska Prawda zufolge. »Der Feind beschießt auf feige Weise Charkiw«, sagte er. In der Region gebe es schwere Gefechte. Der Feind müsse zahlreiche Verluste hinnehmen. Überprüfbar waren die Angaben von unabhängiger Seite zunächst nicht.
Nationalgardisten verweigern Kriegseinsatz
Im russischen Nordkaukasus haben 115 Nationalgardisten einen Einsatz im Krieg gegen die Ukraine verweigert. Dies trug ihnen eine Kündigung ein, die von einem Militärgericht nach Angaben vom Donnerstag für rechtmäßig erklärt wurde. Das meldete die Agentur Interfax aus Naltschik, der Hauptstadt der Teilrepublik Kabardino-Balkarien. Den Angaben nach hatten die Nationalgardisten sich geweigert, Befehlen zu gehorchen, und waren in ihre Kasernen zurückgekehrt. Als darauf ihre Verträge gekündigt wurden, klagten sie, verloren den Prozess aber. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Auch im südrussischen Gebiet Krasnodar haben nach Medienberichten 15 Angehörige der Polizeieinheit OMON ihre Jobs verloren, weil sie sich geweigert hatten, im Krieg gegen die Ukraine eingesetzt zu werden.
Russische Grenzregionen: Verletzte durch Beschuss
Die russischen Grenzregionen Kursk und Belgorod haben der Ukraine einmal mehr schweren Beschuss vorgeworfen. Am Donnerstag sei dabei im Dorf Woroschba ein Mann leicht verletzt worden, schrieb der Kursker Gouverneur Roman Starowoit im Nachrichtendienst Telegram. Im Gebiet Belgorod meldete Gouverneur Wjatscheslaw Gladkow, dass das grenznahe Dorf Schuraljowka den ganzen Tag beschossen worden sei. Ein Frau sei verletzt worden, sagte er. Die ukrainische Seite äußert sich zu den Vorwürfen in der Regel nicht.
Kreml verlangt Getreide-Deal
Russland forderte angesichts der in der Ukraine blockierten Getreideexporte den Westen erneut zu einer Aufhebung von Sanktionen auf. »Sie sollen jene illegalen Entscheidungen aufheben, die die Frachtschiffe, die Ausfuhr von Getreide und so weiter und so fort behindern«, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge am Donnerstag in Moskau. Die Ukraine hatte Russland zuvor Erpressung vorgeworfen und den Westen aufgefordert, die wegen Moskaus Angriffskrieg erlassenen Sanktionen unter keinen Umständen aufzuheben. Kiew wirft Russland vor, die für die Welternährung wichtige Weizenausfuhr zu verhindern. Russland wiederum hatte die Ukraine aufgefordert, ihre Küstenstreifen zu entminen. Das wäre aber auch ein mögliches Einfallstor für die russischen Streitkräfte.
Schweden weist türkische Vorwürfe zurück
Schweden hat Vorwürfe der türkischen Regierung zurückgewiesen, militante Kurdenorganisationen in Syrien zu unterstützen. »Schweden gibt keine gezielte Unterstützung an syrische Kurden oder an die politischen oder militärischen Strukturen in Nordost-Syrien«, hieß es in einer Stellungnahme des Außenministeriums in Stockholm. Von der Entwicklungszusammenarbeit des Landes profitiere die Bevölkerung in allen Teilen des Landes. Die Unterstützung für Nordwestsyrien habe 2021 umgerechnet knapp 9,5 Millionen Euro betragen. Die Türkei blockiert derzeit als einziges Nato-Mitglied öffentlich den Beginn des Aufnahmeprozesses Schweden und Finnlands in die Nato, mit dem Vorwurf, die beiden Länder unterstützten Terrororganisationen.
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