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Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Unter Vermittlung der Vereinten Nationen sind aus dem belagerten Stahlwerk in Mariupol weitere Zivilisten evakuiert werden. Selenskyj lädt Scholz für den 9. Mai ein. Die Entwicklungen im Überblick.

Ukraine-Krieg - Bezimenne
Gerettet. Foto: Alexei Alexandrov
Gerettet.
Foto: Alexei Alexandrov

Aus dem belagerten Stahlwerk Azovstal in der ukrainischen Hafenstadt Mariupol sind weitere 50 Zivilisten gerettet worden. Das teilten sowohl die ukrainische als auch die russische Seite mit.

Die Menschen, unter ihnen elf Kinder, seien Vertretern der Vereinten Nationen und des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz übergeben worden, hieß es aus dem Verteidigungsministerium in Moskau. Zuvor hatten staatliche russische Nachrichtenagenturen bereits über die Evakuierung von Dutzenden Zivilisten aus Azovstal berichtet.

Das russische Militär hat bis einschließlich Samstag eine täglich mehrstündige Waffenruhe angekündigt, um Zivilisten vom Werksgelände in Sicherheit zu bringen. Am Freitag war dafür eine von den Vereinten Nationen und dem Internationalen Roten Kreuz begleitete Buskolonne nach Mariupol geschickt worden.

Ukrainische Kämpfer, die sich ebenfalls in den Bunkeranlagen des Werks verschanzt haben, warfen der russischen Seite früher am Freitag vor, die Waffenruhe erneut gebrochen und ein Evakuierungsfahrzeug beschossen zu haben. Das konnte zunächst nicht überprüft werden. Die Vereinten Nationen bestätigten nicht, dass während der Evakuierung Kampfhandlungen stattgefunden hätten.

Kiew: Russen wollen Azovstal bis zum 9. Mai erobern

Russland will nach Einschätzung der ukrainischen Regierung das belagerte Stahlwerk bis Montag erobern. Präsident Selenskyjs Berater Olexij Arestowytsch sagte am Donnerstagabend, das Azovstal-Werk solle zum 77. Jahrestag des Sieges über Hitler-Deutschland am 9. Mai erobert werden. »Das schönste Geschenk an einen Herrscher ist der Kopf seines Gegners. Ich erkenne klar das Bestreben, Azovstal zu erobern und Putin zum 9. Mai den 'Sieg' zu schenken«, wurde er von der Agentur Unian zitiert.

»Sie wollen das unbedingt, aber mal sehen, ob ihnen das gelingt«, sagte Arestowytsch. Die schweren Angriffe auf das Gelände des Stahlwerks ließen die Absichten des russischen Militärs klar erkennen. Zum Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs, der in Russland am 9. Mai gefeiert wird, ist in Moskau am Montag eine große Militärparade geplant. Für die Feier strebt Russland einen militärischen Erfolg in der Ukraine an.

Nach Ansicht britischer Geheimdienstexperten müssen die russischen Truppen bei ihrem Sturm auf das Stahlwerk indessen schwere Verluste hinnehmen. Es gebe hohen Verlusten an Soldaten, Material und Munition.

Selenskyj lädt Scholz für den 9. Mai nach Kiew ein

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Bundeskanzler Olaf Scholz nach Kiew eingeladen. Scholz könne einen »sehr starken politischen Schritt« unternehmen und am 9. Mai in die ukrainische Hauptstadt kommen, sagte Selenskyj bei einer Veranstaltung der Londoner Denkfabrik Chatham House.

Die Einladung stehe bereits seit einer Weile. Am selbem Tag will Russland mit einer Militärparade den »Tag des Sieges« feiern, an dem traditionell an den Sieg der sowjetischen Armee über Hitler-Deutschland erinnert wird.

Ein Sprecher der Bundesregierung verwies auf Anfrage auf bereits bekannte Termine von Scholz in den kommenden Tagen, darunter auf den Antrittsbesuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron am Montag. »Am Vortag werden der Bundeskanzler, seine G7-Kollegen und der ukrainische Staatspräsident in einer Video-Schalte am historischen Jahrestag des Weltkriegsendes über die Lage in der Ukraine beraten. Andere kurzfristige Termine habe ich Ihnen derzeit nicht mitzuteilen«, so der Sprecher.

Scholz plant Fernsehansprache

Am 8. Mai 1945 hatte die deutsche Wehrmacht bedingungslos kapituliert. Der Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs in Europa steht an diesem Sonntag im Zeichen des Ukraine-Krieges. Bundeskanzler Scholz plant eine Fernsehansprache. Zudem will er in einer Videokonferenz mit den Partnern der G7-Staaten über die Lage in der Ukraine beraten - Selenskyj soll zugeschaltet werden. Es sei »ein sehr besonderer 8. Mai in diesem Jahr«, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann. Dass zwei Länder, die im Zweiten Weltkrieg Opfer deutscher Aggression geworden seien, jetzt miteinander im Krieg stünden, sei »ein sehr bedrückender Umstand«.

Deutschland liefert Ukraine Panzerhaubitzen

Deutschland wird der Ukraine sieben hochmoderne Panzerhaubitzen 2000 liefern, damit sich das Land gegen den russischen Angriff besser wehren kann. Dies kündigte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) bei einem Besuch in der Slowakei an, einem Nachbarland der Ukraine.

Die Waffensysteme sollen nicht aus dem Bestand der aktiven Truppe entnommen werden, sondern aus einer laufenden Instandsetzung. Lambrecht betonte: »Ich muss als deutsche Verteidigungsministerin darauf achten, dass die Bundeswehr nicht geschwächt wird.«

Kreml: Militäreinsatz läuft »nach Plan«

Entgegen vieler anderslautender Experteneinschätzungen zeigt sich der Kreml mehr als zehn Wochen nach Kriegsbeginn zufrieden mit den Leistungen des eigenen Militärs in der Ukraine. »Die Operation läuft nach Plan«, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Freitag der Agentur Interfax zufolge in Moskau. Der am 24. Februar von Russlands Präsident Wladimir Putin angeordnete Angriffskrieg gegen das Nachbarland wird in Moskau offiziell nur als »militärische Spezial-Operation« bezeichnet.

Internationale Beobachter hingegen sind der Auffassung, dass der Kreml am »Tag des Sieges« am 9. Mai gerne unter anderem die vollständige Eroberung der ostukrainischen Gebiete Luhansk und Donezk gefeiert hätte. Das scheint aufgrund des stockenden Vormarschs der russischen Truppen kaum noch realistisch zu sein.

Russland schließt taktischen Atomschlag gegen Ukraine aus

Russlands Außenministerium hat Spekulationen über einen möglichen Atomwaffeneinsatz in der Ukraine zurückgewiesen. Für einen solchen Einsatz gebe es klare Richtlinien in der russischen Atomdoktrin, betonte Alexej Saizew, ein Sprecher des Ministeriums, laut der Nachrichtenagentur Interfax.

»Sie sind nicht anwendbar für die Verwirklichung der Ziele, die im Rahmen der militärischen Spezialoperation in der Ukraine gesetzt wurden«, fügte er hinzu. Russland nennt den Krieg in der Ukraine »Spezialoperation.« Die russische Atomdoktrin sieht einen Einsatz der Atomwaffen nur bei einer Gefährdung der Existenz des Landes selbst vor.

»Russland ist für immer hier!«

Ein Abgeordneter der Kremlpartei Geeintes Russland hat Moskaus dauerhaften Anspruch auf das besetzte südukrainische Gebiet Cherson geäußert. »Russland ist für immer hier!«, sagte der Duma-Abgeordnete Andrej Turtschak bei einem Besuch in der gleichnamigen Stadt Cherson. Das müsse den mehr als 200.000 Einwohnern klar gemacht werden.

Turtschak ist als Sekretär des Generalrats auch eine der Führungsfiguren von Geeintes Russland. Der 46-Jährige war zusammen mit dem Chef der Donezker Separatisten, Denis Puschilin, nach Cherson gereist.

© dpa-infocom, dpa:220506-99-177592/21