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Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Präsident Selenskyj empfängt in Kiew zwei wichtige US-Minister. An der Grenze zur Ukraine stehen zwei russische Öldepots in Flammen. Die Ereignisse im Überblick.

Kiew
US-Verteidigungsminister Lloyd Austin (l.), Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, und US-Außenminister Antony Blinken treffen in Kiew zusammen. Foto: Uncredited
US-Verteidigungsminister Lloyd Austin (l.), Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, und US-Außenminister Antony Blinken treffen in Kiew zusammen.
Foto: Uncredited

Die USA haben ihre Solidarität mit der Ukraine mit dem Besuch einer ranghohen Regierungsdelegation in Kiew demonstriert.

Außenminister Antony Blinken und Verteidigungsminister Lloyd Austin reisten in die ukrainische Hauptstadt. Sie trafen sich dort mit Präsident Wolodymyr Selenskyj. Unterdessen gingen russische Angriffe in der Ukraine auch am orthodoxen Osterfest weiter. In einem russischen Öllager unweit der Grenze zur Ukraine ereignete sich ein schwerer Brand. Ob es einen Zusammenhang zum Krieg in der Ukraine gab, blieb zunächst unklar.

Blinken: Russland hat seine Kriegsziele verfehlt

Russland hat nach Ansicht von US-Außenminister Antony Blinken seine Ziele im Krieg gegen die Ukraine verfehlt. »Wir sehen: Wenn es um Russlands Kriegsziele geht, dann scheitert Russland gerade, und die Ukraine hat Erfolg«, sagte Blinken am Montag in Polen nach seiner gemeinsamen Reise mit US-Verteidigungsminister Lloyd Austin nach Kiew. Beide hatten dort unter anderem den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj getroffen. Es war der erste Besuch von hochrangigen Vertretern der US-Regierung in Kiew seit Beginn des russischen Angriffskriegs am 24. Februar.

Russland habe es sich zu seinem prinzipiellen Ziel gemacht, die Ukraine vollends zu unterwerfen und dem Land die Souveränität und Unabhängigkeit zu nehmen, sagte Blinken weiter. »Das ist gescheitert«. Russlands Militär sei dramatisch hinter den Erwartungen zurückgeblieben, seine Wirtschaft liege durch Sanktionen und Massenexodus am Boden. »Wir wissen nicht, wie der Rest dieses Krieges verlaufen wird, aber wir wissen, dass eine souveräne und unabhängige Ukraine sehr viel länger existieren wird als Wladimir Putin auf dieser Bühne.«

Die Unterredung der beiden US-Minister mit Selenskyj dauerte nach Angaben von Blinken rund drei Stunden. Die USA würden alles tun, um der Ukraine in dieser Situation »so viel wie möglich so schnell wie möglich« zu geben, sagte Verteidigungsminister Austin. Er habe von Selenskyj wichtige Informationen dazu bekommen, was das Land brauche. Diese werde er am Dienstag beim Treffen mit den Verteidigungsministern mehrerer Länder auf dem US-Stützpunkt in Ramstein besprechen.

Nach Angaben der »Washington Post« sollen Blinken und Austin im Gespräch mit Selenskyj angekündigt haben, dass die USA ihre Militärhilfe für die Ukraine und rund ein Dutzend andere Länder in der Region um weitere 713 Millionen Dollar (rund 662 Millionen Euro) aufstocken werden. Den Angaben zufolge seien 300 Millionen Dollar davon für die Ukraine bestimmt.

Selenskyj: Russland wird nichts erreichen

Moskau wird mit seinem Angriffskrieg in der Ukraine nach Einschätzung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj keinen Erfolg haben. Binnen zwei Monaten hätten die russische Streitkräfte mehr als 1100 Raketen gegen die Ukraine eingesetzt, unzählige Fliegerbomben sowie Artillerie. Einige ukrainische Städte und Gemeinden seien bis auf die Grundmauern zerstört worden, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache, die in der Nacht zu Dienstag auf Telegram veröffentlicht wurde. »Aber sie haben nichts erreicht. Und sie werden nichts erreichen.«

Im Osten des Landes hätten die russischen Einheiten nicht »einen Krümel« Unterstützung gesehen, auf die sie so sehr gesetzt hätten. In den Städten Cherson, Kachowka, Melitopol, Enerhodar oder anderen, die von russischen Truppen eingenommen worden seien, hätten sich die Menschen den Streitkräften Russlands nicht gebeugt.

Moldau: Transnistrien meldet Explosionen

In der an die Ukraine grenzenden Konfliktregion Transnistrien ist nach Angaben der örtlichen Behörden das Ministerium für Staatssicherheit beschossen worden. Demnach wurde das Gebäude in der transnistrischen Hauptstadt Tiraspol durch Explosionen beschädigt. Auf Fotos, deren Echtheit nicht überprüft werden konnte, waren eingeschlagene Scheiben und ein zertrümmerter Eingang zu sehen. Es sei wegen eines arbeitsfreien Tags niemand zu Schaden gekommen. Russland hat in der von der Republik Moldau abtrünnigen Region Soldaten stationiert.

Die moldauischen Behörden teilten in der Hauptstadt Chisinau mit, dass nicht klar sei, wer geschossen habe. Es handele sich aber offenkundig um eine Provokation mit dem Ziel, die Lage in der Konfliktregion zu destabilisieren. Die benachbarte Ukraine, die sich einem russischen Angriffskrieg ausgesetzt sieht, gab Moskau die Schuld an dem Beschuss.

Der ukrainische Militärgeheimdienst in Kiew warf Russland vor, mit dieser Provokation Panik schüren zu wollen. Demnach könnten die in Transnistrien stationierten Truppen versuchen, von dort aus die Ukraine in Richtung der Stadt Odessa am Schwarzen Meer anzugreifen. In einer in Kiew veröffentlichten Mitteilung erinnerte der Geheimdienst an eine Äußerung eines russischen Befehlshabers, der am vergangenen Freitag offen davon gesprochen hatte, dass Moskau die gesamte Südukraine bis nach Transnistrien unter seine Kontrolle bringen wolle.

Neue russische Angriffsversuche Richtung Kramatorsk

Das ukrainische Militär hat nach eigenen Angaben mehrere russische Angriffe im Osten der Ukraine abgewehrt. »In Richtung Isjum - Barwinkowe und Isjum - Kramatorsk hat der Feind Sturmversuche unternommen, aber keinen Erfolg gehabt, dabei hat er die Ortschaften Welika Komyschuwacha, Wirnopillja und Nowa Dmytriwka beschossen«, teilte der ukrainische Generalstab am Montag in seinem Lagebericht mit.

Im Bereich Donezk und weiter südlich beschränkten sich die russischen Kampfhandlungen demnach vor allem auf starkes Artilleriefeuer auf die ukrainischen Stellungen. Einzig in der seit Wochen umkämpften Kleinstadt Popasna habe es weitere Sturmversuche gegeben. In der Stadt Mariupol sei das Stahlwerk Azovstal mit Bomben und Raketen beschossen worden, heißt es weiter. Zu eigenen Verlusten machte der Generalstab dabei keine Angaben. Die russische Seite soll 13 Panzer und darüber hinaus weitere Militärtechnik verloren haben.

Kiew: Bereits mehr als 3800 Zivilisten getötet

Durch den vor gut zwei Monaten begonnenen russischen Angriffskrieg in der Ukraine sind nach ukrainischen Angaben mindestens 3818 Zivilisten getötet worden. »Verletzte: mehr als 4000«, teilte die ukrainische Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa der Nachrichtenagentur Interfax-Ukraine am Montag mit. Die Statistik sei jedoch unvollständig, da die Behörden zu vielen Orten, darunter zur blockierten Hafenstadt Mariupol, keinen Zugang hätten. Aktuell geht die Staatsanwaltschaft dabei von mindestens 215 getöteten und 391 verletzten Kindern aus. Die Vereinten Nationen haben bisher rund 2500 zivile Tote erfasst, gehen aber ebenso wie Kiew von weitaus höheren zivilen Opferzahlen aus.

London: russische Verluste bei 15.000 Soldaten

Die britische Regierung geht davon aus, dass seit Beginn des Kriegs gegen die Ukraine etwa 15.000 russische Soldaten getötet worden sind. Diese Zahl nannte Verteidigungsminister Ben Wallace am Montag im Parlament in London.

»Außer der Zahl der Todesopfer gibt es Verluste an Ausrüstung, und insgesamt deuten mehrere Quellen darauf hin, dass bisher mehr als 2000 gepanzerte Fahrzeuge zerstört oder erbeutet wurden«, sagte Wallace. In dieser Zahl seien mindestens 530 Panzer, 560 Schützenpanzer sowie 530 gepanzerte Mannschaftstransporter enthalten. »Russland hat zudem mehr als 60 Hubschrauber und Kampfjets verloren«, betonte Wallace.

Die Ukraine gibt deutlich höhere russische Verluste an. Demnach wurden knapp 22 000 Soldaten getötet sowie 181 Kampfflugzeuge, 154 Hubschrauber, 884 Panzer und 2258 Transportpanzer zerstört. Moskau hatte am 25. März von 1351 getöteten russischen Soldaten berichtet.

Großbrand in russischen Öldepots

In zwei russischen Öldepots unweit der Grenze zur Ukraine ist in der Nacht zum Montag ein schwerer Brand ausgebrochen. Das Feuer habe in der Stadt Brjansk Lagertanks erfasst, teilte der örtliche Katastrophenschutz der Nachrichtenagentur Tass mit. Es liefen Löscharbeiten. Eins der Öllager soll der Ölgesellschaft Transneft Druschba gehören. Über die Druschba-Pipeline exportiert Russland Öl unter anderem nach Deutschland.

Auf im Internet veröffentlichten Videos waren aus der Entfernung hohe Flammen zu sehen. Nach Angaben der Feuerwehr gibt es keine Toten und Verletzten. Die Ursache des Brands haben die Behörden nicht benannt.

Brjansk ist weniger als 150 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt. Ob der Brand mit dem Krieg in der Ukraine in Zusammenhang stehen könnte, war zunächst nicht bekannt. Anfang April hatte Russland nach einem Brand in einem Öllager in der russischen Stadt Belgorod die Ukraine dafür verantwortlich gemacht. Nach russischer Darstellung feuerten zwei ukrainische Hubschrauber Raketen auf die Anlage ab. Die Ukraine wies das zurück. Belgorod liegt weniger als 50 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt.

© dpa-infocom, dpa:220425-99-31645/11