Russlands Präsident Wladimir Putin hat den seit fast vier Monaten andauernden Krieg gegen die Ukraine erneut als alternativlos gerechtfertigt.
»In der aktuellen Situation, vor dem Hintergrund zunehmender Risiken und Bedrohungen für uns, war die Entscheidung Russlands, eine militärische Spezial-Operation durchzuführen, (...) erzwungen und notwendig«, sagte Putin beim Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg. Der Westen habe die Ukraine zuvor »buchstäblich mit seinen Waffen und seinen Militärberatern aufgepumpt«, meinte der Kremlchef.
Putin sagte weiterhin: »Die Entscheidung zielt auf den Schutz unserer Bürger ab und auf den der Bewohner der Volksrepubliken im Donbass, die acht Jahre lang dem Völkermord durch das Kiewer Regime ausgesetzt waren.«
Putin: »Wirtschaftlicher Blitzkrieg« des Westens gescheitert
Nach Ansicht Putins haben die westlichen Sanktionen gegen sein Land ihre Wirkung verfehlt. »Der wirtschaftliche Blitzkrieg hatte von Anfang an keine Chancen auf Erfolg«, sagte Putin. Die Sanktionen, die westliche Staaten als Reaktion auf den russischen Angriff auf die Ukraine verhängt haben, bezeichnete er als »wahnsinnig« und »gedankenlos«. Die Strafmaßnahmen träfen die EU ebenfalls hart. Er bezifferte den Schaden für Europa mit 400 Milliarden Dollar.
Putin über Atomwaffen: »Alle sollen wissen, was wir haben«
Der Kreml-Chef hat eine von Russland ausgehende Gefahr eines Atomkriegs zurückgewiesen. Sobald man auf Äußerungen ausländischer Politiker reagiere, hieße es sofort, Russland drohe irgendjemandem, so Putin. Dann fügte er hinzu: »Wir bedrohen nichts. Aber alle sollen wissen, was wir haben und was wir gegebenenfalls einsetzen werden, um unsere Souveränität zu schützen.«
Wegen des seit fast vier Monaten andauernden russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine machen sich viele Sorgen, dass es im schlimmsten Fall sogar zum Einsatz von Atomwaffen kommen könnte. Moskau weist diese Absicht stets zurück. Russland betont vielmehr immer wieder, dass es - anders als die USA - in seiner Militärdoktrin kein Erstschlagrecht verankert habe.
Merkel: Putin war zu Gipfeltreffen nicht mehr bereit
Altbundeskanzlerin Angela Merkel hat eingeräumt, dass ihr Einfluss auf Putin kurz vor ihrem Amtsende schwand. »Es war ja klar, dass ich nicht mehr lange im Amt sein würde, und so muss ich einfach feststellen, dass verschiedene Versuche im vorigen Jahr nichts mehr bewirkt haben«, sagte Merkel im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Putin sei nicht mehr zu einem Gipfeltreffen im sogenannten Normandie-Format mit Vertretern Russlands, der Ukraine, Deutschlands und Frankreichs bereit gewesen, sagte die CDU-Politikerin. »Andererseits gelang es mir auch nicht, neben dem Normandie-Format ein zusätzliches europäisch-russisches Gesprächsformat über eine europäische Sicherheitsordnung zu schaffen.«
Auf die Frage, ob sie als Vermittlerin für eine Lösung in dem Konflikt zur Verfügung stehen würde, sagte Merkel dem RND: »Diese Frage stellt sich derzeit nicht.«
Sie schloss in dem Gespräch nicht aus, dass Putin mit seinem Angriffskrieg möglicherweise bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Amt gewartet hat. »Mein Ausscheiden kann ein Beitrag gewesen sein wie zum Beispiel auch die Wahl in Frankreich, der Abzug der Truppen aus Afghanistan und das Stocken der Umsetzung des Minsker Abkommens«, sagte sie.
Russisches Schiff im Schwarzen Meer beschossen
Das ukrainische Militär hat nach eigenen Angaben im Schwarzen Meer ein russisches Schiff mit Raketen angegriffen und schwer beschädigt. Das 2017 in Dienst genommene Schiff habe Munition, Waffen und Soldaten zur seit Ende Februar von Russland besetzten Schlangeninsel bringen sollen, teilte die ukrainische Marine in sozialen Netzwerken mit. Eine Bestätigung der russischen Flotte lag zunächst nicht vor.
Schwierige Lage in Sjewjerodonezk
Der ostukrainischen Stadt Sjewjerodonezk droht laut britischen Geheimdienstexperten weiterhin eine Einkreisung. Die russischen Truppen hätten ihre Bemühungen fortgesetzt, den Ring um die strategisch wichtige Stadt von Süden zu schließen. »In den vergangenen 24 Stunden haben russische Kräfte wahrscheinlich weiterhin versucht, auf der Popasna-Achse die Oberhand zu bekommen, von der sie den Kessel von Sjewjerodonezk vom Süden her einkreisen wollen«, hieß es in dem täglichen Update zum Ukraine-Krieg auf der Webseite des britischen Verteidigungsministeriums.
Nach ukrainischen Angaben ist die Chemiefabrik, wo noch Soldaten und Hunderte Zivilisten ausharren sollen, durch russischen Artillerie- und Raketenbeschuss fast vollständig zerstört. »Es gibt insgesamt auf dem Territorium des Chemiegiganten keine erhalten gebliebenen Verwaltungsgebäude mehr«, schrieb der Militärgouverneur der ostukrainischen Region Luhansk, Serhij Hajdaj, auf Telegram.
Scholz: Waffenlieferungen an Ukraine kommen rechtzeitig an
Die von Deutschland zugesagten Lieferungen schwerer Waffen an die Ukraine werden nach Worten von Bundeskanzler Olaf Scholz rechtzeitig eintreffen, um das angegriffene Land im Kampf um den Donbass zu unterstützen. »Sie werden rechtzeitig ankommen«, sagte Scholz am Freitag in einem auf Englisch geführten TV-Interview der Deutschen Presse-Agentur auf eine entsprechende Frage.
Die Industrie arbeite daran, dass die Waffen geliefert werden könnten. Es sei aber essenziell, dass ukrainische Soldaten an den modernen Systemen trainiert würden, so Scholz. »Ohne das Training kann man die Waffen nicht benutzen.«
Moskau: Knapp 2000 ausländische Kämpfer getötet
Seit Kriegsbeginn im Februar sind in der Ukraine russischen Angaben zufolge knapp 2000 ausländische Kämpfer getötet worden. »Insgesamt umfassen unsere Listen (...) Söldner und Waffenspezialisten aus 64 Ländern«, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums in Moskau, Igor Konaschenkow, am Freitag. Die meisten getöteten Kämpfer stammten demnach aus Polen, den USA, Kanada und Großbritannien. Unabhängig überprüfen ließen sich diese Angaben nicht.
Die Ukraine hatte vor einigen Tagen mitgeteilt, es kämpften inzwischen Freiwillige aus rund 55 Staaten - darunter auch aus Deutschland - an ihrer Seite gegen die russischen Truppen. Anfang Juni hatte die als staatliche Stelle eingerichtete Legion erstmals auch den Tod eines Deutschen bestätigt, der bei den Gefechten im Zuge des russischen Einmarsches in die Ukraine gestorben war.
Besonderes Aufsehen erregte zuletzt der Fall von zwei Briten und einem Marokkaner, die von prorussischen Separatisten in der Region Donezk als Söldner zum Tode verurteilt wurden. Großbritannien, die Ukraine und die Vereinten Nationen kritisierten die Entscheidung scharf und sprachen von Kriegsgefangenen, die Anspruch auf Schutz hätten.
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