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Kremlgegner Kara-Mursa zu 25 Jahren Haft verurteilt

Wie der inhaftierte Kremlgegner Nawalny gehört der Oppositionelle Kara-Mursa zu den prominentesten Kritikern von Präsident Putin. Er wurde nun wegen Hochverrats verurteilt.

Kara-Mursa
Der prominente russische Kremlgegner Wladimir Kara-Mursa. Foto: Hannah Wagner
Der prominente russische Kremlgegner Wladimir Kara-Mursa.
Foto: Hannah Wagner

Als erster Gegner des russischen Präsidenten Wladimir Putin soll der Oppositionelle Wladimir Kara-Mursa 25 Jahre in ein Straflager mit besonders harten Haftbedingungen. Ein Gericht in Moskau verurteilte den 41-Jährigen am Montag in einem nicht-öffentlichen Prozess unter anderem wegen angeblichen Hochverrats und Diskreditierung der russischen Armee zu dieser beispiellosen Haftstrafe. Kara-Mursa, der Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine scharf kritisiert hatte, wies alle Vorwürfe zurück. Menschenrechtler kritisierten das Urteil als Fall von Justiz-Willkür gegen Andersdenkende. Auch aus dem Ausland gab es scharfe Kritik.

Es ist die höchste Strafe, die bisher gegen einen Oppositionellen in Russland verhängt wurde. Das Gericht entsprach dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die das Strafmaß Anfang April gefordert hatte. Kara-Mursa, der zwei Giftanschläge überlebte, ist gesundheitlich schwer angeschlagen. Er soll in Untersuchungshaft rund 20 Kilogramm Gewicht verloren haben. Kara-Mursas Anwältin Maria Eismont sagte vor dem Gerichtsgebäude, sie werde um die Freilassung ihres Mandanten aus gesundheitlichen Gründen kämpfen.

Der Familienvater Kara-Mursa, der am 7. September 1981 in Moskau geboren wurde, ist Historiker und hat viele Jahre als Journalist gearbeitet, bevor er sich für eine Karriere als Politiker entschied. Er engagierte sich zuletzt vor allem für die liberale Oppositionspartei Jabloko. Aus Sicherheitsgründen leben seine Frau und die drei Kinder in den USA, wo Kara-Mursa auch eine Aufenthaltsgenehmigung hat.

Nawalny: Urteil »Rache« des Machtapparats

»Russland wird frei sein, übermittelt das allen!«, sagte Kara-Mursa nach Angaben von Eismont. Er sehe das Urteil als Zeichen dafür, dass der Kreml ihn als besonders gefährlichen Gegner einstufe. Der Oppositionelle hat wie der ebenfalls inhaftierte Kremlkritiker Alexej Nawalny stets klargemacht, dass es für ihn wichtig sei, in Russland für einen Machtwechsel einzutreten - und nicht im Ausland.

Nawalny kritisierte das Urteil gegen Kara-Mursa nach Angaben seines Teams als »Rache« des Machtapparats, weil der Politiker die bisherigen Mordversuche überlebt habe. Recherchen der Investigativgruppe Bellingcat zufolge wurde Kara-Mursa von denselben Agenten des Inlandsgeheimdienstes FSB verfolgt, die auch in den Giftanschlag auf Nawalny verwickelt gewesen sein sollen. Der Kreml wollte das Urteil gegen den Putin-Gegner nicht kommentieren.

»Meine Selbstwertschätzung ist sogar gestiegen. Ich habe verstanden, dass ich alles richtig gemacht habe. 25 Jahre - das ist die Höchstpunktzahl, die ich bekommen konnte dafür, dass ich das getan habe, woran ich als Bürger, als Patriot, als Politiker glaube«, sagte er laut Eismont weiter. Kara-Mursa, der auch die britische Staatsbürgerschaft hat, erhielt die Höchststrafe als erster Gegner von Putin überhaupt. Vor dem Gerichtsgebäude in Moskau waren mehrere Menschenrechtler und ausländische Beobachter.

Urteil weckt Erinerung an Stalin-Diktatur

Besonders das Strafmaß sorgte für breites Entsetzen. Der mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Vorsitzende der Menschenrechtsorganisation Memorial, Jan Ratschinski, sagte vor dem Gerichtsgebäude, dass das Urteil an die Zeiten unter Sowjetdiktator Josef Stalin erinnere. »Besonders furchtbar ist, dass es ein Urteil gegen Worte ist«, sagte er. »Der Machtapparat fürchtet die Worte.« Es sei der Versuch, Kritiker in Russland zum Schweigen zu bringen.

Die Botschafterinnen der USA, von Großbritannien und Kanada forderten vor dem Gerichtsgebäude die sofortige Freilassung des Politikers. Die Botschaften der Länder kritisierten das Urteil als »schreckliches Zeichen der Repressionen«. Sie erinnerten daran, dass auch in der russischen Verfassung das Recht auf freie Meinungsäußerung verbrieft sei. »Die Kriminalisierung von Kritik am Regierungshandeln ist ein Zeichen von Angst - und nicht von Stärke«, teilte die US-Botschaft in Moskau mit.

Kara-Mursa, der lange in den USA lebte, hatte sich unter anderem erfolgreich für Sanktionen Washingtons gegen russische Amtsträger eingesetzt. Auch der seinem Verfahren zugeteilte Richter Sergej Podoprigorow stand auf der Liste und hatte nach Medienberichten deshalb eine Rechnung offen mit dem Politiker. Ein Antrag der Verteidigung gegen den Richter wegen Befangenheit scheiterte aber.

Staatliche Medien hatten unter Berufung auf Ermittlerkreise behauptet, Kara-Mursa habe gegen eine Bezahlung von rund 30.000 Euro pro Monat Organisationen aus Nato-Ländern geholfen, Russlands nationale Sicherheit zu unterhöhlen. Kara-Mursa hatte demnach auch mit Unterstützung von in Russland unerwünschter Organisationen eine Veranstaltung zu politischen Gefangenen in Moskau organisiert.

Großbritannien lobt Kara-Mursas Mut

Die britische Regierung kritisierte das Urteil und bestellte den russischen Botschafter in London ein. »Wladimir Kara-Mursa hat die russische Invasion in der Ukraine mutig als das verurteilt, was sie war - eine eklatante Verletzung des Völkerrechts und der UN-Charta«, sagte Außenminister James Cleverly. »Russlands mangelndes Engagement für den Schutz grundlegender Menschenrechte, einschließlich der Meinungsfreiheit, ist alarmierend.«

Er zolle Kara-Mursa, der umgehend freigelassen werden müsse, sowie seiner Familie seinen Respekt, sagte Cleverly. Das Außenministerium betonte, Großbritannien habe bereits 2020 gegen den zuständigen Richter Sanktionen erlassen und behalte sich weitere Maßnahmen gegen diejenigen vor, die in Kara-Mursas Inhaftierung und Misshandlungen involviert seien.

Auch die EU kritisierte den Richterspruch. »Die ungeheuerlich harte Gerichtsentscheidung zeigt einmal mehr, dass die Justiz politisch missbraucht wird, um Aktivisten, Menschenrechtsverteidiger und alle Stimmen, die sich gegen den unrechtmäßigen russischen Aggressionskrieg gegen die Ukraine aussprechen, unter Druck zu setzen«, teilte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell in Brüssel mit.

© dpa-infocom, dpa:230417-99-342878/5