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Kreml: Viele russische Tote in Ukraine »gewaltige Tragödie«

Der russische Krieg gegen die Ukraine tobt seit sechs Wochen. Nun gab der Kremlsprecher dem britischen Sender Sky-News ein Interview. Die Botschaft: Russland wehrt sich lediglich. Doch eine Aussage überrascht.

Dmitri Peskow
Dmitri Peskow, Sprecher des russischen Präsidenten Putin, nimmt an einer Videokonferenz teil. Foto: Alexei Nikolsky
Dmitri Peskow, Sprecher des russischen Präsidenten Putin, nimmt an einer Videokonferenz teil.
Foto: Alexei Nikolsky

Sechs Wochen nach dem Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine hat die Führung in Moskau erstmals große Verluste in der Truppe eingeräumt.

»Wir haben bedeutende Verluste, das ist eine gewaltige Tragödie für uns«, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Donnerstag dem britischen Sender Sky News. »Es ist eine sehr ernste Operation mit schwerwiegenden Folgen.«

Zuletzt hatte Russland von 1351 getöteten Soldaten gesprochen. Die Ukraine schätzt, dass knapp 19.000 russische Soldaten seit Kriegsbeginn am 24. Februar getötet wurden. Überprüfbar ist das nicht. Der Kreml spricht stets von einer »militärischen Spezialoperation«, das Wort »Krieg« im Zusammenhang mit der Ukraine ist in Russland tabu.

Moskaus Forderungen

Peskow nannte den Krieg eine »Tragödie«. Die Schuld an zivilen Opfern in dem Land gab er aber ausschließlich den ukrainischen Kräften. »Unsere Militär tut sein Bestes, um diese Operation zu beenden«, sagte der Kremlsprecher. Russland hoffe, dass »in den kommenden Tagen« oder der nahen Zukunft der Militäreinsatz die von Präsident Wladimir Putin gesetzten Ziele erreicht oder die Verhandlungen mit der Ukraine ein Ergebnis bringen. Ein Erfolg der Gespräche hänge stark davon ab, inwiefern Kiew auf Moskaus Forderungen eingehe, sagte Peskow.

In den Verhandlungen mit der Ukraine verlangt Moskau, Kiew müsse die Unabhängigkeit der beiden ostukrainischen Gebiete Donezk und Luhansk sowie die russische Hoheit über die 2014 annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim akzeptieren. Außerdem verlangt Russland eine »Entmilitarisierung« sowie eine »Entnazifizierung« der Ukraine. Moskau behauptet, die Regierung in Kiew werde von »Nazis« gelenkt. Dafür gibt es keine Beweise. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat jüdische Wurzeln.

Peskow behauptete, die russischen Truppen seien aus den ukrainischen Gebieten Kiew und Tschernihiw zurückgezogen worden, um »guten Willen« während der Verhandlungen zu zeigen. Westliche Geheimdienste sowie Militärexperten hingegen werten den Abzug als russische Niederlage.

Sprecher nennt mutmaßliche Kriegsverbrechen »Fake«

Mit Blick auf Mariupol sagte Peskow, die umkämpfte südostukrainische Hafenstadt sei Teil der von Moskau anerkannten »Volksrepubliken«. »Mariupol wird von nationalistischen Bataillonen befreit werden, hoffentlich früher als später«, sagte Peskow. Der Kremlsprecher nannte mutmaßlich von Russen begangene Kriegsverbrechen in Mariupol, etwa den Angriff auf eine Geburtsklinik, aber auch im Kiewer Vorort Butscha »Fake«. Der Kreml dementiere, dass Russland irgendetwas mit den Gräueltaten zu tun habe, sagte Peskow. Berichte von Augenzeugen und Satellitenaufnahmen legen hingegen nahe, dass russische Truppen Hunderte Zivilisten in Butscha ermordet haben.

Peskow behauptete, ukrainische Nationalisten hätten grausame Verbrechen an der Bevölkerung verübt. Zivilisten würden als lebendige Schutzschilde missbraucht, behauptete er. Dafür gebe es Augenzeugen. Russland hat bisher keine Beweise für diese Behauptungen vorgelegt.

Peskow warnte, im Falle einer Nato-Erweiterung um Finnland und Schweden müsse Russland die Situation »neu ausbalancieren« und seine westliche Flanke stärker schützen. Einen Einsatz von Atomwaffen schloss er aber indirekt aus. Peskow verneinte die Frage, ob eine Nato-Erweiterung eine »existenzielle Bedrohung« Russlands darstellen würde. Zuletzt hatte Russland immer wieder betont, es greife zum Atomwaffenarsenal nur bei einer »Bedrohung der Existenz«.

Finnland und Schweden sind traditionell neutrale Staaten. Wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine steigt aber die Zustimmung zu einem Nato-Beitritt in den beiden Ländern.

© dpa-infocom, dpa:220407-99-838107/8