Klinikvertreter haben erneut vor Krankenhaus-Insolvenzen gewarnt und schnelle Finanzhilfen noch vor der von der Ampel geplanten großen Krankenhausreform gefordert. »Die Krankenhäuser liegen im Schockraum der Notaufnahme, und viele Kliniken werden die politische Therapie des Abwartens nicht überleben«, sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, in Berlin.
Er verwies auf gestiegene Kosten durch die Inflation und sprach von monatlich auflaufenden Defiziten von 740 Millionen Euro. »Wenn nichts passiert, stehen wir Ende 2023 bei minus 15,6 Milliarden Euro.«
Vertreter der Verbände des Gesundheitswesens, Experten und Gesundheitspolitiker diskutierten in Berlin bei einem Branchentreffen über das Thema. Bei dem jährlich von der DKG organisierten »Krankenhausgipfel« sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD): »Die Krankenhäuser sind in größter Not.« Er gehe davon aus, dass sehr viele Krankenhäuser in eine Insolvenzgefahr geraten werden. Er warb für seine große Klinikreform, die in diesem Jahr auf den Weg gebracht werden soll.
Mehrheit der Kliniken in schlechter Verfassung
DKG-Chef Gaß zeigte sich grundsätzlich offen dafür, forderte aber zunächst »ein Vorschaltgesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser«. Nur so könne verhindert werden, dass Kliniken vor der großen Krankenhausreform in Insolvenz gingen.
Einer im Februar durchgeführten Befragung zufolge, die von der DKG jetzt veröffentlicht wurde, bewerten 71 Prozent der Allgemeinkrankenhäuser (ohne Psychiatrien) ihre aktuelle wirtschaftliche Situation als schlecht oder sehr schlecht. Jedes zweite Haus (51 Prozent) erwartet in den nächsten sechs Monaten, das Leistungsangebot reduzieren zu müssen, etwa durch vorübergehende Schließungen von Stationen. Als Ursachen werden von vielen Kliniken »nicht refinanzierte Kostensteigerungen«, etwa Energiekosten, und der Fachkräftemangel genannt.
Lauterbach: Ohne Reform keine Perspektive
Lauterbach ging in seiner Rede auf die Forderungen nach kurzfristigen Finanzhilfen nicht ein und erläuterte seine Reformpläne. Eckpunkte für ein Gesetz sollen nach seinen Angaben bis zur Sommerpause vorliegen. Es deutet sich allerdings an, dass das Gesetzgebungsverfahren schwierig wird. Die drei Bundesländer Bayern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein wollen Lauterbachs Reform per Rechtsgutachten auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüfen lassen. Sie wollen wissen, ob durch die Reform zu weit in die Kompetenz der Bundesländer bei der Krankenhausplanung hineinregiert wird. Lauterbach appellierte an die Länder mitzumachen. Ohne die Reform sehe er für viele Kliniken keine Perspektive.
Die Pläne sehen bundesweit eine einheitliche Einteilung der Kliniken in drei Stufen vor, mit entsprechender Förderung: Wohnortnahe Kliniken zur Grund- und Notfallversorgung, Häuser mit »Regel- und Schwerpunktversorgung« - also weiteren Leistungen - und »Maximalversorger« wie Unikliniken. Auch innerhalb der Kliniken wird eine stärkere Spezialisierung angestrebt. Zudem sollen die sogenannten Fallpauschalen abgesenkt werden. Kliniken bekommen pro Patient oder Behandlungsfall einen pauschalen Betrag.
Die Pauschalen führen nach Ansicht Lauterbachs zu einem »Hamsterrad-Effekt«, möglichst viele Behandlungen durchzuführen. Sinkende Pauschalen sollen Anreize senken, beispielsweise Knieprothesen einzubauen, wo es vielleicht gar nicht nötig ist. Zum Ausgleich für abgesenkte Pauschalen sollen die Kliniken sogenannte Vorhalteleistungen bekommen: Feste Beträge für das Vorhalten von Personal, einer Notaufnahme oder notwendiger Medizintechnik.
In Deutschland gibt es rund 1900 Krankenhäuser mit mehr als 480.000 Betten.
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