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Klimaaußenpolitik-Strategie beschlossen

Es sei »die umfassendste Strategie weltweit«, sagt Klimastaatssekretärin Jennifer Morgan über das nun von der Bundesregierung beschlossene 74-Seiten-Papier. Die Ziele sind ambitioniert.

COP28
Klimastaatssekretärin Jennifer Morgan in Dubai. Foto: Joshua A. Bickel/DPA
Klimastaatssekretärin Jennifer Morgan in Dubai.
Foto: Joshua A. Bickel/DPA

Zum Ende des weltweit heißesten Jahres seit Beginn der Wetteraufzeichnungen hat die Bundesregierung eine umfassende Strategie für ihre Klimaaußenpolitik beschlossen. In dem 74-Seiten-Papier wird die Bekämpfung der Klimakrise und ihrer fatalen Folgen als eine »zentrale Menschheitsaufgabe dieses Jahrhunderts« beschrieben. Bereits jetzt gefährde die Erderwärmung vielerorts Menschenleben, heißt es in der vom Kabinett am Mittwoch gebilligten Strategie. Ungleichheiten und Verteilungskonflikte würden verschärft, Menschen zur Flucht gezwungen und Konflikte angeheizt.

Mit einer derart breit formulierten Klimastrategie ist Deutschland Vorreiter - es sei »die umfassendste Strategie weltweit«, sagte Klimastaatssekretärin Jennifer Morgan in Dubai. Auch schaffe die Strategie mehr Transparenz, besonders für die Öffentlichkeit. Und: »Die Bundesregierung vernetzt sich besser und definiert gemeinsame Ziele und Handlungsfelder.«

Die Bundesregierung will sich demnach »mit aller Kraft« für das 2015 in Paris beschlossene Ziel einsetzen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Bis 2030 müsse dafür der weltweite Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase im Vergleich zu 2019 annähernd halbiert werden, heißt es. Deutschland wolle die globale Energiewende beschleunigen, um »schrittweise« aus Kohle, Öl und Gas auszusteigen - sofern die Emissionen nicht abgeschieden und gespeichert werden können.

Unterstützung armer Staaten

Der Ausstieg aus den fossilen Energien ist ein zentraler Streitpunkt auf der laufenden UN-Klimakonferenz von knapp 200 Staaten in Dubai. Während mehr als 100 Länder dies formell beschließen wollen, stellen sich etliche dagegen - unter anderem Ölstaaten wie Saudi-Arabien.

In dem Strategiepapier bekennt sich Deutschland auch zur Unterstützung armer Staaten, die unter den Folgen der Erderhitzung besonders leiden - etwa unter häufigeren und heftigeren Dürren, Waldbränden, Überschwemmungen und Stürmen. Man bleibe »guter und verlässlicher Partner in der internationalen Klimafinanzierung«, heißt es. Zurzeit wird allerdings angesichts der Haushaltskrise in der Bundesregierung über mögliche Kürzungen auch solcher Etatposten geredet. Gestärkt werden soll weiterhin insbesondere die Kooperation mit Regenwald-Staaten, um die Entwaldung bis 2030 zu stoppen.

Die Klimaaußenpolitik soll dem Papier zufolge auch deutsche Interessen schützen und dazu beitragen, Deutschland und Europa als Wirtschaftsstandorte auszubauen. Eine ambitionierte Klimapolitik dürfe »kein Standortnachteil sein, der zur Abwanderung wichtiger Industrien führt«, heißt es warnend.

Der geschäftsführende Vorstand von Greenpeace in Deutschland, Martin Kaiser, sagte, die neue Klimaaußenpolitik verlöre jede Wirkung, sollte die aktuelle Haushaltskrise der Ampel in ein Kaputtsparen des internationalen und nationalen Klimaschutzes münden. »Deshalb müssen sich nun alle demokratischen Parteien des Bundestages auf ein grundgesetzlich abgesichertes Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für Klimaschutz und Innovation verständigen.«

UN: Klimawandel legt rasant an Tempo zu

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte, Klimapolitik sei in diesen geopolitisch herausfordernden Zeiten auch eine Chance, alte Gräben der Machtpolitik zu überwinden. »Diejenigen Staaten, die zusammenarbeiten, die in der Klimapolitik etwas erreichen wollen, haben die Chance, alle zum Mitziehen zu bekommen und die Welt auf den überlebenswichtigen 1,5-Grad-Pfad zu führen.«

Im wärmsten Jahrzehnt der Messgeschichte von 2011 bis 2020 hat der Klimawandel laut einem neuen UN-Bericht rasant an Tempo zugelegt. Immer mehr Treibhausgase in der Atmosphäre sorgten für »eine turbogetriebene, dramatische Beschleunigung der Eisschmelze und des Meeresspiegel-Anstiegs«, wie die Weltwetterorganisation (WMO) am Dienstag auf der Weltklimakonferenz warnte. Statt auf 1,5 Grad steuert der Planet nach Angaben der Vereinten Nationen bis zum Ende des Jahrhunderts auf fast 3 Grad zu - wenn denn alle Zusagen der Staaten eingehalten werden, woran viele Experten zweifeln.

USA: Emmissionen töten Menschen

Nach der EU und Dutzenden anderen Staaten haben sich auch die USA zu einem weitgehenden Auslaufen der fossilen Energieträger Kohle, Öl und Stahl bekannt. Es gebe keinen anderen Weg, um bis 2050 die klimaschädlichen Treibhausgase auf nahe null zu drücken, sagte der US-Klimabeauftragte John Kerry in Dubai. In einigen Sektoren werde man aber auf absehbare Zeit weiter fossile Energieträger brauchen, etwa in der Zement- und Stahlerzeugung. Hier müsse das Kohlendioxid dann aber abgeschieden und gespeichert werden.

Kerry betonte, die USA stünden zu den mit den G7-Staaten gefassten Beschlüssen, aus den fossilen Energien auszusteigen. »Wir haben immer wieder gesagt: Wir müssen tun, was wir tun müssen - nämlich auf die Wissenschaft hören.« Und die sage, dass die globalen Emissionen bis 2030 um 43 Prozent sinken müssten, um das 2015 in Paris vereinbarte 1,5-Grad-Ziel in Reichweite zu halten. Gemeint ist das Ziel, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen im Vergleich zur vorindustriellen Zeit.

Kerry sagte: »Diese Emissionen töten Menschen - schon heute!« Er verwies auf Klimaforscher, die ihr Leben lang an dem Thema arbeiteten und inzwischen alarmiert und verängstigt seien. Manche sprächen davon, man befinde sich nun auf »unbekanntem Terrain«. Kerry zählte fatale Folgen der Erderhitzung auf wie das rapide schmelzende Eis an den Polen, Hitzerekorde und verheerende Waldbrände auf verschiedenen Kontinenten und schloss mit den Worten: »Also Leute, was mehr müsst ihr wissen?«

Mit Blick auf die Verhandlungen, bei denen Staaten wie Saudi-Arabien Widerstand gegen einen Öl-, Gas- und Kohleausstieg leisten, sagte Kerry: »Es ist Zeit für Erwachsene, sich wie Erwachsene zu benehmen.«

© dpa-infocom, dpa:231206-99-200258/4