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Kein Verfahren wegen Volksverhetzung gegen Abbas

Eine Pressekonferenz von Palästinenserpräsident Abbas und Bundeskanzler Scholz sorgte 2022 für Empörung. Scholz traf Kritik, weil er nicht sofort auf die Relativierung des Holocaust reagierte.

Berlin
Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas bei einer Pressekonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz am 16. August 2022. Foto: Wolfgang Kumm/DPA
Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas bei einer Pressekonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz am 16. August 2022.
Foto: Wolfgang Kumm/DPA

Der Holocaust-Vorwurf von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas gegen Israel bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat zunächst keine strafrechtlichen Konsequenzen. Es werde kein Ermittlungsverfahren eingeleitet, teilte die Generalstaatsanwaltschaft Berlin am Montag mit. Zwar habe Abbas nach Auffassung der Behörde den Straftatbestand der Volksverhetzung verwirklicht, hieß es. Er genieße aber Immunität, so dass ein Prozesshindernis bestehe.

Mit dieser Einschätzung bestätigte die Generalstaatsanwaltschaft nach eigenen Angaben eine Entscheidung der Berliner Staatsanwaltschaft im Ergebnis. Anders als die untergeordnete Behörde sieht die Generalstaatsanwaltschaft aber den Straftatbestand der Volksverhetzung verwirklicht. Die Äußerungen von Abbas stellten einen den Holocaust verharmlosenden Vergleich dar und seien geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören, teilte ein Behördensprecher mit.

Abbas hatte im August 2022 auf Einladung der Bundesregierung Deutschland besucht. Bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Scholz im Kanzleramt hatte er Israel vielfachen »Holocaust« an den Palästinensern vorgeworfen und damit Empörung ausgelöst. »Israel hat seit 1947 bis zum heutigen Tag 50 Massaker in 50 palästinensischen Orten begangen«, sagte Abbas und fügte hinzu: »50 Massaker, 50 Holocausts.«

Scholz: »Empörende Entgleisung«

Scholz bezeichnete die Aussagen später als eine »empörende Entgleisung«. Der Bundeskanzler war selbst in die Kritik geraten, weil er in der Pressekonferenz nichts erwidert hatte. Der SPD-Politiker verfolgte die Äußerungen damals sichtlich verärgert mit versteinerter Miene und machte auch Anstalten, zu reagieren. Sein Sprecher Steffen Hebestreit erklärte die Pressekonferenz aber unmittelbar nach der Antwort Abbas' für beendet.

Wegen der Äußerungen von Abbas wurden nach Behördenangaben bei der Berliner Polizei und bei der Generalstaatsanwaltschaft zwei Strafanzeigen erstattet. Dafür zuständig sei die Staatsanwaltschaft gewesen. Diese haben das Verfahren ohne Aufnahme von Ermittlungen eingestellt, weil sie den Tatbestand der Volksverhetzung nicht als verwirklicht ansah, hieß es.

Dagegen legten die Anzeigenerstatter Beschwerde ein. Diese seien zumindest bezüglich der strafrechtlichen Einordnung der Äußerungen erfolgreich gewesen, so die Generalstaatsanwaltschaft. »Der von Abbas angestellte Vergleich entbehrt offenkundig einer objektiven Tatsachengrundlage, denn die Situation der palästinensischen Bevölkerung seit der Gründung des Staates Israel ist nicht ansatzweise mit der Lage der jüdischen Bevölkerung Europas unter der Herrschaft der Nationalsozialisten vergleichbar und bagatellisiert sowohl die Quantität als auch die Qualität der damals begangenen Gräueltaten«, so die Behörde.

Völkerrechtliche Immunität

Nach Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft liege jedoch für Abbas die Voraussetzung für eine Immunität vor - obwohl die Bundesrepublik Deutschland die palästinensischen Autonomiegebiete bislang nicht als Staat anerkennt. Aus Sicht der Behörde sind die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes gleichwohl anzuwenden.

Ein Sprecher des Auswärtigen Amts hatte bereits nach dem Vorfall im August 2022 die Einschätzung geäußert, für Abbas gelte die völkerrechtliche Immunität, weil er in seiner Funktion als Repräsentant der Palästinensischen Autonomiebehörde gehandelt habe.

Unter Juristen gibt es dazu aber unterschiedliche Auffassungen. Laut Generalstaatsanwaltschaft können die beiden Anzeigeerstatter die bisherige Einschätzung durch ein sogenanntes Klageerzwingungsverfahren vom Berliner Kammergericht überprüfen lassen.

© dpa-infocom, dpa:231211-99-256600/2