Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hat Zweifel an einer von ihm abgegebenen eidesstattlichen Versicherung zu einem mutmaßlichen Missbrauchstäter zurückgewiesen. »Ich werde garantiert nicht hingehen und als Bischof einen Meineid leisten«, sagte Woelki der Deutschen Presse-Agentur.
Der Deutschlandfunk und die »Zeit«-Beilage »Christ & Welt« hatten berichtet, dass Woelkis Büroleiterin bereits Anfang Mai einen mutmaßlichen Betroffenen zum Gespräch mit dem Kardinal eingeladen hatte. Dem mutmaßlichen Opfer soll vom ehemaligen Sternsinger-Präsidenten Winfried Pilz sexualisierte Gewalt angetan worden sein. Woelki hatte in einem presserechtlichen Verfahren versichert, erst ab der vierten Juniwoche mit dem Fall Pilz befasst worden zu sein.
Drei katholische Priester haben nach eigenen Angaben vom Freitag in der Sache Strafanzeige gegen Woelki wegen des Verdachts einer falschen eidesstattlichen Versicherung gestellt.
Woelki betonte in dem Interview, dass seine Darstellung absolut zutreffend sei. Der Betroffene habe sich für ein Gespräch mit ihm angemeldet, und sein Sekretariat habe mit ihm einen Termin ausgemacht, »ohne zu wissen, wen er da gegebenenfalls beschuldigen würde. Insofern widerspricht das überhaupt nicht meiner eidesstattlichen Erklärung.«
Woelkis Vorgänger Kardinal Joachim Meisner hatte Pilz 2014 den Kontakt zu Kindern verboten. Als der frühere Sternsinger-Chef und Autor des Kirchenliedklassikers »Laudato si« 2019 starb, veröffentlichte das Erzbistum Köln gleichwohl einen überschwänglichen Nachruf. Das Bistum Dresden-Meißen, in dem Pilz seine letzten Lebensjahre verbracht hatte, wurde vom Erzbistum Köln nicht über die Vorwürfe gegen ihn informiert.
Woelki sagte dazu: »Es ist ein Versäumnis gewesen, dass man das damals, 2012, nicht nach Dresden gemeldet hat, aber davon wusste ich nichts, davon konnte ich nichts wissen, weil die Bearbeitung des Falls bei meiner Ankunft in Köln abgeschlossen war.«
Bis heute keine Entscheidung aus Rom
Woelki versicherte, er könne sich nicht daran erinnern, welche Namen auf einer Liste mit Missbrauchstätern gestanden hätten, die ihm 2015 vorgelegt worden sei. »Was mich vor allem schockiert hat, war, dass sich ein Freund, mit dem ich über viele Jahre in Urlaub gefahren bin, auf dieser Liste befand. Das ist das, was sich mir in mein Gedächtnis eingebrannt hat und was mich emotional bis heute bewegt und natürlich auch persönlich belastet«, sagte er mit Blick auf den Düsseldorfer Pfarrer Johannes O., der mittlerweile gestorben ist. »Ich kann Ihnen wirklich beim besten Willen nicht sagen, wer sich da sonst drauf befunden hat.«
Woelki war in die Kritik geraten, als er sich 2020 entschieden hatte, ein Gutachten zum Umgang von Bistumsverantwortlichen mit Missbrauchsvorwürfen aufgrund von rechtlichen Bedenken nicht zu veröffentlichen. Er gab stattdessen eine neue Untersuchung in Auftrag. Im vergangenen Jahr schickte Papst Franziskus Woelki in eine fünfmonatige Auszeit, nachdem er ihm »große Fehler« in seiner Kommunikation vorgeworfen hatte. Anschließend forderte der Papst ihn auf, ein Rücktrittsgesuch einzureichen. Über dieses Gesuch hat der Papst aber bis heute nicht entschieden.
© dpa-infocom, dpa:220902-99-607417/2