Logo
Aktuell Inland

Kanzleramtschef: Maßnahmen bleiben bis 20. April bestehen

Vor dem 20. April wird es keine Lockerung der bestehenden Maßnahmen gegen das Coronavirus geben. Das hat Kanzleramtsminister Braun klargestellt. Dennoch geht die Debatte um eine Exit-Strategie weiter.

Abstand halten
Ein selbstgebasteltes Schild mit der Aufschrift »Abstand Halten«. Foto: Christian Charisius/dpa
Ein selbstgebasteltes Schild mit der Aufschrift »Abstand Halten«. Foto: Christian Charisius/dpa

BERLIN. Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) hat klargestellt, dass es vor dem 20. April keine Lockerungen der Einschränkungen im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie geben werde. »Wir reden jetzt bis zum 20. April nicht über irgendwelche Erleichterungen«, sagte er dem »Tagesspiegel«.

»Bis dahin bleiben alle Maßnahmen bestehen.« Ältere Menschen müssten noch deutlich länger als Jüngere mit Kontakteinschränkungen rechnen. »Eines ist allen Modellen gemein, egal, wie wir uns entscheiden: dass die älteren und vorerkrankten Menschen in unserer Gesellschaft wirksam vor einer Infektion geschützt werden müssen, bis es einen Impfstoff gibt«, sagte Braun.

Als Messlatte für eine Trendwende und als Entscheidungsgrundlage für eine Lockerung der Einschränkungen sieht Braun die Entwicklung der Infektionsgeschwindigkeit. »Wenn wir es schaffen, die Infektionsgeschwindigkeit so zu verlangsamen, dass wir zehn, zwölf oder noch mehr Tage haben bis zu einer Verdopplung, dann wissen wir, dass wir auf dem richtigen Weg sind.« Zuletzt verdoppelten sich die Fallzahlen in etwa alle drei Tage. »Unmittelbar nach Ostern werden wir sagen können, wie es generell nach dem 20. April weitergeht.«

Er habe den Eindruck, dass sich die Bevölkerung vorbildlich an die Regeln halte. »Und deshalb bin ich überzeugt, dass wir in einigen Tagen ihren Erfolg sehen werden«, betonte Braun.

Braun will sich nach eigenen Angaben an einem wie in Südkorea praktizierten Mix aus Maßnahmen orientieren. »Die haben zum einen genau solche Kontaktbeschränkungen gemacht, wie wir das jetzt in Deutschland praktizieren. Sie haben darüber hinaus ein digitales Tracking verwendet, über das man quasi vollautomatisiert erfährt, falls man Kontakt zu Infizierten hatte.« Daneben habe das Land einen sehr breiten Ansatz beim Testen.

Ärztepräsident Klaus Reinhardt forderte einen besseren Corona-Schutz für Ältere und regte vorübergehende Heimunterbringungen an. In Deutschland lebe im Vergleich zu Italien ein deutlich höherer Anteil der Hochbetagten in Alten- und Pflegeheimen und nicht unter einem Dach mit Kindern und Enkelkindern, sagte er der »Neuen Osnabrücker Zeitung«. »Das kann im Kampf gegen die Pandemie ein entscheidender Vorteil sein. Denn in Einrichtungen ist es eigentlich gut möglich, die besonders Gefährdeten vor Covid-19 abzuschotten.«

Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Georg Maier (SPD), forderte unterdessen ein Exit-Szenario. »Wir müssen die Kontaktbeschränkungen und Schulschließungen konsequent durchhalten, bis wir in ein bis zwei Wochen erkennen, wie wirksam die Maßnahmen sind«, sagte der Thüringer Innenminister der »Welt«. Zugleich müsse man sich aber schon jetzt Gedanken machen, wie eine Exit-Strategie aussehen könne. »Wenn die Kontaktbeschränkungen länger als vier Wochen aufrechterhalten bleiben, kommen wir an ein Limit.« Die psychologische Belastung für die Bevölkerung sei dann zu groß und die Akzeptanz schwinde. Länder wie Südkorea und Schweden hätten auf »Massentests und Isolation der Erkrankten« gesetzt. »Das müssen wir als Ausstiegsszenario ins Augen fassen.«

Auch Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) erklärte, dass es die Einschränkungen nicht ewig geben könne. »Alle Maßnahmen werden getroffen, um Leben und Gesundheit der Menschen in unserem Land zu schützen. Sie müssen aber auf das unbedingt Erforderliche begrenzt bleiben, auch zeitlich«, sagte Lambrecht der »Passauer Neuen Presse« (Samstag). Aktuell gehe es darum, große Gefahren von den Menschen abzuwenden und Menschenleben zu retten. »Die Einschränkungen müssen aufgehoben werden, sobald dies verantwortbar ist.«

Patientenschützer mahnten Konzepte für besonders gefährdete Bevölkerungsteile an. »Die Folgen des Corona-Stillstands sind immens«, sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, der Deutschen Presse-Agentur. »Ein zügiges Hochfahren in Aussicht zu stellen, ist aber jetzt unverantwortlich. Selbst wenn die Risikogruppe isoliert wird.« Dies seien rund sechs Millionen Menschen, darunter Lungen- und Krebskranke, akute Herzpatienten und Pflegebedürftige. »Ihnen, ihren Helfern, Pflegern und Ärzten fehlen oft die einfachsten Mittel für den Schutz vor einer Infektion«, sagte Brysch. Wer also jetzt von Ausstieg aus den Corona-Maßnahmen rede, müsse zu allererst garantieren, dass Versorgung und Hilfe Tag für Tag sichergestellt seien.

Derweil ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der dpa, dass jeder zweite Deutsche nichts gegen die Nutzung von Handy-Daten im Kampf gegen das Coronavirus hätte. Demnach sagten 50 Prozent, sie hielten die Ortung von Kontaktpersonen von Infizierten über die Standortdaten für sinnvoll. Nur 38 Prozent fänden das unangemessen, 12 Prozent machten keine Angaben.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber zeigte sich offen für die Nutzung einer Anti-Corona-App auf freiwilliger Basis. Zu einer Handy-Ortung über die Funkzellen äußerte er sich erneut kritisch: »Diese haben selbst schon in Städten einen Radius von mehreren hundert Metern, auf dem Land sogar von mehreren Kilometern«, sagte der SPD-Politiker den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. »Das ist viel zu ungenau, um einen Rückschluss auf den Aufenthaltsort von Infizierten oder ihren Kontaktpersonen zuzulassen.« Wenn ein Vorhaben ungeeignet sei, »muss man sich über mögliche Eingriffe in die Grundrechte gar nicht mehr unterhalten«.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte ursprünglich geplant, den Gesundheitsbehörden bei einer »epidemischen Lage von nationaler Tragweite« zu erlauben, Kontaktpersonen von Erkrankten anhand von Handy-Standortdaten zu ermitteln, dadurch ihre Bewegung zu verfolgen und sie im Verdachtsfall zu kontaktieren. Nach heftiger Kritik aus der Opposition, aber auch der SPD, stellte Spahn diese Pläne bei der Änderung des Infektionsschutzgesetzes zunächst zurück. (dpa)