Israel hat die Bundesregierung nach dem Großangriff der islamistischen Hamas um Munition für Kriegsschiffe gebeten. Über die Details werde beraten, sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) in Brüssel am Rande eines Nato-Treffens. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur sollen auch Blutkonserven und Schutzwesten angefragt worden seien.
Am Vorabend hatte das Verteidigungsministerium erklärt, Deutschland werde Israel zwei für die Bundeswehr zu Ausbildungszwecken geleaste Kampfdrohnen vom Typ Heron TP zurückgeben. An der Entschlossenheit zur Hilfe ließ Pistorius am Donnerstag keinen Zweifel: »Wir stehen an der Seite der Israelis.«
Die neue Informationslage kam praktisch über Nacht. Noch am Mittwoch hatte Pistorius gesagt, es gebe keine Hinweise darauf, dass Israel von Partnern wie Deutschland Waffen und Ausrüstung für den Kampf gegen die Hamas anfragen wolle. Er sei in Kontakt mit seinem israelischen Amtskollegen Joav Galant, und auch mit dem israelischen Militärattaché gebe es einen Draht. »Beide haben bislang gesagt, dass sie keine Unterstützung brauchen militärischer oder technischer Art. Es geht um politische Unterstützung«, sagte er in Berlin nach einer Sitzung des Verteidigungsausschusses.
Deutschland soll Israel den Rücken freihalten
Auf mehreren Kanälen hatte Israel in den vergangenen Tagen deutlich gemacht, dass die Erwartung an Deutschland nun vor allem sei, Israel politisch den Rücken frei zu halten. Dass es bei einer erwarteten großen Offensive gegen die Hamas im Gazastreifen auch sehr schnell schlimme Bilder ziviler Opfer geben könnte, lehren frühere Erfahrungen.
Die Bundesregierung ist zu einem starken Signal über Worte hinaus bereit und will tätige Hilfe leisten. Mehrere Bundesregierungen haben in der Vergangenheit versichert, dass die Sicherheit Israels Teil der deutschen Staatsräson sei. Was dies genau bedeutet und ob dann die Bundeswehr im Fall der Fälle auch für Israel kämpfen müsste, blieb lange unbeantwortet und erschien manchem als akademische Frage. Sie rührt auch an der Urangst der Deutschen, in einen Krieg verwickelt zu werden.
Gazastreifen vom Meer aus abriegeln
In der Vergangenheit hat Israel seine Marine eingesetzt, um den Gazastreifen von der Seeseite aus abzuriegeln. Zudem können Schiffe ihre Feuerkraft für Militärschläge gegen das Palästinensergebiet nutzen. Erkannte Ziele im Gazastreifen werden dann gewissermaßen von drei Seiten - Land, Luft und See - beschossen.
Die israelische Marine ist in den vergangenen Jahren mit Schiffen aus Deutschland ausgerüstet worden, darunter vier Korvetten der SA'AR-6-Klasse, die bei ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) bestellt worden waren. Das letzte der etwa 90 Meter langen und 13 Meter breiten Schiffe war 2021 in Haifa eingetroffen.
Israel erklärte, mit den Patrouillenschiffen vor allem Gas-Förderplattformen im Mittelmeer schützen zu wollen und stattet die Korvetten selbst mit Radar- und Waffensystemen aus. In der Vergangenheit hat Deutschland vor allem U-Boote nach Israel geliefert und die Exporte auch mit Steuergeldern gefördert. Inzwischen gibt es Großprojekte auch in die andere Richtung: Deutschland bezieht Drohnen und Luftverteidigungssysteme aus Israel.
Ein umfangreiche Militärhilfe für Israel kann nun in Konkurrenz zur Unterstützung der Ukraine geraten. Dies gilt umso mehr, falls bei einem länger andauernden Konflikt nach Material über Munition für seegestützte Systeme hinaus gefragt wird. Die Ressourcen sind trotz einer anlaufenden Produktion weiter knapp und Deutschland ist - Stichwort Munitionskrise - mit einem Milliardendefizit in die neue Weltlage gestartet.
USA bleiben Hauptunterstützer
Der Hauptunterstützer bleiben die USA. Nach den Massakern der Hamas an israelischen Zivilisten und der Verschleppung von Menschen in den Gazastreifen erschien Israel unerwartet wehrlos, so dass die USA einen Flugzeugträger, Kriegsschiffe und mehrere Kampfflugzeuge ins östliche Mittelmeer verlegen. Das wird als Warnsignal an Feinde Israels verstanden.
Zugleich richtete US-Präsident Joe Biden mahnende Worte an die israelischen Militärplaner, die ganz offenkundig darauf abzielen, Sorgfalt bei der Vermeidung von Opfern unter der palästinensischen Zivilbevölkerung walten zu lassen. Israel müsse nach den Regeln des Krieges handele, so Biden in einer Rede: »Und es gibt Regeln des Krieges.«
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