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Justizreform in Israel nimmt weitere Hürde

Israels rechts-religiöse Regierung treibt ihr Vorhaben zur Schwächung der unabhängigen Justiz rasch voran. Sie ignoriert dabei massive Proteste gegen die Reform.

Proteste in Israel
Menschen demonstrieren in Tel Aviv gegen die Pläne der neuen Regierung von Premierminister Netanjahu. Foto: Ariel Schalit
Menschen demonstrieren in Tel Aviv gegen die Pläne der neuen Regierung von Premierminister Netanjahu.
Foto: Ariel Schalit

Ungeachtet heftiger Proteste schreitet die umstrittene Justizreform in Israel mit großen Schritten voran. In der Nacht zum Dienstag billigte das Parlament in Jerusalem in erster Lesung Gesetzesänderungen zu mehreren Kernpunkten. Das Parlament kann demnach künftig Entscheidungen des Höchsten Gerichts mit einfacher Mehrheit widerrufen. Damit wird die Fähigkeit des Gerichts zur rechtlichen Überprüfung von Gesetzen de facto ausgehebelt.

Kritiker werfen der Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vor, die unabhängige Justiz des Landes gezielt schwächen zu wollen. Sie sehen dadurch die Gewaltenteilung als Pfeiler der Demokratie in Gefahr. Seit Wochen kommt es daher zu Massenprotesten.

Die Krise überschattet auch einen Besuch Netanjahus in Berlin. Er trifft dort an diesem Donnerstag unter anderem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). In Berlin wird ebenfalls mit Protesten gerechnet.

Regierung strebt Schnellverfahren an

Israelischen Medienberichten zufolge will die Regierung noch in diesem Monat die Kernelemente der kontroversen Reform im Schnellverfahren durchsetzen. Es sind noch zwei Lesungen notwendig, damit die Änderungen endgültig in Kraft treten. Der Umbau der Justiz könnte Netanjahu auch in einem Korruptionsverfahren, das gegen ihn läuft, in die Hände spielen. Die Gesetzesänderungen erfolgen auch auf Druck von Netanjahus strengreligiösen Koalitionspartnern.

Es soll dem Höchsten Gericht mit der Reform auch erschwert werden, Gesetze aufzuheben, die seinem Urteil nach gegen ein Grundgesetz verstoßen. Dafür soll eine Mehrheit von mindestens zwölf von 15 Richtern notwendig sein. Bislang reicht eine einfache Mehrheit.

Weil Israel keine schriftliche Verfassung hat und der Staat stattdessen auf einer Sammlung von Grundgesetzen fußt, kommt dem Höchsten Gericht besondere Bedeutung bei der Wahrung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten zu. Netanjahus Regierung argumentiert, das Höchste Gericht übe derzeit zu viel politischen Einfluss aus. Seine Koalition ist die am weitesten rechts stehende, die das Land je hatte.

Neue Regeln für Amtsunfähigkeit des Regierungschefs

Das Parlament billigte außerdem in erster Lesung eine Gesetzesänderung, die es deutlich schwerer machen soll, einen Ministerpräsidenten für amtsunfähig zu erklären. Dafür wäre künftig eine Dreiviertelmehrheit im Parlament notwendig. Zur Begründung dürften nur gesundheitliche Gründe herangezogen werden. Mit dem Schritt soll eine Einflussnahme des Höchsten Gerichts oder der Generalstaatsanwaltschaft verhindert werden.

Eine Nichtregierungsorganisation hatte zuletzt eine Petition beim Höchsten Gericht eingereicht, um zu erreichen, dass Netanjahu wegen seines Korruptionsprozesses für amtsunfähig erklärt wird. Aus ihrer Sicht ist die Gesetzesänderung auf seine persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten und soll ihn vor Konsequenzen schützen.

Weiteres Ziel der Reform ist es, dass Politiker mehr Einfluss bei der Ernennung von Richtern erhalten sollen. Netanjahus Regierung wäre dann die erste, die davon profitieren würde und unliebsame Richter ersetzen könnte.

»Schlimme, sehr schlimme Lage«

Seit zehn Wochen gibt es massive Proteste gegen die Justizreform, Bemühungen um einen Kompromiss waren aber bisher erfolglos. Es mehren sich die Warnungen, Israel steuere rasch auf eine gefährliche Staatskrise hin. Israels Präsident Izchak Herzog sagte am Montagabend: »Wir sind in einer schlimmen, sehr schlimmen Lage«. Es müsse mit aller Macht eine Einigung erzielt werden, um Israel aus der Krise zu führen. Er spreche dafür mit Gegnern und Befürwortern der Reform. Es wird damit gerechnet, dass Herzog in den kommenden Tagen einen Kompromissvorschlag veröffentlicht. Die Opposition fordert als Bedingung für Verhandlungen einen vollständigen Stopp des Vorhabens.

© dpa-infocom, dpa:230313-99-935559/10