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Jurist: Verbote von Pro-Palästina-Demos problematisch

In mehreren deutschen Städten sind in den vergangenen Tagen pro-palästinensische Demonstrationen verboten worden. Ist das juristisch haltbar? Ein Verfassungsrechtler hat Zweifel.

Pro-Palästina Kundgebung in Berlin
Polizisten sind am vergangenen Sonntag bei einer verbotenen Pro-Palästina-Demonstration am Potsdamer Platz in Berlin im Einsatz. Foto: Paul Zinken/DPA
Polizisten sind am vergangenen Sonntag bei einer verbotenen Pro-Palästina-Demonstration am Potsdamer Platz in Berlin im Einsatz.
Foto: Paul Zinken/DPA

Der Verfassungsrechtler Michael Wrase hält die vor allem in Berlin erlassenen Verbote pro-palästinensischer Solidaritätsbekundungen auf Versammlungen oder in Schulen teilweise für problematisch.

Eingriffe in die Versammlungsfreiheit seien nur dann zulässig, »wenn von der Versammlung selbst eine unmittelbare Gefährdung für die öffentliche Ordnung, für die öffentliche Sicherheit, ausgeht«, sagte der Rechtswissenschaftler von der Universität Hildesheim in einem Online-Pressegespräch des Mediendienstes Integration. Dies sei nur dann der Fall, wenn strafbare Handlungen zu erwarten seien, »aber nicht nur von Einzelnen auf der Versammlung, sondern eben meinetwegen von einer Mehrheit oder auch ausgehend von den Veranstaltern«.

Momentan werde damit argumentiert, dass die Konfliktlage so aufgeladen sei, dass quasi bei jeder dieser Versammlung erst einmal davon ausgegangen werden müsse, dass es dort zu strafbaren Handlungen wie der Billigung von Terrorangriffen auf Israel komme, sagte Wrase. »Ob in dieser Pauschalität tatsächlich solche weitreichenden Verbote gerechtfertigt erscheinen, das würde ich mal mit einem großen Fragezeichen versehen«, fügte er hinzu.

Noch keine keine Entscheidung des Verfassungsgerichts

Anders als Rechtsextremisten, die gegen Versammlungsverbote häufig vor Gericht zögen, sei dies bei den Veranstaltern der Pro-Palästina-Kundgebungen bislang eher nicht der Fall, weshalb es hierzu bislang noch keine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gebe.

Mit ihrem Rundschreiben an die Schulleitungen habe sich Berlins Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch in einer »Grauzone« bewegt, sagte der Jurist. Die CDU-Politikerin hatte darin am 13. Oktober festgehalten, auch das Mitführen von nicht strafrechtlich relevanten Symbolen, wie etwa Aufkleber mit Aufschriften wie »Free Palestine« oder das sogenannte Palästinensertuch, solle zur Wahrung des Schulfriedens in Berliner Schulen untersagt werden. Einschränkend schrieb sie: »Welche Maßnahmen im Einzelnen innerhalb des in diesem Schreiben aufgezeigten Rahmens für Ihre Schule verhältnismäßig und effektiv sind, können nur Sie als die Verantwortlichen vor Ort einschätzen.«

»Da kann man juristisch durchaus Zweifel haben, auch in der konkreten Einordnung«, sagte Wrase, beispielsweise, ob das Tragen des sogenannten Palästinensertuchs im Einzelfall als »Unterstützung der Hamas gewertet werden kann oder der Terrorangriffe auf Israel« oder ob dies lediglich »eine allgemeine Solidaritätsbekundung« sei.

© dpa-infocom, dpa:231019-99-624352/2