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Jahrestag des Todes von Amini: Angespannte Lage im Iran

Zum ersten Mal jährt sich der Tod der iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini, der in der Islamischen Republik die schwersten Proteste seit Jahrzehnten auslöste. Der Staat will neue Proteste mit allen Mitteln verhindern.

Ein Jahr nach den Protesten im Iran
Der Tod der iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini löste in Teheran schwere Proteste aus. Foto: Uncredited/DPA
Der Tod der iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini löste in Teheran schwere Proteste aus.
Foto: Uncredited/DPA

Mit strengen Sicherheitsvorkehrungen hat die iranische Staatsführung rund um den Todestag der Protestikone Jina Mahsa Amini erneut ihre Macht demonstriert.

Einem Bericht zufolge nahmen Irans Sicherheitsbehörden mehr als 260 Menschen fest. Die Festnahmen seien innerhalb der vergangenen 24 Stunden erfolgt, berichtete die Zeitung »Shargh«. Die Sicherheitsbehörden begründeten die Festnahmen demnach unter anderem mit Verstößen gegen die öffentliche Sicherheit, der Anstiftung zu Protesten oder mit Waffenbesitz.

Aminis Vater wurde in ihrer Heimatstadt Saghes am Samstag vorübergehend festgenommen und verhört, wie mehrere kurdische Menschenrechtsgruppen berichteten. In Berlin, Hamburg, Frankfurt und anderen deutschen Städten zeigten Tausende Menschen ihre Solidarität.

Tod Aminis löste schwere Proteste aus

An diesem Samstag jährte sich erstmals der Tod Aminis, der im Herbst 2022 die schwersten Proteste im Iran seit Jahrzehnten ausgelöst hatte. Islamische Sittenwächter hatten die damals 22-Jährige wegen eines angeblich nicht richtig getragenen Kopftuchs festgenommen. Was genau danach geschah, ist bis heute ungeklärt - letztlich fiel die junge Frau ins Koma und starb in einem Krankenhaus. Zu Aminis Beerdigung strömten damals Tausende Menschen. Ausgehend von den Kurdenregionen verbreiteten sich die Proteste wie ein Lauffeuer.

Vor allem die junge Generation ging in der Folge unter dem Slogan »Frau, Leben, Freiheit« gegen die repressive Politik der islamischen Führung auf die Straße. Die Staatsmacht ließ die Proteste, die das Land über Monate hinweg in Atem hielten, gewaltsam niederschlagen. Auf Geheiß der iranischen Justiz wurden sieben Männer im Zusammenhang mit den Demonstrationen hingerichtet. Als Zeichen des stillen Protests ignorieren bis heute viele Frauen die Kopftuchpflicht.

Solidaritätskundgebungen in Deutschland und Europa

In Deutschland gab es zum Jahrestag verschiedene Demonstrationen in mehreren Städten. In Hamburg schätzte das Lagezentrum, dass sich rund 2500 Menschen an Demonstrationen beteiligt hätten. Es sei zu vereinzelten Verkehrsbehinderungen gekommen. In Berlin gab es Aktionen unter anderem am Großen Stern und vor dem Reichstagsgebäude. Mehrere Hundert Demonstrantinnen und Demonstranten gingen in Frankfurt auf die Straße. Auch in Brüssel gab es einen Protestmarsch.

Irans Kurdenregionen im Ausnahmezustand - zahlreiche Festnahmen

Aminis Heimatort Saghes wurde vor ihrem Todestag abgeriegelt. Aus Angst vor einem erneut gewaltsamen Vorgehen der Sicherheitskräfte gab es zunächst keine Protestaufrufe. Den Todestag wollten Menschen in den Kurdengebieten dennoch würdigen, etwa durch Ladenschließungen. Irans Geheimdienst nahm laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Tasnim mehrere Bewohner in den Kurdengebieten fest. Auch in anderen Städten herrschte mit Straßenkontrollen eine angespannte Stimmung.

Aus gut informierten Kreisen in den Kurdengebieten hieß es, Aminis Familie stünde bereits seit Wochen faktisch unter Hausarrest. Am Todestag seiner Tochter hätte ihr Vater schließlich in Begleitung von Sicherheitskräften zum Grab gehen dürfen, um dort ein Totengebet zu sprechen. Das massive Aufgebot an Militär und Sicherheitskräften, all jene Vorkehrungen der Machtdemonstration werteten einige Bewohner der Region als Zeichen der Schwäche der iranischen Staatsführung.

Die bekannte Schauspielerin Hanieh Tavassoli wurde am Wochenende kurzzeitig festgenommen, wie iranische Medien unter Berufung ihre Schwester berichteten. Tavassolis Instagram-Auftritt mit ihren zwei Millionen Followern war unterdessen nicht zu erreichen. Die 44-Jährige kam auf Kaution frei. Im Zuge der Protestwelle im Herbst 2022 waren mehrere Schauspielerinnen ins Fadenkreuz der Justiz geraten, die sich mit der Bewegung solidarisiert hatten.

Im Südiran töteten unbekannte Angreifer ein Mitglied der berüchtigten Basidsch-Einheiten, wie die staatliche Nachrichtenagentur IRNA am Sonntag berichtete. Drei weitere Männer seien verwundet worden. Die Miliz spielt eine zentrale Rolle bei der Unterdrückung von Protesten im Land. Die Einheit ist Teil der Revolutionsgarden, ihr sollen mehrere Hunderttausend systemtreue Anhänger angehören.

Baerbock setzt Zeichen - Scholz mit Protest-Slogan

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock versprach den Menschen im Iran unterdessen weitere Unterstützung gegen Unterdrückung. »Wir setzen die Schicksale der Menschen im Iran in Brüssel, New York und Genf auf die Tagesordnung«, erklärte die Grünen-Politikerin, die sich derzeit in den USA aufhält. Dort traf sie am Freitag (Ortszeit) die Tochter des im Iran wegen Terrorvorwürfen zum Tode verurteilten Deutsch-Iraners Djamshid Sharmahd. Er ist einer von mehreren im Iran inhaftierten Deutschen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schrieb in einem X-Post mit dem Hashtag #MahsaAmini: »Frau, Leben, Freiheit«.

© dpa-infocom, dpa:230916-99-213729/10