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Israels Präsident Herzog will die USA beruhigen

Wieder treibt die Sorge um die Demokratie Zehntausende Israelis auf die Straße. Die Pläne der Regierung Netanjahus sorgen auch in den USA für Bedenken. Der israelische Präsident versucht, zu beruhigen.

Israelischer Präsident Herzog zu Besuch in den USA
Der israelische Präsident Izchak Herzog spricht zu den Medien vor dem Westflügel des Weißen Hauses nach einem Treffen mit US-Präsident Biden. Foto: Jacquelyn Martin/DPA
Der israelische Präsident Izchak Herzog spricht zu den Medien vor dem Westflügel des Weißen Hauses nach einem Treffen mit US-Präsident Biden.
Foto: Jacquelyn Martin/DPA

Der israelische Präsident Izchak Herzog hat bei einem Besuch in den USA versucht, die Sorgen des engsten Verbündeten wegen einer höchst umstrittenen Justizreform zu zerstreuen. »Die israelische Demokratie ist solide, stark und unverwüstlich«, sagte Herzog vor dem Hintergrund der aufgeheizten Stimmung in seinem Land bei einem Treffen mit US-Präsident Joe Biden im Weißen Haus.

Zugleich bezeichnete er die innenpolitische Lage in Israel als »Krise«, aus der er einen Ausweg suche. Der Besuch in Washington fiel zusammen mit einem landesweiten Protesttag, an dem erneut Zehntausende Israelis gegen die gezielte Schwächung der Justiz auf die Straße gingen.

Die umstrittenen Pläne und generell der Kurs der rechts-religiösen Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sind auch zur Belastungsprobe der Beziehungen Israels und der USA geworden. Biden versicherte Herzog zwar, die Freundschaft zwischen den Ländern sei »unzerbrechlich«. Der Empfang von Herzog warf jedoch auch ein Schlaglicht auf Bidens angespannte Beziehung zu Netanjahu.

Der israelische Regierungschef - der weitreichendere Befugnisse hat als der Präsident mit seiner vor allem repräsentativen Funktion - wartet seit Monaten auf seinen Antrittsbesuch im Weißen Haus. Die US-Regierung stellte am Montag zwar vage eine Begegnung von Biden und Netanjahu im Herbst in den USA in Aussicht. Zugleich äußerte sie neben der Justizreform auch im Hinblick auf Mitglieder des Netanjahu-Kabinetts Bedenken, die Biden vor wenigen Tagen als extrem bezeichnet hatte.

Justizreform bringt erneut Tausende auf die Straßen

Netanjahus Koalition wirft der unabhängigen Justiz im Land zu viel Einfluss auf politische Entscheidungen vor. In der kommenden Woche soll ein wichtiger Teil der Reform zur Einschränkung des Höchsten Gerichts verabschiedet werden. Kritiker sehen die Gewaltenteilung und damit die Demokratie in Gefahr. Manche warnen gar vor der schleichenden Einführung einer Diktatur.

Heute demonstrierten erneut Zehntausende im Rahmen eines »Tag des Widerstands« gegen das Vorhaben. Landesweit beteiligten sie sich an Störaktionen und Kundgebungen. Mehrere zentrale Straßen und Bahnhöfe wurden blockiert. Die Organisatoren appellierten an die USA, ihren Einfluss zu nutzen und die Regierung an ihren umstrittenen Plänen zu hindern.

Warme Worte - schwierige Themen

Der US-Präsident empfing seinen israelischen Kollegen mit warmen Worten. »Meine Liebe für Israel ist tief verwurzelt und von Dauer«, sagte Biden vor dem Gespräch, das hinter verschlossenen Türen stattfand. Er lobte Fortschritte bei dem Bemühen um mehr Stabilität im Nahen Osten - es gebe aber noch sehr viel mehr zu tun. Und er betonte den »eisernen« Einsatz seines Landes für Israels Sicherheit. Die USA unterstützen Israel jedes Jahr im Bereich Verteidigung mit Milliardensummen. Die US-Regierung hatte vor der Begegnung aber schon deutlich gemacht, dass Biden mit Herzog auch über die Reformpläne sprechen wollte - und über die Bedeutung gemeinsamer demokratischer Werte.

Beziehungen zwischen Israel und USA auf dem Prüfstand

In Israel sorgte zuletzt ein Kommentar des Autors Thomas L. Friedman in der »New York Times« für Aufsehen, Titel: »Die Neubewertung der Regierung Netanjahu durch die USA hat begonnen«. Friedman warnt darin, dass die US-Regierung zunehmend wegen Netanjahus Politik besorgt sei und ihre bisherigen Beziehungen mit dem Land neu überdenke. Israelische Kommentatoren äußerten ähnliche Sorgen.

»Dass Netanjahu seit Amtsantritt nicht im Weißen Haus war und nun Herzog eingeladen ist, ist ein eindeutiges Zeichen dafür«, sagte der israelische Politikwissenschaftler Eldad Schawit. Dass Biden und Netanjahu nun ein Treffen vereinbart haben, lindere nicht die Spannungen zwischen den beiden Ländern. »Biden hat ein klares Zeichen an Netanjahu gesendet, es muss etwas passieren, ansonsten wird es kein Treffen geben, und schon gar nicht im Weißen Haus.«

Während Netanjahus Büro am Montagabend nach dem als »lang und herzlich« bezeichneten Gespräch die Einladung in die USA thematisierte, hatte das Weiße Haus erst auf Nachfrage bestätigt, dass es »wahrscheinlich« noch vor Ende des Jahres ein Treffen gibt.

Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby, warnte zudem, das Telefonat und die geplante Begegnung zu hoch zu bewerten: Die Bedenken wegen der Justizreform und »extremistischer Handlungen« einiger Kabinettsmitglieder seien nicht geringer geworden.

Israels Regierung treibt Siedlungsbau voran

Netanjahus Koalition ist die am weitesten rechtsstehende in der Geschichte Israels. Mehrere Minister vertreten rechtsextreme Ansichten und treiben den Siedlungsbau im besetzten Westjordanland aktiv voran. Seit Antritt der Regierung wurden dort laut der Menschenrechtsorganisation Peace Now so viele neue israelische Wohneinheiten genehmigt wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnung 2012. Biden ist als Gegner der israelischen Siedlungspolitik bekannt, welche die Regierung seines Vorgängers Donald Trump noch unterstützt hatte.

Israel hatte während des Sechs-Tage-Krieges 1967 unter anderem das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Rund 600.000 Israelis leben dort heute in mehr als 200 Siedlungen. Die Palästinenser beanspruchen die Gebiete als Teil eines eigenen Staats.

© dpa-infocom, dpa:230718-99-438958/8