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Israels Armee: Waffen im Schifa-Krankenhaus gefunden

Israels Streitkräfte finden in der Schifa-Klinik in Gaza Waffen der Hamas. Unterdessen wächst die Kritik an dem militärischen Einsatz am größten Krankenhaus im Gazastreifen. Der Überblick.

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Bild aus einem von den israelischen Verteidigungskräften veröffentlichten Video gehen israelische Soldaten in der Nähe des Schifa-Krankenhauses in Gaza-Stadt. Foto: Israel Defense Forces/DPA
Bild aus einem von den israelischen Verteidigungskräften veröffentlichten Video gehen israelische Soldaten in der Nähe des Schifa-Krankenhauses in Gaza-Stadt.
Foto: Israel Defense Forces/DPA

Die israelische Armee hat nach Darstellung eines Militärsprechers im Schifa-Krankenhaus im Gazastreifen Waffen gefunden. Der Einsatz in der Klinik dauere noch an, sagte Hagari am Mittwochabend. In einer Abteilung der Klinik sei ein Zimmer mit spezieller Technologie und Kampfausrüstung der islamistischen Hams gefunden worden, sagte er. In einer anderen Abteilung sei ein Einsatzzentrum der Hamas entdeckt worden. Die Funde bewiesen »eindeutig, dass Schifa für militärische Zwecke missbraucht wurde, im absoluten Gegensatz zu internationalem Recht«, sagte Hagari. Der Einsatz werde so lange weitergehen, wie nötig.

»Schifa ist ein Symbol«

»Schifa ist ein Symbol, keiner von der Hamas-Führung hätte sich vorstellen können, dass wir dort hingelangen«, sagte Hagari. Nach dem Massaker am 7. Oktober seien dort 200 Hamas-Terroristen untergekommen, die an den Gräueltaten beteiligt gewesen seien.

Der Armeesprecher Jonathan Conricus zeigte in einem Video hinter einem MRT-Gerät versteckt eine Tasche mit einem Sturmgewehr, Munition, Handgranaten und einer Uniform. In einem anderen Schrank seien andere Waffen gefunden worden, erklärte er. Eine Ausrüstung sei mit dem Namen des bewaffneten Hamas-Arms, den Kassam-Brigaden, beschriftet gewesen. Es seien auch zahlreiche nachrichtendienstlich relevante Informationen gefunden worden. Alle Funde würden gegenwärtig gründlich untersucht.

Die Angaben der Armee ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Die Hamas dementierte die Berichte als »offensichtliche Lüge und Farce«.

Teils heftige Kämpfe

Israelische Bodentruppen waren in der Nacht zum Mittwoch in das größte Krankenhaus im Gazastreifen eingedrungen. Es gab Berichte von stundenlangen Kämpfen in der Klinik. So sagte ein Arzt es wurde teils heftig gekämpft. Es habe stundenlange Schusswechsel und Bombardements gegeben, berichtete ein Mediziner der Klinik laut »Washington Post«. Der Nachrichtensender Al-Dschasira berichtete von »Dutzenden Soldaten«, die sich in der Notaufnahme des Krankenhauses aufgehalten haben. Zudem seien Panzer in einem Hof des Gebäudekomplexes stationiert worden. UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths zeigte sich über den Einsatz des israelischen Militärs am Schifa-Krankenhaus entsetzt.

Laut humanitärem Völkerrecht sind Angriffe auf zivile Ziele wie Krankenhäuser verboten. Wenn zivile Objekte allerdings missbraucht würden, gelte dies nicht mehr, erläuterte der Völkerrechtler Daniel-Erasmus Khan von der Universität der Bundeswehr. Das humanitäre Völkerrecht akzeptiere in dem Fall sogar unbeabsichtigte zivile Opfer bei einem Angriff. Israel müsse allerdings alles dafür tun, Zivilisten aus der Klinik zu evakuieren.

Wohl mehr als 2000 Menschen in der Schifa-Klinik

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO befanden sich mit Stand Montag mehr als 2000 Menschen in der Schifa-Klinik im Norden des abgeriegelten Küstenstreifens, darunter vermutlich mehr als 600 Patienten und rund 1500 Vertriebene. Die Angaben beruhen auf Schätzungen des dortigen Gesundheitsministeriums, das von der Hamas kontrolliert wird. Augenzeugen bestätigten jedoch die Zahlen.

Fünf Bewaffnete bei Gefecht vor Klinik getötet

Israels Armeesprecher Daniel Hagari versicherte, dass Zivilisten, die von der Hamas als menschliche Schutzschilde benutzt würden, kein Schaden zugefügt werde. Bei einem Gefecht vor der Klinik töteten Soldaten den Medienberichten zufolge mindestens fünf bewaffnete Hamas-Mitglieder. Israelische Soldaten seien nicht verletzt worden.

UN-Nothilfekoordinator: Schutz von Zivilisten vor allem anderen

UN-Nothilfekoordinator Griffiths schrieb am Mittwoch auf X (vormals Twitter): »Der Schutz von Neugeborenen, Patienten, medizinischem Personal und allen Zivilisten muss vor allen anderen Anliegen stehen. Krankenhäuser sind keine Schlachtfelder«

Er legte einen Zehn-Punkte-Plan für Gaza vor, dessen Kernpunkt eine humanitäre Feuerpause ist. Es seien kontinuierliche Hilfslieferungen nötig. Er appellierte an Israel, weitere Grenzübergänge dafür zu öffnen.

UN: Nur noch ein Krankenhaus im nördlichen Gaza nimmt Patienten auf

Im nördlichen Gazastreifen nimmt nach UN-Angaben angesichts von Gefechten und wegen Treibstoffmangels nur noch ein Krankenhaus Patienten auf. Das Al-Ahli-Krankenhaus in der Stadt Gaza sei als einziges noch im Minimal-Betrieb, teilte das UN-Nothilfebüro OCHA in der Nacht zum Mittwoch mit. »Alle anderen haben den Betrieb wegen eines Mangels an Strom, medizinischem Material, Sauerstoff, Essen und Wasser eingestellt.« Im Al-Ahli-Krankenhaus seien derzeit etwa 500 Patienten untergebracht.

Tankwagen liefert Treibstoff in Gazastreifen

Erstmals seit Beginn des Gaza-Kriegs kam ein Tankwagen mit Treibstoff aus Ägypten im Gazastreifen an. Der Leiter des UNRWA im Gazastreifen, Thomas White, äußerte sich jedoch kritisch zu der Lieferung. »Das ist nur neun Prozent dessen, was wir täglich brauchen, um lebensrettende Aktivitäten fortzusetzen«, schrieb er auf X.

UN: Humanitäre Unterstützung im Gazastreifen vor Zusammenbruch

Das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA warnte, dass die humanitäre Unterstützung für die Menschen im Gazastreifen wegen des Mangels an Treibstoff bald zusammenbrechen werde. Es stehe auch kaum mehr Treibstoff für die Trinkwasseraufbereitung zur Verfügung. Wegen fehlenden Treibstoffs für die Stromerzeugung droht nach palästinensischen Angaben auch der Totalausfall der Kommunikationsnetze.

Armee fordert Einwohner im Süden des Gazastreifens zur Flucht auf

Die israelische Armee hat nach Medienberichten erstmals seit Beginn des Gaza-Kriegs auch Einwohner des südlichen Gazastreifens dazu aufgerufen, aus ihren Wohnorten zu fliehen. Der Armeesender und die Nachrichtenseite ynet berichteten, im östlichen Teil der Stadt Chan Junis seien Flugblätter in arabischer Sprache abgeworfen worden. Die Einwohner sollten sich in Sicherheit bringen, die Armee wolle nicht, dass Zivilisten zu Schaden kommen, heiße es darin. Es wurde auch dort mit einem Einsatz gegen die islamistische Hamas gerechnet. Ein Militärsprecher sagte auf Anfrage, man könne sich nicht zu operativen Aktivitäten äußern.

Erdogan wirft Israel Vernichtungsstrategie in Gaza vor

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan griff Israel kurz vor seiner Deutschlandreise erneut scharf an. »Israel verfolgt eine Strategie zur gesamten Vernichtung von einer Stadt und ihren Menschen, indem es absichtlich auf Schulen, Moscheen, Kirchen, Krankenhäuser, Märkte, Gebäude und Straßen zielt«, sagte Erdogan am Mittwoch. Er wird am Freitag zu einem Besuch in Berlin erwartet. Erdogan hatte zuletzt die Legitimität Israels infrage gestellt. Die islamistische Hamas, die in Israel, den USA und der EU als Terrororganisation gelistet ist, bezeichnet er zudem als »Befreiungsorganisation«.

Scholz will mit Erdogan Klartext über Gaza-Krieg sprechen

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kündigte an, er wolle in seinem bevorstehenden Gespräch mit Erdogan Differenzen im Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg deutlich ansprechen. »Das ist in dieser Frage ganz wichtig, dass da Klarheit herrscht und man sehr deutlich seine eigene Position auch vorbringt«, sagte Scholz am Mittwoch im Bundestag.

»Schwere Kinderrechtsverletzungen« - Unicef-Direktorin in Gaza

Unicef-Exekutivdirektorin Catherine Russell rief die Kriegsparteien nach einem Besuch im Gazastreifen zu einem sofortigen humanitären Waffenstillstand auf. Sie forderte am Mittwoch zudem die Freilassung aller von der islamistischen Hamas entführten Kinder sowie sicheren Zugang für humanitäre Akteure, um die notleidende Bevölkerung mit lebensrettenden Diensten und Hilfsgütern zu versorgen. Russel verwies auf Berichte, wonach mehr als 4600 Kinder getötet worden sein sollen und fast 9000 verletzt wurden.

© dpa-infocom, dpa:231115-99-948025/18