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IS-Rückkehrerin droht härtere Strafe für Tod eines Kindes

Ein kleines Mädchen stirbt angekettet in der Mittagshitze - auch weil eine Frau der Tochter der jesidischen Haussklavin nicht hilft. Der BGH hebt das Urteil gegen die IS-Rückkehrerin teilweise auf.

IS-Rückkehrerin
Die Angeklagte Jennifer W. sitzt vor Beginn der Verhandlung im Gerichtssaal. Die Frau aus Lohne in Niedersachsen soll als IS-Anhängerin im Irak tatenlos dabei zugesehen haben, wie ein kleines, jesidisches Mädchen in einem Hof angekettet wurde und dort verdurstete. Foto: Sven Hoppe
Die Angeklagte Jennifer W. sitzt vor Beginn der Verhandlung im Gerichtssaal. Die Frau aus Lohne in Niedersachsen soll als IS-Anhängerin im Irak tatenlos dabei zugesehen haben, wie ein kleines, jesidisches Mädchen in einem Hof angekettet wurde und dort verdurstete.
Foto: Sven Hoppe

Die IS-Rückkehrerin Jennifer W. sah tatenlos zu, als ihr Mann ein versklavtes jesidisches Mädchen in der irakischen Mittagshitze sterben ließ - dafür droht ihr nun eine härtere Strafe. Das Oberlandesgericht (OLG) München hatte die Frau aus Niedersachsen im Oktober 2021 zu zehn Jahren Haft verurteilt.

Dieses Urteil hob der Bundesgerichtshof (BGH) teilweise auf. Es begegne durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass das OLG hier einen minderschweren Fall angenommen habe, sagte der Vorsitzende Richter Jürgen Schäfer bei der Urteilsverkündung in Karlsruhe.

Ein anderer Strafsenat des Münchner Gerichts muss nun noch einmal neu über die Höhe der Strafe entscheiden. Damit hatte die Revision der Bundesanwaltschaft Erfolg. In den übrigen Punkten ist das Urteil gegen die 31-Jährige jetzt rechtskräftig. Auch sie hatte Revision eingelegt. Diese wurde von den obersten Strafrichterinnen und -richtern des BGH als »offensichtlich unbegründet« verworfen.

Die deutsche Frau aus Lohne hatte sich mit 23 Jahren der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) angeschlossen. Geheiratet hatte sie in Syrien vor einem IS-Gericht. Die Dschihadisten hatten seinerzeit weite Gebiete im Osten Syriens und im Irak erobert.

Ihr Ex-Mann bekam lebenslängliche Haft

W.'s irakischer Ex-Mann, der die Fünfjährige damals an ein Gitter im Hof gekettet hatte, war in einem eigenen Prozess in Frankfurt/Main zu lebenslanger Haft verurteilt worden, auch wegen Völkermordes. Dieses Urteil hat der BGH bereits bestätigt. Der Mann hatte das Mädchen und dessen Mutter als Sklavinnen gekauft, nachdem beide von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) verschleppt worden waren.

Das kleine Mädchen starb an einem Tag im August 2015, als in der irakischen Stadt Falludscha Höchsttemperaturen von mehr als 50 Grad im Schatten erreicht wurden. Der Mann wollte das kranke Kind dafür bestrafen, dass es sich auf einer Matratze eingenässt hatte. Dafür fesselte er es in der prallen Sonne mit den Händen in Kopfhöhe so an ein Fenstergitter, dass es mit den Füßen in der Luft hing. Bis er das Mädchen wieder losband, hatte es einen tödlichen Hitzschlag erlitten.

Bei der Urteilsverkündung am OLG hatte der Vorsitzende Richter Joachim Baier gesagt, die Angeklagte habe »von Anfang an damit rechnen müssen, dass das in der Sonnenhitze gefesselte Kind sich in Lebensgefahr befand«. Trotzdem sei sie nicht eingeschritten.

Die Münchner Richter hatten zwei Einzelstrafen verhängt: Wegen der Mitgliedschaft beim IS bekam Jennifer W. zweieinhalb Jahre Haft und dann noch einmal neun Jahre unter anderem wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit durch Versklavung mit Todesfolge. Aus diesen beiden Strafen wurde eine Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren gebildet.

BGH-Kritik an Urteil des Oberlandesgerichtes

Die Beanstandungen des BGH beziehen sich ausschließlich auf die zweite Einzelstrafe. Hier hätte das OLG keinen minderschweren Fall annehmen dürfen. Ohne diese Einschränkung sind bei Sklaverei mit Todesfolge mindestens zehn Jahre oder lebenslange Haft zu verhängen.

Schäfer bezeichnete es als »zumindest bedenklich«, dass das OLG die menschenverachtenden Beweggründe und Ziele der Angeklagten unberücksichtigt gelassen habe. Sie habe die Absicht der Terrormiliz Islamischer Staat gekannt und gebilligt, die Jesiden als religiöse Gruppe zu zerstören.

Er erinnerte unter anderem daran, dass Mutter und Tochter in dem Haushalt islamische Gebetsriten befolgen mussten. Das Kind durfte nur noch mit einem neuen muslimischen Namen angesprochen werden. Jennifer W. habe mit ihren Beschwerden dazu beigetragen, dass beide regelmäßig von ihrem damaligen Mann misshandelt wurden. Als die Frau um ihre tote Tochter weinte, habe W. ihr eine Pistole an den Kopf gehalten und gedroht, sie zu erschießen, wenn sie nicht damit aufhöre.

Jesiden sind Kurden aus dem Irak, Syrien, der Türkei und dem Iran. Sie bilden eine religiöse Minderheit. Der IS hatte 2014 die Region um das Sindschar-Gebirge im Nordirak überrannt. Die Dschihadisten töteten mehr als 5000 Angehörige dieser Religionsgemeinschaft. Frauen und Mädchen wurden verschleppt, versklavt und vergewaltigt. Der Bundestag hatte die Verbrechen im Januar als Völkermord anerkannt.

© dpa-infocom, dpa:230309-99-882405/7