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Iranerin im Koma: Baerbock kritisiert Sittenpolizei

Der Tod von Jina Mahsa Amini sorgte für Empörung. Rund ein Jahr später schlägt der nächste Vorfall mit der iranischen Sittenpolizei hohe Wellen. Außenministerin Annalena Baerbock zeigt sich schockiert.

Baerbock
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Grüne) äußerte sich zu dem jüngsten Vorgehen der iranischen Sittenpolizei. Foto: Friedemann Kohler/DPA
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Grüne) äußerte sich zu dem jüngsten Vorgehen der iranischen Sittenpolizei.
Foto: Friedemann Kohler/DPA

Außenministerin Annalena Baerbock hat eine mutmaßliche Konfrontation der Sittenpolizei im Iran mit einer 16-Jährigen scharf kritisiert.

»Schon wieder kämpft eine junge Frau in Iran um ihr Leben. Allein, weil sie in der U-Bahn ihre Haare gezeigt hat«, schrieb Baerbock auf der Online-Plattform X (vormals Twitter) und nannte die Situation »unerträglich«. Die 16-jährige Armita Garawand soll nach Bericht von Menschenrechtsorganisationen im Koma liegen, nachdem es zu einem Zwischenfall mit den berüchtigten Sittenwächtern in dem Land gekommen sei.

Die Beziehungen zwischen Deutschland und dem Iran sind seit geraumer Zeit angespannt. Nach der landesweiten Protestwelle im Herbst 2022 äußerte Baerbock offen Kritik am gewaltsamen Vorgehen der iranischen Staatsmacht gegen die Demonstranten. Iranische Politiker warfen im Gegenzug der Bundesrepublik vor, sich in innere Angelegenheiten der Islamischen Republik einzumischen.

Was ist passiert?

Garawand wurde laut Medienberichten am Sonntag in ein Krankenhaus eingeliefert, nachdem sie in der U-Bahn in Ohnmacht gefallen war. Staatsmedien sprachen von einem Unfall. Das Mädchen habe aufgrund Blutdruck-Abfalls ihr Gleichgewicht verloren und sei daraufhin mit dem Kopf gegen die Zugkante geschlagen, hieß es. Ihre Freunde hätten sie daraufhin aus dem U-Bahn-Waggon getragen und den Rettungsdienst gerufen.

Von der staatlichen Nachrichtenagentur Irna veröffentlichte Videoaufnahmen von der Metrostation sollen den Vorfall zeigen. Zu sehen ist demnach eine Gruppe von Frauen, die ein Kopftuch tragen, einen U-Bahn-Waggon betreten und nur wenige Sekunden später eine ohnmächtige Person wieder heraustragen. Garawands Eltern sprachen in einem von Irna veröffentlichten Interview ebenfalls von einem Unfall.

Familie und Journalistin unter Druck

Laut der in Norwegen ansässigen Menschenrechtsorganisation »Hengaw« entstand das Interview unter Druck. Das Krankenhaus, in dem sich Garawand befinde, werde streng bewacht, berichtet »Hengaw« mit Berufung auf interne Quellen. Sicherheitskräfte hätten außerdem die Telefone von Garawands Angehörigen konfisziert. Baerbock schrieb auf X: »Die Eltern von #ArmitaGarawand gehören nicht vor Kameras gezogen, sondern haben das Recht, am Krankenbett ihrer Tochter zu sein.«

Eine Journalistin sei auf dem Weg ins Krankenhaus vorübergehend festgenommen worden, berichtete die Tageszeitung »Sharg«. Sie habe sich über den Gesundheitszustand der Jugendlichen erkundigen wollen.

In sozialen Medien schrieben Nutzer, sie fühlen sich an den Fall der iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini erinnert. Die 22-jährige war ins Koma gefallen und anschließend gestorben, nachdem sie wegen angeblichen Verstoßes gegen die islamische Kleiderordnung von der Sittenpolizei festgenommen worden war.

Weitere Reaktionen

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai forderte in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, alle Möglichkeiten des Völkerrechts zu nutzen, um gegen Teheran vorzugehen. Ziel müsse sein, die dortige Führung nachhaltig zu schwächen, dazu gehöre die Einstufung der iranischen Revolutionsgarden als Terrororganisation durch die EU.

Amnesty International forderte in den Funke-Zeitungen, Verfahren auf internationaler Ebene gegen die Verantwortlichen für schwere Menschenrechtsverletzungen im Iran einzuleiten - damit es »bei solchen Verbrechen« nicht bei einer verbalen Verurteilung bleibe, sondern zu einer effektiven Strafverfolgung komme.

© dpa-infocom, dpa:231004-99-438484/3