Irans Staatsoberhaupt Ali Chamenei hat eine Verstrickung in den Hamas-Terrorangriff auf Israel zurückgewiesen. »Unterstützer des zionistischen Regimes« hätten unsinnige Worte verbreitet, sagte der Ajatollah am Dienstag während einer Rede in Teheran. Sie hätten die Verantwortlichkeit für die Angriffe dem Iran zugeschrieben. »Sie machen einen Fehler«, sagte Chamenei.
»Natürlich verteidigen wir Palästina. Natürlich verteidigen wir die Kämpfe«, sagte der 84-Jährige. »Wir küssen die Stirn und die Arme der einfallsreichen und intelligenten Designer und der mutigen palästinensischen Jugend, wir sind stolz auf sie«, sagte Chamenei. »Natürlich ist die gesamte islamische Welt verpflichtet, die Palästinenser zu unterstützen und wird sie mit Gottes Erlaubnis unterstützen, aber das ist das Werk der Palästinenser selbst.«
Drahtzieher - oder doch nicht?
Nach dem Angriff der islamistischen Hamas am Wochenende sah sich der Iran Vorwürfen ausgesetzt, Drahtzieher der terroristischen Attacke zu sein. Irans UN-Mission in New York wies die Anschuldigungen am Sonntag zurück. Dennoch gilt die Islamische Republik als Unterstützer militanter Gruppen sowohl im Gazastreifen als auch in Nachbarländern der Region. Bereits in den 1990er Jahren hat Teheran seine politischen und militärischen Beziehungen in der Region ausgebaut, um mit der Unterstützung schiitischer Milizen eine »Achse des Widerstands« gegen Israel zu schaffen.
Der Sprecher der Hamas, Ghasi Hamad, erklärte dem Sender BBC am Wochenende, die Gruppe habe direkte Unterstützung für den Angriff vom Iran erhalten. Der Iran habe sich verpflichtet, »den palästinensischen Kämpfern bis zur Befreiung Palästinas und Jerusalems beizustehen«. Die Hamas wird von der EU, USA und Israel als Terrororganisation eingestuft.
Nach Angaben der US-Regierung gibt es weiterhin keine eindeutigen Beweise für eine direkte Beteiligung Irans an den Angriffen der Hamas auf Israel. Weiter sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, dem Sender CNN, dennoch trage der Iran vermutlich »ein gewisses Maß an Mitschuld«, weil er die Terrororganisation seit Jahren etwa mit Ausrüstung, Ausbildung und Geld unterstütze.
Geheimdienste hegen Verdacht
Die »Washington Post« schrieb am Dienstag unter Berufung auf Erkenntnisse von Geheimdienst-Analysten aus dem Westen und dem Nahen Osten, der Großangriff der islamistischen Hamas sei mindestens seit einem Jahr und mit Unterstützung des Irans vorbereitet worden. Die Planungen hätten mindestens schon Mitte 2022 begonnen. Iranische Verbündete hätten militärisches Training, logistische Hilfe und Dutzende Millionen Dollar für Waffen bereitgestellt. Beamte aus den USA und Israel sagten dem Blatt, sie hätten bisher keine eindeutigen Beweise dafür, dass der Iran den Angriff autorisiert oder direkt koordiniert habe.
Treffen zwischen Irans Staatsführung und Hamas-Vertretern hatte es in der jüngsten Vergangenheit mehrfach gegeben. Erst Ende Juni war Hamas-Chef Ismail Hanija nach Teheran gereist und hatte dort auch mit Chamenei gesprochen. Ende August reiste Irans Außenminister Hussein Amirabdollahian nach Beirut, traf dort Anführer der Hamas und des militanten Islamischen Dschihads. Es war bereits die zweite Reise des Ministers in den Libanon dieses Jahr. Auch die im Libanon einflussreiche Schiitenorganisation Hisbollah ist eng mit dem Iran verbündet. Erst am Montag kam es zu kurzen Gefechten der Hisbollah mit Israel an der Grenze im Südlibanon.
Seit der Islamischen Revolution von 1979 ist Israel Irans erklärter Erzfeind. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bezeichnet den Iran ebenfalls als »wichtigsten Feind« und schloss in der Vergangenheit auch mehrfach ein militärisches Vorgehen nicht aus. Hintergrund ist Irans umstrittenes Atomprogramm. Israel und die USA werfen dem Iran vor, nach Atomwaffen zu streben.
Chamenei gilt als mächtigster Mann im Iran und hat in allen strategischen Belangen das letzte Wort. Wenige Tage vor den Angriffen hatte der Religionsführer alte Drohungen gegen Israel bekräftigt. »Dieses Krebsgeschwür wird, so Gott will, durch das palästinensische Volk und die Widerstandskräfte in der gesamten Region endgültig ausgerottet werden«, sagte Chamenei vor einer Woche.
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