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Iran: Kommission billigt umstrittenes Kopftuchgesetz

Seit den Protesten im vergangenen Herbst tragen im Iran viele Frauen in den Metropolen kein Kopftuch mehr. Mit einem Gesetz wollen Hardliner dem ein Ende setzen - und greifen zu einem politischen Trick.

Iranisches Parlament
Im Iran haben Abgeordnete die umstrittene Strafreform der Kopftuchpflicht einen entscheidenden Schritt weiter gebracht. Foto: Icana News Agency/DPA
Im Iran haben Abgeordnete die umstrittene Strafreform der Kopftuchpflicht einen entscheidenden Schritt weiter gebracht.
Foto: Icana News Agency/DPA

Im Iran haben Abgeordnete die umstrittene Strafverschärfung der Kopftuchpflicht einen entscheidenden Schritt weitergebracht. Eine Kommission des Parlaments billigte den seit Monaten kontrovers diskutierten Gesetzentwurf, wie die Nachrichtenagentur Tasnim berichtet. Bis das Gesetz in Kraft tritt, sind jedoch noch weitere Schritte im Gesetzgebungsverfahren notwendig.

In seiner jüngsten Fassung sieht die Reform harte Strafen bei Missachtung der islamischen Kleidungsregeln vor. Diese umfassen bei mehrfachen Verstößen etwa Geldbußen. In Extremfällen können sogar bis zu 15 Jahre Haft und umgerechnet mehr als 5000 Euro Strafe verhängt werden.

Besonders hart sollen Prominente bei Verstößen bestraft werden. Bereits während der Protestwelle im Herbst hatten sich zahlreiche Filmschaffende mit der Frauenbewegung solidarisiert. Hier sieht der Entwurf auch Berufsverbote von bis zu 15 Jahren vor. Die Justiz soll ein Zehntel des Vermögens beschlagnahmen können. Ausländerinnen können bei Missachtung des Landes verwiesen werden.

Zahlreiche Strafen geplant

Wenn Frauen am Arbeitsplatz kein Kopftuch tragen, droht der Ausschluss von amtlichen Leistungen. Die Veröffentlichung von Fotos ohne Kopftuch im Netz wird unter Strafe gestellt. Auch Ausreisesperren sind vorgesehen. Die Justiz droht, Einkaufspassagen, Restaurants oder Museen bei Verstößen zu schließen. Bei Beleidigung von verschleierten Frauen können sechs Monate Haft und 74 Peitschenhiebe verhängt werden.

Als Beispiele »schlechter Kleidung« nennt das Gesetz für Frauen etwa kurzärmlige Hemden oder zerrissene Jeans, bei Männern Hosen mit kurzer Schrittlänge oder Tanktops. Das Gesetz verpflichtet mit detaillierten Anweisungen die Ministerien und Sicherheitsdienste mit Aufgaben zur Vollstreckung der islamischen Kleidungsregeln. Bürger und Polizisten sollen Verstöße einfach melden können.

Die Strafreform ist eine Antwort der klerikalen und politischen Führung auf die von Frauen angeführten Proteste gegen die Islamische Republik im Herbst 2022. Während im Land vor allem wieder Alltag eingekehrt ist, widersetzen sich zahlreiche Frauen in den Metropolen demonstrativ der Kopftuchpflicht, auch als Zeichen des stillen Protests.

Auf politischen Trick zurückgegriffen

Hardliner fordern seit Monaten ein härteres Vorgehen gegen die zahlreichen Verstöße. In seiner bisherigen Form hat der Gesetzentwurf vielfach Kritik ausgelöst. Auch deshalb bediente sich die Regierung eines politischen Tricks. Sie berief gemäß der Verfassung Mitglieder einer Sonderkommission, um das Gesetz ohne große Abstimmung im Parlament zu billigen. Die Strafreform mit 70 Artikeln soll auf Probezeit eingeführt werden, eine Bedingung des Sonderverfahrens.

Die Zeitung »Hammihan«, die dem Lager der Reformpolitiker zugeordnet wird, kritisierte das Vorgehen in einem Leitartikel am Montag. Ein Experte bemängelte darin den politischen Trick. »Dieser Gesetzentwurf hätte öffentlich und transparent im Parlament verabschiedet werden müssen«, zitierte das Blatt den Anwalt Huschang Purbabaie.

Auch Irans Oberster Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei, der in allen strategischen Belangen das letzte Wort hat, wurde für das neue Kopftuchgesetz konsultiert. Das Tragen eines Hidschabs sei eine religiöse Pflicht, bekräftigte der 84-Jährige. Gleichzeitig seien Frauen mit schlecht sitzenden Kopftüchern keine Gegnerinnen von Religion und Revolution, sagte das Staatsoberhaupt vor Kurzem.

Die Kopftuchpflicht ist seit mehr als 40 Jahren Gesetz in dem Land mit fast 90 Millionen Einwohnern. Die Pflicht gilt als eine der ideologischen Grundsäulen.

© dpa-infocom, dpa:230821-99-903670/5