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Iran: Demonstranten werfen Molotow-Cocktails in Teheran

Die Proteste gegen das islamische System gehen in die vierte Woche. Ein Ende scheint nicht in Sicht.

Solidaritäts-Demonstration
Solidaritäts-Demonstration für die Protestierenden im Iran in Frankfurt am Main. Foto: Boris Roessler
Solidaritäts-Demonstration für die Protestierenden im Iran in Frankfurt am Main.
Foto: Boris Roessler

Bei den seit Wochen anhaltenden systemkritischen Protesten nach dem Tod einer jungen Frau im Iran haben Demonstranten am Samstag in der Hauptstadt Teheran Molotow-Cocktails eingesetzt. Augenzeugen zufolge warfen sie die Benzinbomben in der Nähe und vor der Teheraner Universität auch auf Polizei- und Sicherheitskräfte. Die staatliche Nachrichtenagentur IRNA bestätigte Benzinbomben gegen öffentliche Gebäude, nicht aber gegen die Beamten.

Dem Bericht zufolge skandierten die Demonstranten erneut Slogans gegen die islamische Polit-Elite.

Auch vor der Elite-Universität Scharif sei es am Samstag wieder zu Auseinandersetzungen gekommen, hieß es. Die Polizei setzte gegen die Demonstranten Tränengas ein. Es sollen auch Schüsse gefallen sein. Die Auseinandersetzungen führten erneut zu Staus auf einigen Hauptstraßen in Teheran. Dabei sollen Autofahrer mit Hupkonzerten die Demonstranten unterstützt und systemkritische Slogans gerufen haben.

Präsident Ebrahim Raisi besuchte am Samstag die Universität Al-Sahra in Teheran und sprach dort erneut von ausländischen Verschwörungsoperationen gegen die islamische Republik. »Auch in den Universitäten wollen die Feinde nun ihre Ziele umsetzen«, behauptete der Kleriker. Aber die iranischen Studenten und Professoren würden dafür sorgen, dass all diese Verschwörungen scheiterten, so der Präsident laut Nachrichtenagentur Isna. Irans oberster geistlicher Führer, Ajatollah Ali Chamenei, hatte die regierungskritischen Proteste zuvor ebenfalls als ausländische Verschwörung bezeichnet.

Autofahrer durch Kopfschuss getötet

In der westiranischen Stadt Sanandadsch wurde ein Autofahrer während einer Demonstration durch einen Kopfschuss getötet. Zu dem Vorfall gab es am Samstag widersprüchliche Angaben von offizieller Seite und Kritikern der Führung des Landes. Nach Darstellung des örtlichen Polizeichefs wurde der Mann von einem Demonstranten getötet. Die Behauptungen der Protestierenden, der Autofahrer sei von Sicherheitskräften angeschossen worden, seien grundlos, sagte der Polizeichef laut Nachrichtenagentur Tasnim.

In sozialen Medien war von Unterstützern der Proteste zu lesen, dass der Mann in seinem Auto als Zeichen der Solidarität mit den Protesten gehupt habe und daher von der Polizei in den Kopf geschossen worden sei. Die Sicherheitskräfte gingen schlimmer vor als die Terrorgruppe Islamischer Staat, so der Vorwurf in einigen Posts. Auch Bilder von dem getöteten Autofahrer wurden in den sozialen Medien verbreitet.

Ziviler Ungehorsam und »digitale Revolution«

Die Proteste gegen das islamische System gehen ab diesem Samstag in ihre vierte Woche. Laut Beobachtern werden sie nun landesweit verstärkt in Form von zivilem Ungehorsam weitergeführt. Andere sprechen auch von einer »digitalen Revolution«, weil die aufgenommenen Videos der Protestaktionen im Land in den sozialen Medien gepostet werden. Damit erreichen die Demonstranten Millionen im In- und Ausland. Diese Strategie erschwert es Polizei- und Sicherheitskräften, die Proteste zu unterdrücken.

Nach dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini Mitte September demonstrieren im Iran zahlreiche Menschen. Die Sicherheitskräfte gehen auch mit Gewalt gegen Demonstranten vor. Beobachtern zufolge sind mindestens Dutzende Menschen im Zusammenhang mit den Protesten getötet worden, viele weitere wurden verletzt.

© dpa-infocom, dpa:221008-99-53451/2