Bagdad (dpa) - Erstmals nach dem Sieg gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) wählt der Irak heute ein neues Parlament. Die Abstimmung gilt als wegweisend für die Zukunft des Landes, doch die Ausgangslage ist ungemein schwierig.
Denn auch wenn der IS weitestgehend besiegt wurde, ist er nicht vernichtet. Ganze Städte in den sunnitischen Gebieten des Landes liegen in Trümmern. Noch immer harren Hunderttausende in Flüchtlingslagern aus. Die Kluft zwischen der Mehrheit der Schiiten, die die Macht besitzen, und der Minderheit der Sunniten, die sich unterdrückt fühlen, spaltet das Land. Neben Armee und Polizei kontrollieren weiterhin Milizen Teile des Landes.
Der schiitische Ministerpräsident Haidar al-Abadi gilt als Favorit. Verlässliche unabhängige Wahlprognosen liegen jedoch nicht vor. Keines der Wahlbündnisse dürfte ausreichend Sitze im Parlament gewinnen, um eine Alleinregierung bilden zu können.
Al-Abadi ist seit fast vier Jahren im Amt. Mit Spannung wird erwartet, wie stark die Wahllisten abschneiden, die dem benachbarten Iran nahestehen. Beobachter befürchten, dass sich die Aufkündigung des Atomabkommens durch die USA negativ auf die Regierungsbildung in Bagdad nach der Wahl und die Stabilität auswirken könnte. Im Irak sind auch noch immer mehrere Tausend US-Soldaten im Einsatz.
Al-Abadi hatte im Dezember den Sieg über den IS erklärt. Große Teile des Iraks sind jedoch zerstört. Den UN zufolge sind noch mehr als zwei Millionen Menschen vertrieben. Auch IS-Zellen sind weiter aktiv. Die Extremisten hatten mit Anschlägen auf die Wahl gedroht.
Wahlberechtigt sind mehr als 24 Millionen Iraker. Sie entscheiden über 329 Sitze im irakischen Abgeordnetenhaus. Zehntausende Sicherheitskräfte sollen für einen reibungslosen Ablauf sorgen.
Mit Blick auf die Wahl im Irak hat das Internationale Rote Kreuz (IKRK) die Weltgemeinschaft aufgerufen, das Land angesichts der großen Zerstörung nicht im Stich zu lassen. Der Irak befinde sich nach dem Sieg gegen die IS-Terrormiliz in einer sehr wichtigen Phase, da sich nun seine Zukunft entscheide, sagte die IKRK-Chefin im Irak, Katharina Ritz, der Deutschen Presse-Agentur. »Die internationale Gemeinschaft muss sich weiter engagieren.«
Der Weltbank zufolge werden für den Wiederaufbau des Iraks rund 88 Milliarden Dollar (rund 71 Milliarden Euro) benötigt. Bei einer internationalen Geberkonferenz im Februar in Kuwait waren dem Land 30 Milliarden Dollar (etwa 24 Milliarden Euro) zugesagt worden.