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Interesse an Justiz - mehr Bewerbungen als Stellen

Die Justiz steht vor einem Umbruch: Etliche Richterinnen und Staatsanwälte gehen in Pension. Tausende Nachwuchskräfte werden gebraucht.

Amtsgericht
Blick auf den Eingang eines Amtsgerichtes. Foto: Rolf Vennenbernd/DPA
Blick auf den Eingang eines Amtsgerichtes.
Foto: Rolf Vennenbernd/DPA

Ungeachtet einer zunehmend schlechteren Bezahlung als in Unternehmen oder bei Anwaltskanzleien sind Gerichte und Staatsanwaltschaften bei jungen Juristen gefragt. Zu diesem Ergebnis kommt die »Deutsche Richterzeitung« nach einer Umfrage im Mai und Juni bei den Justizverwaltungen der Bundesländer. Demnach ist die Bewerberlage gut und übersteigt die Anzahl der Neueinstellungen. Die Zeitung wird vom Deutschen Richterbund herausgegeben.

»Für viele Bewerberinnen und Bewerber sind die Unabhängigkeit und die relativ freie Arbeitsgestaltung im Richterberuf nach wie vor wichtige Pluspunkte, die für den Weg zur Justiz sprechen«, sagte der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes, Sven Rebehn, der Deutschen Presse-Agentur.

Justiz muss »wettbewerbsfähig und attraktiv« bleiben

In den vergangenen fünf Jahren wurden nach den Angaben der Länder rund 6750 Juristinnen und Juristen neu eingestellt. An der Spitze lag das bevölkerungsreichste Nordrhein-Westfalen mit 1588 Menschen. Nach den Umfrageergebnissen gab es in den vergangenen fünf Jahren auch in Bundesländern, die jedes Jahr vergleichsweise viele Interessenten für die Justiz gewinnen müssen, durchgängig mindestens zwei Bewerber oder Bewerberinnen auf eine Stelle, in Niedersachsen war das Verhältnis demnach sogar vier zu eins.

Für das Jahr 2022 verzeichnete das Justizministerium in Hannover beispielsweise 381 Bewerbungen, besetzt wurden 108 Stellen. Berlin gibt laut Richterzeitung in der Umfrage ein Verhältnis von drei zu eins an. 2022 seien in der Hauptstadt 62 Richterinnen und Staatsanwälte eingestellt worden - beworben hatten sich 163 Juristen.

»Bislang gelingt es in allen Bundesländern noch, gut qualifizierten Nachwuchs für die Rechtsprechung zu gewinnen und verfügbare Stellen zügig zu besetzen«, meinte Rebehn. Die Justiz müsse aber »wettbewerbsfähig und attraktiv für die besten Köpfe« bleiben. Mit Blick auf Spitzengehälter in Unternehmen und Kanzleien sei eine gute Bezahlung wichtig, betonte er. »Auch die EU hat mit Blick auf die Pensionierungswelle in ihrem Rechtsstaatlichkeitsbericht 2023 für Deutschland erneut angemahnt, die Richterbesoldung auf ein angemessenes Niveau anzuheben.«

Personeller Umbruch

Wegen der anstehenden Pensionierungen steht die Justiz vor einem personellen Umbruch. Insbesondere in den ostdeutschen Bundesländern und in Berlin steige die Zahl der Ruheständler ab diesem Jahr deutlich an, so Rebehn. Ein weiteres Problem ist, dass Strafgerichte und Staatsanwaltschaften schon jetzt oft dünn besetzt sind - die Anforderungen aber wachsen. Aus Sicht des Richterbundes müssen deshalb mehr Stellen geschaffen werden. Derzeit fehlten in diesem Bereich bundesweit etwa 1000 Juristen.

Genug Interesse an der Tätigkeit scheint es zu geben: In den vergangenen fünf Jahren ist laut Umfrage die Zahl der bestandenen erforderlichen zweiten Staatsprüfungen in den meisten Ländern gestiegen oder stabil geblieben - lediglich in Berlin und Brandenburg war das nicht der Fall. Einen besonders starken Anstieg gab es demnach in Mecklenburg-Vorpommern, wo sich die Zahl der abgeschlossenen Referendariate mit 101 fast verdreifacht (2018: 37) hat. In Sachsen-Anhalt hat sie sich laut Ministerium fast verdoppelt (2022: 102; 2018: 55).

Probleme gibt es allerdings laut Justizverwaltungen, Stellen jenseits des Richter- oder Staatsanwaltsberufs zu besetzen. Um genügend Menschen für den Servicebereich zu haben, stellen die Länder demnach vermehrt Quereinsteiger ein, setzen die Notenanforderungen herab und locken mit einer höheren Bezahlung oder flexibleren Arbeitszeiten.

© dpa-infocom, dpa:230709-99-335932/2