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Immer mehr Menschen brauchen einen Nebenjob

Millionen Menschen in Deutschland haben mehr als eine Arbeit - warum erleben die Zweitjobs in Deutschland einen ungebrochenen Boom? Vielen reicht ein Job wohl nicht zum Leben. Doch das ist nicht die ganze Wahrheit.

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Ein Zusteller trägt in den frühen Morgenstunden Zeitungen aus. 3,4 Millionen Menschen in Deutschland haben mehr als eine Arbeit. Foto: Fredrik von Erichsen
Ein Zusteller trägt in den frühen Morgenstunden Zeitungen aus. 3,4 Millionen Menschen in Deutschland haben mehr als eine Arbeit. Foto: Fredrik von Erichsen

BERLIN. Immer mehr Menschen in Deutschland haben einen Nebenjob. So stieg die Zahl der Mehrfachbeschäftigten innerhalb von 15 Jahren kontinuierlich von 1,4 auf 3,4 Millionen Mitte vergangenen Jahres. Das geht aus der Antwort der Bundesagentur für Arbeit (BA) auf eine Anfrage der Linken im Bundestag hervor, die der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorlag. Mitte 2017 waren es noch rund 150 000 weniger.

Die häufigste Kombination ist mit rund 2,9 Millionen eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit mindestens einem Minijob. In knapp 330 000 Fällen wurden mindestens zwei sozialversicherungspflichtige Jobs kombiniert.

Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Sabine Zimmermann, die die Anfrage gestellt hatte, sagte der dpa: »Für immer mehr Beschäftigte reicht das Einkommen aus einem Job nicht mehr aus.« Sie meinte: »Der überwiegende Teil dürfte aus purer finanzieller Not mehr als einen Job haben und nicht freiwillig.«

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), die Forschungseinrichtung der BA, wies darauf hin, dass Nebenjobber im Schnitt in ihrem Hauptjob deutlich weniger verdienten als Menschen ohne Nebenjob. Nach einer Studie des Instituts bekommen Nebenjobber in ihrer Hauptbeschäftigung im Schnitt etwa 570 Euro im Monat weniger als Personen mit nur einem Job. IAB-Forschungsbereichsleiter Enzo Weber sagte der dpa: »Das deutet darauf hin, dass relativ viele Nebenjobber auf das zusätzliche Geld angewiesen sind.« Das treffe aber nicht auf alle zu.

Zweitjobs kämen nicht nur in bestimmten Branchen, bei bestimmten Personen oder im Fall bestimmter Motive vor, sagte Weber. »Nebenjobs streuen breit.« Bei der Kombination einer sozialversicherungspflichtigen Stelle mit einem Minijob sind 28,5 Prozent der Zweitjobs in allgemeinen Dienstleistungsberufe.

Die IAB-Studie stellt fest, dass es neben finanziellen Motiven auch andere Gründe für einen Zweitjob gibt, etwa den Hauptjob um Tätigkeiten zu ergänzen, die Spaß machen oder Prestige einbringen. »Beispiele sind der Universitätsprofessor, der als Berater in Wirtschaft oder Politik tätig ist, oder aber der Fließbandarbeiter, der abends gegen Entgelt Konzerte mit der Band gibt.«

Vor allem aber machte Weber darauf aufmerksam, dass der erste Minijob im Nebenjob für den Arbeitnehmer komplett steuer- und abgabenfrei ist. »So eine starke Subvention möchten dann natürlich ganz verschiedene Personen nutzen.«

Angesichts der schwachen Lohnentwicklung bis Mitte/Ende der 2000er Jahre habe für diesen Zeitraum wohl die Zahl derer zugenommen, deren Einkommen ohne Nebenjob nicht ausreiche. Nachdem die Löhne seit Jahren aber wieder deutlich stärker gestiegen seien, sei die extreme Begünstigung von Nebenjobs die wohl wichtigste Ursache für deren Zunahme, so Weber.

Zimmermann forderte: »Minijobs müssen in sozialversicherungspflichtige existenzsichernde Beschäftigung überführt werden.« IAB-Forscher Weber wies auf Nachteile der Begünstigung von Nebenjobs hin. Für diese Jobs werde meist nicht in die Rentenkasse eingezahlt, sie trügen also nicht zur Alterssicherung bei. »Und die meisten Nebenjobs dürften auch nicht zu nachhaltiger beruflicher Entwicklung und Arbeitsmarktintegration führen.« Bei Geringverdienern könne die Kopplung einer Unterstützung an einen Nebenjob auf ein falsches Gleis führen. Arbeitsmarktintegration gelinge eher im Hauptjob. (dpa)