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Habeck kündigt zügige Entscheidung in Panzerdebatte an

Wir liefern nicht, weil die anderen auch nicht liefern - das war bisher die Haltung von Kanzler Scholz gegenüber der Ukraine. Äußerungen aus Frankreich und den USA verändern nun die Lage.

Französische AMX-10 RC-Panzer
Kampfpanzer von Typ AMX-10 RC. Frankreich hatte der Ukraine die Lieferung des Spähpanzers zugesagt, der Elyseepalast sprach von einem »leichten Kampfpanzer«. Foto: Jeremy Bessat
Kampfpanzer von Typ AMX-10 RC. Frankreich hatte der Ukraine die Lieferung des Spähpanzers zugesagt, der Elyseepalast sprach von einem »leichten Kampfpanzer«.
Foto: Jeremy Bessat

Nach Vorstößen Frankreichs und der USA für Panzerlieferungen in die Ukraine bahnt sich auch ein Kurswechsel der Bundesregierung bei der Thema an. Außenministerin Annalena Baerbock und Vizekanzler Robert Habeck (beide Grüne) stellten am Donnerstag neue militärische Zusagen für die Ukraine in Aussicht - ohne zunächst konkret zu werden. Baerbock sagte in London aber, die ukrainischen Streitkräfte benötigten Waffen, um von Russland besetzte Gebiete zurückzuerobern. Habeck versprach eine schnelle Entscheidung der Regierung. Man werde die Waffenlieferungen »den Erfordernissen des Schlachtfelds anpassen«, sagte er.

Zuvor hatte der französische Präsident Emmanuel Macron der Ukraine die Lieferung von schwer bewaffeneten Spähpanzern zugesagt, die der Élyséepalast als »leichte Kampfpanzer« bezeichnete. Die Radpanzer vom Typ AMX-10 RC werden vor allem zur Aufklärung eingesetzt, verfügen aber über eine Kanone, die fast das Kaliber des Bundeswehr-Kampfpanzers Leopard 2 erreicht.

Fast gleichzeitig bestätigte US-Präsident Joe Biden, dass die USA die Lieferung von Schützenpanzern vom Typ »Bradley« an die Ukraine in Erwägung ziehen. Diese Panzer sind mit dem Marder aus deutscher Produktion vergleichbar. Auf den ab Anfang der 1970er Jahre für die Bundeswehr produzierten Marder konzentriert sich nun die Diskussion in Deutschland.

Bereits im Sommer hatte das Düsseldorfer Rüstungsunternehmen Rheinmetall 100 Marder für die Ukraine angeboten. Inzwischen sind davon 40 für Griechenland bestimmt, das dafür Schützenpanzer sowjetischer Bauart in die Ukraine liefert. Weitere 60 Marder könnten also an die Ukraine abgegeben werden. Die Arbeiten zur Instandsetzung und Überholung der Waffensysteme laufen seit einigen Monaten und sind teils auch schon abgeschlossen.

Selenskyj sieht in französischer Lieferung Signal

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nannte die französische Entscheidung zur Lieferung der Spähpanzer ein »klares Signal« an andere westliche Staaten, dem Beispiel zu folgen. »Es gibt keinen rationalen Grund, weshalb Panzer westlicher Bauart bislang nicht an die Ukraine geliefert wurden«, sagte er.

Die Ukraine hat bisher von osteuropäischen Nato-Staaten Kampf- und Schützenpanzer sowjetischer Bauart erhalten. Auch Flugabwehr-, Transport- oder Bergepanzer westlicher Hersteller wurden geliefert, aber eben noch keine Kampf- und Schützenpanzer wie die Marder oder Leopard 2 aus deutscher Produktion. Die Regierung in Kiew bittet Deutschland seit Monaten um diese Waffensysteme für den Kampf gegen die russischen Angreifer - bisher ohne Erfolg.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat immer wieder betont, dass Deutschland in dieser Frage nicht im Alleingang handeln werde und darauf verwiesen, dass bisher kein anderes Nato-Land solche Panzer in die Ukraine geschickt habe.

Habeck: Bundesregierung wird »zügig beraten«

Vizekanzler Robert Habeck machte am Donnerstag bei einem Besuch in Norwegen deutlich, dass nun auch die Bundesregierung bereit ist, sich in der Panzerfrage zu bewegen. Die Entscheidungen und Überlegungen Frankreichs und der USA würden »sicherlich die deutsche Debatte auch beeinflussen«, sagte er. Für die Bundesregierung habe es bei dem Thema immer zwei Entscheidungskriterien gegeben: Einigkeit mit den Partnern und militärischer Nutzen auf dem Schlachtfeld. »Und das scheint in diesem Fall ja gegeben zu sein. Und deswegen wird die Bundesregierung diese Situation jetzt zügig beraten und dann entsprechend auch Entscheidungen treffen.«

Die »Süddeutsche Zeitung« und die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« berichteten aus Regierungskreisen, es sei ein qualitativ neuer Schritt bei den Waffenlieferungen geplant. Baerbock mahnte bei einem Besuch in London, Deutschland und seine Verbündeten dürften keinen Zweifel an der Unterstützung für Kiew aufkommen lassen und müsse schauen, wo mehr militärische Unterstützung möglich sei. Sie fügte hinzu: »Dazu gehören Defensiv-Waffen, dazu gehören aber eben auch Mittel, Waffen, die Ukraine braucht, um besetztes Gebiet und damit die Menschen, die dort unter russischem Terror leiden, zu befreien.«

Grünen-Politiker Hofreiter fordert 200 Leopard 2 für Ukraine

Der Grünen-Europapolitiker Anton Hofreiter forderte die Lieferung von 200 Leopard-2-Panzern aus Deutschland und anderen europäischen Ländern in die Ukraine. »Der Kanzler muss jetzt eine europäische Initiative starten zur Lieferung von Leopard-2-Panzern«, sagte der Vorsitzende des Bundestags-Europaausschusses der Funke-Mediengruppe. Das Argument des Alleingangs sei nun hinfällig.

Auch die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), forderte Scholz auf, den Weg für Panzerlieferungen frei zu machen. »Die anderen Partnerländer gehen wieder einmal zuerst voran. Jetzt können wir doch im Sinne der deutsch-französischen Freundschaft auch endlich mal loslegen«, schrieb sie auf Twitter. FDP-Vize Johannes Vogel sagte dem »Spiegel«: »Unser Schützenpanzer Marder wäre eine weitere enorme Unterstützung, gerade für eine Frühjahrsoffensive.«

Unionsfraktionsvize Johann Wadephul lobte Macron dafür, dass er politische Führung übernehme. Der Kanzler habe nun »überhaupt kein Argument mehr« gegen die Lieferung von Schützenpanzern vom Typ Marder, schrieb der CDU-Politiker auf Twitter.

SPD-Chefin Esken zurückhaltend

SPD-Chefin Saskia Esken äußerte sich zwar zurückhaltend, schloss die Lieferung von Kampf- oder Schützenpanzern aber auch nicht aus. Die Bundesregierung stimme sich insbesondere mit den Amerikanern über Waffenlieferungen ab, sagte sie in der RLT/ntv-Sendung »Frühstart«. »Wir haben die Ukraine von Anfang an mit Waffenlieferungen unterstützt, das werden wir auch künftig tun, solange wie es notwendig ist und eben auch entsprechend der militärischen Entwicklungen und entsprechend der Notwendigkeiten.«

© dpa-infocom, dpa:230105-99-115836/6