Trotz heftigen Gegenwinds und lauter Vorwürfe hält Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) an seinem Staatssekretär Patrick Graichen fest. »Ich habe entschieden, dass Patrick Graichen wegen dieses Fehlers nicht gehen muss«, sagte Habeck nach einer rund zweieinhalbstündigen Befragung durch Abgeordnete am Mittwoch. Es laufe nun allerdings eine beamtenrechtliche Prüfung, denn gegen Vorgaben des Wirtschaftsministeriums sei »erkennbar verstoßen worden«.
Gemeinsam mit Graichen (Grüne) stand Habeck den Mitgliedern der Ausschüsse für Wirtschaft sowie Klimaschutz und Energie Rede und Antwort. Graichen war an der Auswahl von Michael Schäfer als neuem Geschäftsführer der bundeseigenen Deutschen Energie-Agentur (Dena) beteiligt, obwohl dieser sein Trauzeuge war. Sowohl Graichen als auch Habeck sprechen mittlerweile von einem Fehler. Das Verfahren zur Personalauswahl soll neu aufgerollt werden.
Klöckner: Es bleiben viele Fragen offen
Oppositionsvertreter zeigten sich nach der Sitzung unbeeindruckt. »Dieser Staatssekretär ist aus unserer Sicht nicht mehr zu halten«, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher und AfD-Fraktionsvize Leif-Erik Holm. »Diese Veranstaltung hat heute leider nicht dazu gedient, die Vertrauensverluste weiter zu minimieren.« Die wirtschaftspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Julia Klöckner (CDU), betonte: »Also für uns, das kann man zusammenfassen, bleiben viele Fragen offen.« Der CDU-Abgeordnete Andreas Jung sagte: »Fest steht damit, dass mit dem heutigen Tage die Sache nicht erledigt ist. Die Aufklärung muss weitergehen.« Seine Fraktion werde nun eine weitere, dann öffentliche Sitzung beantragen.
Eine öffentliche Befragung, die sowohl Habeck als auch die Grünen nach eigenem Bekunden wollten, scheiterte am Mittwoch am Widerstand der Ampel-Koalitionspartner - die Sitzung fand hinter geschlossenen Türen statt. Bis zum Mittwochmorgen habe es eine anderslautende Absprache gegeben, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Reinhard Houben. Zudem sei fraglich, ob eine öffentliche Sitzung ähnlich informativ gewesen wäre. Auch die CDU/CSU-Fraktion stimmte nach eigenen Angaben dafür.
Graichen sagte laut einem Text seines Eröffnungsstatements, das das Wirtschaftsministerium nach der Sitzung verschickte, er habe in einem frühen Stadium der Personalauswahl noch weitere Bewerber neben Schäfer ins Spiel gebracht. Von den elf Kandidatinnen und Kandidaten, die der Findungskommission, deren Teil er war, vorgeschlagen worden seien, habe er neun bereits aus beruflicher Erfahrung gekannt. »Für mich war es insofern eine graduelle Abstufung, wen der Bewerberinnen und Bewerber ich wie gut kannte.«
Kritik an personellen Verflechtungen im Ministerium
Graichen beteuerte, er habe weder Schäfer noch anderen Kandidaten Hinweise gegeben oder Vorteile verschafft. Es sei aber ein Fehler, dass er sich wegen der Kandidatur Schäfers nicht zurückgezogen habe. »Ich habe gedacht, dass es genügt, wenn meine Stimme nicht den Ausschlag gibt und ich mich in der Findungskommission bei der Bewertung seiner Person zurückhalte. Das war falsch und ich bedaure diesen Fehler sehr.« Jung betonte mit Blick auf das Verfahren: »Fest steht jedenfalls, dass die Findungskommission nur einen Bewerber dem Aufsichtsrat vorgeschlagen hat.« Der klimapolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Olaf in der Beek, sagte, aus Schäfers Verhandlungen mit der Dena könnten sich für diesen »finanzielle Rechte« ergeben.
Kritik gibt es auch an personellen Verflechtungen im Wirtschaftsministerium. Graichens Schwester, verheiratet mit dessen Staatssekretärs-Kollegen Michael Kellner, arbeitet wie auch ihr Bruder beim Öko-Institut - einer Forschungseinrichtung, die Aufträge vom Bund bekommt. Das Ministerium betont, Kellner und Graichen seien nicht an Ausschreibungen beteiligt gewesen, auf die sich das Öko-Institut hätte bewerben können.
Der Bundestag diskutierte die Personalpolitik des Wirtschaftsministeriums auf Betreiben der Unionsfraktion am Mittwoch auch in einer Aktuellen Stunde. Klaus Ernst von der Linken mahnte dort, Klimaschutz benötige einen breiten gesellschaftlichen Konsens. Deshalb dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass Posten im zuständigen Ministerium nur mit Freunden statt mit Fachleuten besetzt werden.
Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch warf insbesondere der Union vor, ihr gehe es an vielen Stellen nicht um Aufklärung, »sondern um eine populistische Kampagne«. Die Union habe Klimaschutz hintertrieben und eine »lobbyistische Politik für fossile Energie« gemacht. »Die Zeit fossiler Lobbyisten im Bundeswirtschaftsministerium ist vorbei. Das tut der CDU weh.«
Habeck selbst beklagte die »wüste Debatte« der jünsten Zeit, das gesamte Ministerium sei beleidigt worden. Über dessen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sagte er, diese leisteten mehr für Deutschland als viele derer, die sie mit Angriffen überzögen. Er räumte ein, durch die Debatte und den Fehler dahinter entstehe ein Schaden an seinem Ministerium und dessen Arbeit. »Dennoch denke ich, dass wir bei der Arbeit an der Transformation der Wirtschaft und der Energiepolitik in Deutschland weiter gut vorankommen werden.«
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