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Großbritannien will Asylsuchende trotz Kritik abschieben

Kritik und Widerstand reißen nicht ab, doch die britische Regierung lässt sich nicht beirren: Der erste Flieger mit Schutzsuchenden soll Richtung Ruanda abheben.

Flüchtlinge sollen nach Ruanda abgeschoben werden
Ein Wachmann steht in der Hauptstadt Kigali auf der Straße vor den Hallmark Residences, einem der Standorte, an denen einige der Asylsuchenden untergebracht werden sollen, die von Großbritannien nach Ruanda geschickt werden sollen. Foto: Uncredited
Ein Wachmann steht in der Hauptstadt Kigali auf der Straße vor den Hallmark Residences, einem der Standorte, an denen einige der Asylsuchenden untergebracht werden sollen, die von Großbritannien nach Ruanda geschickt werden sollen.
Foto: Uncredited

Trotz starkem Gegenwind hält Großbritannien an seinem Plan fest, illegal eingereiste Asylsuchende verschiedenster Nationalitäten ins ostafrikanische Ruanda zu fliegen. Am Dienstagabend sollte der erste Flieger abheben.

Zuvor hatten britische Gerichte grünes Licht für den umstrittenen Plan gegeben. Außenministerin Liz Truss ließ im Sender Sky News offen, wann genau und mit wie vielen Insassen das Flugzeug startet. »Wichtig ist, dass der Flug stattfindet und wir das Prinzip einführen«, sagte die konservative Politikerin.

Keine Rückkehr nach Großbritannien

Es gehe darum, zu zeigen, dass das Geschäftsmodell des Menschenschmuggels mit Booten über den Ärmelkanal »einfach nicht funktioniert«, sagte Truss. Großbritannien hat dazu eine Vereinbarung mit Ruanda geschlossen.

Menschen, die illegal nach Großbritannien gelangt sind, sollen unabhängig von ihrer Nationalität oder Herkunft in das ostafrikanische Land gebracht werden und dort die Möglichkeit für einen Asylantrag erhalten. Auch wenn sie dort als Flüchtlinge anerkannt werden, soll es in keinem Fall eine Rückkehr nach Großbritannien geben.

Die oft auf unsicheren Schlauchbooten über den Ärmelkanal kommenden Schutzsuchenden - allein am Montag der BBC zufolge erneut mehr als 130 Menschen - sind der konservativen britischen Regierung ein Dorn im Auge. Eines der Versprechen des Brexits lautete, die Kontrolle über die eigenen Grenzen zurückzugewinnen.

Wer in der Maschine sitzt: bis zuletzt unklar

Verschiedene Eilanträge gegen den ersten Flug waren vor Gericht in mehreren Instanzen gescheitert. Einzelne Einsprüche haben inzwischen aber dazu geführt, dass wohl nur wenige Migranten ausgeflogen werden - nach Informationen von Sky News und anderer britischer Medien waren es noch maximal sieben - Tendenz sinkend. Ursprünglich sollten mehrere Dutzend ausgeflogen werden.

Die Maschine soll einem Bericht zufolge erst am Abend (22.30 Uhr MESZ) starten. Truss sagte dazu: »Es werden Leute an Bord sein. Und wer nicht bei diesem Flug dabei ist, nimmt den nächsten.«

Premierminister Boris Johnson warf Anwälten, die versuchen die Flüge mit rechtlichen Mitteln zu verhindern, vor, Menschenschmugglern Beihilfe zu leisten.

Auch Prinz Charles soll unzufrieden sein

Die britische Opposition, das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR und Menschenrechtsorganisationen bescheinigen der Regierung, mit den Flügen gegen internationales Recht zu verstoßen. Nach Medienberichten soll sogar der zu politischer Neutralität verpflichtete Thronfolger Prinz Charles das Vorgehen als »entsetzlich« bezeichnet haben.

Die Bischöfe der Church of England sprachen in einem offenen Brief, den die »Times« veröffentlichte, von einer »Schande für die Nation«. Truss wies die Kritik zurück. »Unsere Politik ist vollkommen legal, vollkommen moralisch.«

Aus Ruanda kamen am Dienstag angesichts der harschen Kritik und des Widerstands der Betroffenen gegen ihre Ausreise eher verwunderte Töne. »Wir sehen es nicht als Bestrafung an, in Ruanda zu leben«, sagte eine Regierungssprecherin der britischen Nachrichtenagentur PA zufolge bei einer Pressekonferenz. Man sehe es nicht als unmoralisch an, Menschen eine neue Heimat zu bieten. Kritiker bemängeln jedoch, das Land werde autokratisch regiert und habe eine zweifelhafte Bilanz wenn es um die Einhaltung von Menschenrechten geht.

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl bezeichnete den Schritt der britischen Regierung als »gefährlichen Präzedenzfall«. Mit der Auslagerung der Verfahren und des Schutzes nach Ruanda entziehe sich Großbritannien seiner Verantwortung, sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt und fügte hinzu: »Vom Flüchtlingsschutz ist dann nicht mehr übrig als eine leere Worthülse.«

Länderbericht Ruanda von Amnesty International

© dpa-infocom, dpa:220614-99-657169/9