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Grünen-Mitgründer Ströbele gestorben

Er war Revoluzzer, RAF-Anwalt und Mitbegründer der Grünen. Ein sensationeller Wahlsieg machte Hans-Christian Ströbele zur Parteilegende. Nun ist er im Alter von 83 Jahren gestorben.

Grünen-Mitbegründer Ströbele
Hans-Christian Ströbele im Juni 2019. Foto: Britta Pedersen
Hans-Christian Ströbele im Juni 2019.
Foto: Britta Pedersen

Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele ist tot. Er starb am Montag im Alter von 83 Jahren, wie sein Rechtsanwalt Johannes Eisenberg mitteilte.

Der frühere RAF-Anwalt Ströbele, dessen Markenzeichen ein roter Schal, leuchtend weiße Haare und sein Fahrrad waren, war 2002 als erster Grüner per Direktmandat im Berliner Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg in den Bundestag gewählt worden und ging damit in die Parteigeschichte ein. Ströbele hatte die Grünen mitgegründet und saß 21 Jahre lang im Bundestag.

Aktiv in der APO

Erst 2017, mit 78 Jahren, war Ströbele aus der aktiven Politik ausgestiegen, betrieb seine Anwaltskanzlei in Berlin aber zunächst weiter. Vor seiner Zeit bei den Grünen war er aktiv in der damaligen Außerparlamentarischen Opposition (APO). Gemeinsam mit dem späteren Bundesinnenminister Otto Schily und dem späteren Rechtsextremisten Horst Mahler verteidigte er als Anwalt erst Aktivisten der Studentenbewegung, dann auch Terroristen der Roten Armee Fraktion (RAF).

Der Sohn eines Chemikers aus Halle an der Saale war eine Symbolfigur vor allem des linken Flügels der Grünen und scheute Auseinandersetzungen auch mit den eigenen Parteifreunden nie - etwa mit dem früheren Außenminister und Vizekanzler Joschka Fischer. So war Ströbele gegen die deutsche Beteiligung am Kosovo-Krieg, den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr und die Hartz-IV-Reformen. Im Parlament stimmte er immer wieder gegen die Linie seiner Fraktion.

In den letzten Jahren im Bundestag hatte Ströbele sich unter anderem intensiv dem Thema Geheimdienste gewidmet und mit einem Besuch bei US-Whistleblower Edward Snowden in Moskau Schlagzeilen gemacht.

»Nicht der Geist, der Körper wurde ihm zur Qual«

Rechtsanwalt Eisenberg schrieb in seiner Mitteilung: »Er hat selbst entschieden, dass er den langen Leidensweg, den ihm seine Erkrankungen zugemutet haben, nicht mehr fortsetzen wollte und lebenserhaltende Maßnahmen reduziert. Er war bis zuletzt bei vollem Bewusstsein. Nicht der Geist, der Körper wurde ihm zur Qual und hat ihn am 29. August 2022 verlassen.«

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) würdigte Ströbele auf Twitter: »Sein Antrieb war, Politik zu machen und die Gesellschaft zu verändern.« Deutschland verliere einen streitbaren Politiker, der die politische Debatte über Jahrzehnte mitgeprägt habe.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte am Rande der Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg, Ströbele sei ein Politiker gewesen, »der vielen Menschen imponiert hat - mir auch - wegen seiner Geradlinigkeit, seinem unverrücklichen Einsatz für Bürgerrechte, für soziale Politik«. Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) sprach im Nachrichtenportal T-Online von einem »Querkopf und Freigeist«.

»Er wird fehlen«, schrieb Außenministerin Annalena Baerbock auf Twitter. Ströbele habe »streitbar, klug, mit Rückgrat und Beharrlichkeit nicht nur die Politik und Werte der Grünen, sondern auch die politische Debatte geprägt«.

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) würdigte Ströbele als streitbaren linken Demokraten und Vorkämpfer rot-grüner Koalitionen. Ströbele sei »ein prinzipientreuer und konsequenter Politiker gewesen«, so Giffey. »Seine Persönlichkeit stand für seine Ziele und Überzeugungen.«

»Eine Ikone des Kampfs für Demokratie und Frieden«

Die Bundespartei der Grünen nannte Ströbele »eine Ikone des Kampfs für Demokratie und Frieden«, wie Co-Parteichef Omid Nouripour auf Twitter schrieb. »Ich verliere einen wunderbaren Ex-Büronachbarn, von dem ich soviel über kritischen, substanziellen und respektvollen Diskurs gelernt habe.« Co-Parteichefin Ricarda Lang schrieb: »Er hat mich mit seiner Integrität und seinem unbeirrbaren Kampf gegen Ungerechtigkeit zutiefst beeindruckt.«

Die Grünen-Bundestagsfraktion twitterte: »Gradlinig, aufrichtig, hartnäckig, so haben wir ihn in der Fraktion als einzigartigen Mitstreiter für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit erlebt.«

Die Co-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge erklärte: »Ströbi, Du wirst uns fehlen! Erster Grüner, der jemals ein Direktmandat gewann. Leidenschaftlicher Kämpfer für den Rechtsstaat. Hartnäckig, aufrichtig, unverstellt. Ohne Dich wären die Grünen nicht, was sie heute sind. In Trauer nehmen wir Abschied.« Auch Spitzenpolitiker der Linken äußerten ihren Respekt.

© dpa-infocom, dpa:220831-99-576414/7