Die Grünen-Fraktion im Bundestag peilt an, den Kohleausstieg auch im Osten des Landes auf 2030 vorzuziehen. In einer Beschlussvorlage für die Klausurtagung der Fraktion in der kommenden Woche heißt es, dies sei ein »notwendiger Schritt, um die Klimaziele zu erreichen«. Das ARD-»Hauptstadtstudio« und die »Süddeutsche Zeitung« hatten zuerst darüber berichtet.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) bezeichnete einen früheren Kohleausstieg am Wochenende als »völlig illusorisch« - nicht zuletzt wegen des Wegfalls von russischem Pipeline-Gas nach Russlands Angriff auf die Ukraine. Der Generalsekretär der sächsischen CDU, Alexander Dierks, sagte, ein Vorziehen würde die Planungssicherheit für die Kohleregionen zerstören und einen erfolgreichen Strukturwandel gefährden. »Dieses Handeln ist ideologiegetrieben und zerstört Vertrauen in demokratische Entscheidungen.«
Der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion im Bundestag, Lukas Köhler, betonte bereits: »Ob die Kohlekraftwerke abgeschaltet werden können, entscheidet sich allein an der Frage, ob bis dahin ausreichend Ersatzkapazitäten zur Verfügung stehen.« Versorgungssicherheit sei nicht verhandelbar. »Daher sollten sich die Grünen lieber mit uns gemeinsam um den Ausbau der erneuerbaren Freiheitsenergien und die für den Kohleausstieg zwingend notwendigen neuen Gaskraftwerke kümmern, statt unseriös immer neue Jahreszahlen gesetzlich festschreiben zu wollen.«
In dem Papier der Grünen-Fraktion, die sich von Dienstag bis Donnerstag in Weimar trifft, heißt es, ein früherer Kohleausstieg mache nicht nur klimapolitisch Sinn, sondern bringe angesichts neuer Entwicklungen auch Planungs- und Investitionssicherheit für die Menschen und Regionen vor Ort. Die Annahme, dass die Kohleverstromung bis zum Jahr 2038 wirtschaftlich sei, habe sich überholt.
Krtitik aus ostdeutschen Braunkohleländern
In den betroffenen Bundesländern Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt wird ein früherer Ausstieg allerdings sehr kritisch gesehen. Es werde »schlicht und einfach nicht erklärt, wie wir eine autarke Energieversorgung hinbekommen wollen«, sagte Sachsen-Anhalts Regierungschef Haseloff am Samstag der Deutschen Presse-Agentur am Rande einer Medientagung im bayerischen Tutzing. Das Szenario eines vorgezogenen Kohleausstiegs sei »völlig illusorisch«, nachdem mit dem russischen Pipeline-Gas ein entscheidender Baustein als Brückentechnologie weggefallen sei, was auch die Voraussetzung für das ursprüngliche Ziel 2038 gewesen sei.
Auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) reagierte ablehnend auf den Vorstoß. »Wir dürfen den Ast nicht absägen, auf dem wir sitzen. Kein früherer Ausstieg ohne sichere Stromversorgung an 365 Tagen, 24 Stunden lang«, sagte Woidke der Zeitung »Welt« (Montag).
Als Alternative zu Braunkohlekraftwerken ist im Papier der Grünen-Fraktion die Rede von »Wasserstoff-ready Gaskraftwerken«, also von Kraftwerken, die zunächst durch Gasverbrennung, später aber auch aus Wasserstoff Strom erzeugen können. Es sei absehbar, dass Ostdeutschland zur Erzeugerregion für grünen Wasserstoff werde. »Dort, wo heute noch Braunkohle verbrannt wird, kann die Erfahrung und Netzinfrastruktur genutzt werden. Dieser Einstieg sichert unzählige Arbeitsplätze im Kraftwerksbereich.«
Doch auch daran gibt es Zweifel. Es würde noch Jahre dauern, bis Kraftwerke grünen Wasserstoff herstellen können, sagte Brandenburgs Ministerpräsident Woidke dem ARD-Hauptstadtstudio. Mit Blick auf moderne Gaskraftwerke sagte er: »Es werden also erstmal Kraftwerke gebaut, die zumindest in den nächsten Jahren Gas verbrennen«, sagte Woidke. Das würde die deutsche Abhängigkeit vom Ausland - »und zwar egal von welchem Ausland« - weiter erhöhen.
In der Energiewende werden große Hoffnungen in Wasserstoff gesetzt, der aus erneuerbaren Energien erzeugt wird. Er könnte in Zukunft auch für die Herstellung von Strom genutzt werden. Derzeit ist der aus Ökostrom hergestellte Energieträger aber knapp und relativ teuer.
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