Weltweit sind in den vergangenen fünf Jahren weniger Rüstungsgüter wie Kampfflugzeuge, Panzer und U-Boote exportiert worden als zuvor.
Das Volumen der internationalen Waffenlieferungen sank in den Jahren 2017 bis 2021 im Vergleich zum vorherigen Fünfjahreszeitraum um 4,6 Prozent, wie aus einem am Montag veröffentlichten Bericht des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri hervorgeht. Im Vergleich zu den Jahren 2007 bis 2011 bedeuten die neuen Werte hingegen ein Plus von 3,9 Prozent. Deutschland zählt weiter zu den fünf größten Rüstungsexporteuren.
Trotzdem viel höheres Niveau
Trotz des leichten Rückgangs im Fünfjahresvergleich befänden sich die globalen Waffenlieferungen in den vergangenen zehn Jahren auf einem viel höheren Niveau als zuvor, sagte Sipri-Experte Siemon Wezeman der Deutschen Presse-Agentur. »Die Welt ist kein sichererer Ort als zu Beginn der 90er Jahre oder am Ende des Kalten Krieges.« Und dies betreffe den Zeitraum vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine vor zweieinhalb Wochen, betonte Wezeman.
Größere coronabedingte Auswirkungen auf die Zahlen gab es dem Sipri-Experten zufolge nicht. Vielmehr seien in Ländern wie Finnland und der Schweiz Beschlüsse getroffen worden, um eine beträchtliche Anzahl an Großwaffen zu kaufen. »Die Pläne haben sich durch Corona nicht geändert. Sie sind auf Kurs.« Bei mehreren europäischen Staaten rechnen die Friedensforscher angesichts von jüngst getätigten Großaufträgen vor allem für US-Kampfflugzeuge mit klar zunehmenden Importzahlen im Laufe des kommenden Jahrzehnts.
Auch die Bundesregierung will neue Kampfjets aus den USA beschaffen, wie in Berlin verkündet wurde. Die Luftwaffe soll in einem milliardenschweren Modernisierungsprogramm mit bis zu 35 F-35-Tarnkappenjets des US-Herstellers Lockheed Martin als Nachfolger der Tornado-Flotte ausgerüstet werden. Die F-35 sei das modernste Kampfflugzeug weltweit, viele Partner in Europa hätten sich ebenfalls dafür entschieden, sagte der Inspekteur der Luftwaffe, Ingo Gerhartz.
Große regionale Unterschiede
Der geringe Rückgang der internationalen Rüstungslieferungen verbirgt Sipri zufolge große Unterschiede zwischen den Weltregionen. Während Südamerika zum Beispiel so wenige Rüstungsgüter importiert habe wie seit 50 Jahren nicht mehr, trügen steigende oder unverändert hohe Einfuhrzahlen in Europa, Ostasien, Ozeanien und dem Nahen Osten zu Aufrüstung bei. Das Importvolumen der Staaten Europas stieg demnach um 19 Prozent. Dies lasse sich zumindest zum Teil auf die deutliche Verschlechterung der Beziehungen zu Russland zurückführen.
Der Vorsprung der USA als absoluter Branchenprimus unter den 60 waffenexportierenden Staaten wächst weiter. Vor allem wegen ihrer Militärflugzeuge sind die Vereinigten Staaten für 39 Prozent aller Rüstungsexporte verantwortlich. Dieser Anteil ist mehr als doppelt so groß wie der von Russland auf Rang zwei.
Während die US-Rüstungsschmieden auf ein Fünfjahreswachstum von 14 Prozent kamen, lag diese Zunahme im Falle von Frankreich sogar bei 59 Prozent. Im Gegensatz dazu nahmen die russischen Rüstungsexporte um 26 Prozent ab. Der Rückgang lässt sich fast ausschließlich dadurch erklären, dass die Lieferungen an den weltgrößten Waffenimporteur Indien und an Vietnam einsackten. Mehr Ausfuhren nach China und Ägypten konnten das nicht aufwiegen.
Hat der Rückgang der russischen Exporte etwas mit dem Vorgehen des Riesenreichs in der Ukraine zu tun? »Ich denke, die Verbindung ist eine indirekte«, sagte Wezeman. Die Zahlen spiegelten teils wider, wie schwer es für Russland sei, neue Abnehmer zu finden, während ältere wie Indien und China nach neuen Lieferanten suchten oder stärker selbst produzierten. Die USA und europäische Länder übten zudem Druck auf Staaten wie Indien, Algerien und Ägypten aus, auf russische Waffenlieferungen zu verzichten. Dieser Druck dürfte in den kommenden Jahren weiter zunehmen, vermutet Wezeman.
Westen sucht Verbündete
Ein weiterer Aspekt sei der technologische Standard der russischen Rüstungsgüter - was man derzeit auch in der Ukraine sehen könne. Modern seien viele der Waffen nicht, einige gar völlig überholt. Eine weitere Folge des Ukraine-Kriegs dürfte Wezeman zufolge sein, dass der Westen auf der Suche nach weiteren Verbündeten sei - auch mit Hilfe des Lockmittels Waffenlieferungen.
Komplettiert werden die fünf größten Waffenexporteure der Erde letztlich weiter von China und Deutschland. Die Bundesrepublik verzeichnete Sipri zufolge einen Rückgang des Exportvolumens um 19 Prozent zum vorherigen Fünfjahreszeitraum und um 49 Prozent im Vergleich zu 2007 bis 2011. Solche Zahlen könnten sich mit einem Großauftrag schnell verschieben, ordnete Wezeman ein. Deutsche Waffenlieferungen wie Fregatten, U-Boote und gepanzerte Fahrzeuge machen nun für 4,5 Prozent der weltweiten Rüstungsexporte aus.
Ukraine auf Platz 14
Und die Ukraine? Trotz des schon seit Jahren anhaltenden Konflikts mit Russland waren die Importe des Landes in den Jahren 2017 bis 2021 sehr begrenzt. Sie machten dem Sipri-Bericht zufolge nur 0,1 Prozent der globalen Gesamtzahlen aus. Waffenlieferungen an die Ukraine hätten generell mehr eine politische als eine militärische Bedeutung gehabt. Bis Februar hätten zudem mehrere große Exportländer ihre Lieferungen beschränkt - aus Sorge, zu einer Eskalation beizutragen.
Zugleich liegt die Ukraine in der weltweiten Rangliste der waffenexportierenden Länder auf Platz 14. Wezeman rechnet damit, dass sich dies nun ändert: Zum einen benötige die Ukraine ihre Waffen jetzt selbst. Zum anderen befänden sich große Teile ihrer Rüstungsindustrie in gefährdeten und umkämpften Gebieten, etwa in Charkiw.
© dpa-infocom, dpa:220314-99-509428/5