Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Ministerpräsidenten der ostdeutschen Braunkohleländer Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt haben eine positive Zwischenbilanz zum Strukturwandel in den betroffenen Regionen gezogen. Bei einem Treffen im Industriepark Schwarze Pumpe in Spreetal bekräftigte Scholz am Freitag die Entschlossenheit der Regierung zum Ausbau erneuerbarer Energien. "Da wollen wir wirklich Tempo machen (...) "Alle Hemmnisse, alle Schwierigkeiten, die wir identifizieren, wollen wir beseitigen."
Anfang des Jahres habe die Regierung damit begonnen, den beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien gesetzgeberisch möglich zu machen. Bis Jahresende werde weiter daran gearbeitet. »Das ändern wir gerade, damit beschleunigt sich das Tempo, und dann gucken wir einmal, wie weit wir kommen«, sagte Scholz. »Unser Ehrgeiz ist grenzenlos.« Kaum jemand könne verstehen, dass die Genehmigung einer Windkraftanlage heute sechs, acht Jahre dauere.
Mit Blick auf die Probleme wegen der deutschen Abhängigkeit von russischem Gas sei eine gute und sichere Energieproduktion in Deutschland »von größter Bedeutung«. Scholz hob die Chancen auch für die vom Strukturwandel betroffenen Kohleregionen hervor. Alle setzten darauf, »dass die modernsten Technologien, die mit erneuerbaren Energien verbunden sind, mit der Herstellung von Wasserstoff, dass die sich auch in unserem Land entwickeln, dass dort entsprechende Produktionskapazitäten entstehen, dass das genau hier in diesen Regionen auch der Fall ist«, sagte Scholz.
Sachsen und Sachsen-Anhalt wollen Kohleausstieg 2038
Es sei von größter Bedeutung, »dass das Versprechen, das unser ganze Land, aber auch die Regierungschefs der Länder gegeben haben, auch wirklich umgesetzt wird«. Vor allem komme es auf gute, sichere Arbeitsplätze in den Strukturwandelregionen an. Deshalb sei auf einen rechtzeitigen Beginn des Strukturwandels geachtet worden. »Das gelingt, kann man sagen«, sagte Scholz. »Ein gutes Treffen, ein guter Zwischenstand, aber ein Ansporn auch für die Zukunft, hart zu arbeiten«, lautete sein Fazit.
Die Ministerpräsidenten der drei ostdeutschen Kohleländer, die beiden CDU-Politiker Michael Kretschmer (Sachsen) und Reiner Haseloff (Sachsen-Anhalt) sowie Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) hatten in der Vergangenheit wiederholt mehr Tempo und Verbindlichkeit beim Strukturwandelprozess angemahnt, für den der Bund Milliarden Euro ausgibt.
Kretschmer und Haseloff bezogen sich am Freitag explizit auf den für 2038 vereinbarten Kohleausstieg. Die Ampel in Berlin hatte in ihrem Koalitionsvertrag formuliert, den Ausstieg »idealerweise« schon 2030 zu realisieren. Es sei wichtig, die vorhandenen Kapazitäten gerade jetzt im Netz zu halten, damit nicht noch eine weitere Mangellage entstehe, so Haseloff. »Dieser Zeitablauf ist deswegen auch für uns wichtig, weil viele Maßnahmen des Strukturfördergesetzes bei uns im Lande dazu dienen, die Chemie zukunftsfähig zu machen (...).« Dafür brauche man eine sichere Energieversorgung und wettbewerbsfähige Preise.
Kretschmer bedankte sich bei Scholz dafür, dass »der Chef eine Ansage« gemacht habe und die besprochenen Dinge gälten. Unklar blieb aber, auf was sich Kretschmer dabei konkret bezog. Die Staatskanzlei von Brandenburgs Ministerpräsident Woidke in Potsdam hatte im Vorfeld darauf verwiesen, dass sich die Energieversorgung durch den russischen Aggressionskrieg gegen die Ukraine und die Verknappung der Energielieferungen deutlich verändert habe.
Ein Datum nennt Scholz nicht
Scholz bezog sich auf Nachfrage nicht konkret auf Ausstiegsdaten. Er sagte, wenn es gelinge, eine ausreichende Kapazität an Energieerzeugung aus erneuerbarer Energien zu haben und den Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft zu schaffen, »dann relativiert sich auch die Notwendigkeit anderer Erzeugungskapazitäten«. Und Scholz ergänzte: »Aber so war der Zusammenhang immer, und so ist er aus dem Koalitionsvertrag sehr klar erlesbar.«
Laut SPD-Politiker Carsten Schneider, Ostbeauftragter der Bundesregierung, steht der Bund zu seinem Wort. Die 40 Milliarden Euro für alle deutschen Braunkohleregionen sei die größte Investition des Bundes in den kommenden Jahren. Es gebe einen Bruch mit der bisherigen Förderpolitik. Als Beleg nannte er die Schienenverbindungen und die Großforschungseinrichtungen. »Das wird noch einmal einen richtigen Schub geben.«
Am Ort des Geschehens, dem Gründerzentrum Dock3 im Industriepark Schwarze Pumpe, hatten sich am Freitag etwa 80 Azubis des Energiekonzerns Leag sowie Mitglieder der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie postiert. Scholz stieg bei seiner Ankunft aus dem Wagen, um mit den Menschen zu sprechen. Uwe Teubner, Vorsitzender des Leag-Konzernbetriebsrat, bezog schon zuvor Position. Deutschland stecke mitten in der schwersten Energiekrise seiner Geschichte. Er meinte: »Deshalb: Schluss mit der absurden und fahrlässigen Diskussion über ein Vorziehen des Kohleausstiegs auf 2030. Hände weg vom Kohleausstiegsgesetz. 2038 muss gelten.«
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