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Gewalt in Nahost dauert auch über Ostern an

Auf tödliche Anschläge in Israel und im Westjordanland folgen neue Razzien der Armee. Dabei wird nahe Jericho auch ein junger Palästinenser erschossen. Eine Israelin erliegt ihren Verletzungen.

Nahost
Palästinenser zeigen auf einen Blutfleck auf dem Boden. Foto: Nasser Nasser
Palästinenser zeigen auf einen Blutfleck auf dem Boden.
Foto: Nasser Nasser

In Nahost ist es über Ostern zu neuen Konfrontationen gekommen. Heute wurde bei einem israelischen Militäreinsatz bei Jericho im südlichen Westjordanland ein 15-jähriger Palästinenser getötet. Eine 48-jährige Israelin erlag drei Tage nach einem Anschlag im Westjordanland, bei dem zwei ihrer Töchter getötet worden waren, ebenfalls ihren schweren Verletzungen. Die Familie stammte aus Großbritannien. Die palästinensischen Tatverdächtigen sind noch auf freiem Fuß.

Ostern fiel in diesem Jahr mit dem jüdischen Pessach-Fest und dem Fastenmonat Ramadan zusammen.

Nach neuen Raketenangriffen aus Syrien griff die israelische Armee in der Nacht zum Sonntag Ziele in dem feindlichen Nachbarland an. Insgesamt wurden nach Militärangaben sechs Raketen von syrischem Gebiet aus auf die von Israel besetzten Golanhöhen abgefeuert. Eine palästinensische Gruppierung bekannte sich nach Medienberichten zum ersten von insgesamt zwei Angriffen.

Zu dem Vorfall in einem Flüchtlingslager bei Jericho teilte die Armee mit, Soldaten seien in das Lager vorgedrungen, um dort einen Terrorverdächtigen festzunehmen. Während des Einsatzes sei es zu gewaltsamen Unruhen gekommen. Ein Jugendlicher habe bei dem Vorfall Schussverletzungen am Kopf, der Brust und im Bauchbereich erlitten, teilte das palästinensische Gesundheitsministerium mit. Zuvor waren während einer Razzia in Nablus nach Medienberichten zwei israelische Soldaten durch Schüsse verletzt worden.

Lage seit Monaten extrem angespannt

Die Lage im besetzten Westjordanland ist seit Monaten sehr angespannt. Seit Jahresbeginn sind nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums 93 Palästinenser bei Konfrontationen mit der israelischen Armee oder ihren eigenen Anschlägen getötet worden. In dem Zeitraum wurden 17 Israelis, ein Italiener und eine Ukrainerin bei Anschlägen getötet.

Am Freitagabend waren bei einem Anschlag nahe der Tel Aviver Strandpromenade ein italienischer Tourist getötet und sieben weitere Urlauber verletzt worden.

Um ihre Solidarität mit den Siedlern im Westjordanland auszudrücken, marschierten Tausende Israelis, unter ihnen rechtsextreme Minister und Abgeordnete, zu dem Siedlungs-Außenposten Eviatar südlich der Palästinenserstadt Nablus. Eviatar war vor rund zwei Jahren nach einer Einigung mit den Einwohnern geräumt worden. Mitglieder der rechts-religiösen Regierung von Benjamin Netanjahu streben jedoch eine Legalisierung und Wiederbesiedlung von Eviatar an. Palästinenser aus nahe liegenden Ortschaften beanspruchen das Land als ihr Eigentum. Während des Marsches kam es nach Medienberichten zu Protesten von Palästinensern. Der palästinensische Rote Halbmond gab an, rund 100 Menschen seien nach Einsatz von Tränengas behandelt worden.

Israel hatte 1967 das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Dort leben heute mehr als 600.000 israelische Siedler. Die Palästinenser beanspruchen die Gebiete für einen eigenen Staat.

Proteste gegen Politik von Netanjahu

Ungeachtet der verschärften Sicherheitslage in Israel kam es am Samstagabend in Israel erneut zu Protesten gegen die Politik der rechts-religiösen Regierung von Benjamin Netanjahu. Zehntausende demonstrierten in der Küstenstadt Tel Aviv sowie in anderen Städten gegen die umstrittene Justizreform. Im Gedenken an die Opfer der Anschläge entzündeten sie Kerzen und hielten eine Schweigeminute ein.

Israel verstärkte angesichts der gewaltamen Vorfälle die Sicherheitsmaßnahmen während des jüdischen Pessach-Fests. Der amtierende Verteidigungsminister Joav Galant ordnete eine Verstärkung der Polizei durch das Militär an. Außerdem verlängerte er ein Einreiseverbot für Palästinenser aus dem Westjordanland und Gazastreifen bis Mittwochabend.

Heute besuchten nach Medienberichte erneut rund 1000 Juden den Tempelberg (Al-Haram al-Scharif) in Jerusalems Altstadt. Die Anlage steht unter muslimischer Verwaltung, während Israel für die Sicherheit zuständig ist. Der Tempelberg mit dem Felsendom und der Al-Aksa-Moschee ist die drittheiligste Stätte im Islam. Er ist jedoch auch Juden heilig, weil dort früher zwei jüdische Tempel standen. Zuletzt war es dort zu heftigen Zusammenstößen zwischen der Polizei und Palästinensern gekommen.

© dpa-infocom, dpa:230410-99-267606/2