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Geteilte Stadt - Vor 60 Jahren war Kennedy ein Berliner

Vor 60 Jahren kam US-Präsident John F. Kennedy zu Besuch nach Berlin. Seine Rede vor dem Schöneberger Rathaus ging um die Welt. Vor allem ein Satz daraus ist unvergessen.

Kennedy in Berlin
Der Regierende Bürgermeister von Berlin Willy Brandt (l) mit seinem Gast, dem US Präsidenten John F. Kennedy am 26.06.1963 in Berlin. Foto: picture alliance/DPA
Der Regierende Bürgermeister von Berlin Willy Brandt (l) mit seinem Gast, dem US Präsidenten John F. Kennedy am 26.06.1963 in Berlin.
Foto: picture alliance/DPA

Es ist ein Satz, der Jubel ausgelöst und Geschichte geschrieben hat: »Ich bin ein Berliner.« US-Präsident John F. Kennedy wandte sich mit der berühmten Formulierung bei seinem Besuch der geteilten Stadt am 26. Juni vor 60 Jahren an die Menschen in West-Berlin. Für seine Zuhörer war die Rede nicht einmal zwei Jahre nach dem Mauerbau ein wichtiges Signal der Solidarität. Die Begeisterung war riesig, schon als Kennedy im offenen Wagen durch den Westteil der Stadt fuhr und noch mehr, als er anschließend vor dem Schöneberger Rathaus zu Zehntausenden Menschen sprach.

Der Platz davor trägt heute seinen Namen. Am Samstag (24. Juni) erinnerte Berlin dort mit einem Bürgerfest an den Kennedy-Besuch und die berühmte Rede. Vor 60 Jahren standen die Menschen eng gedrängt vor dem Rathaus, damals Sitz des West-Berliner Senats und Tagungsort des Landesparlaments. Einige hatten auf Luftmatratzen dort übernachtet, nur um den US-Präsidenten sehen zu können. Ganz so groß war die Euphorie beim Bürgerfest nun nicht - es kamen einige Hundert Menschen. Jedes »Ich bin ein Berliner« von der Bühne wurde aber kräftig bejubelt.

Kennedy kommt 15 Jahre nach dem Start der Luftbrücke

Kennedy kam in weltpolitisch angespannten Zeiten. Genau 15 Jahre zuvor war die Luftbrücke gestartet. Mit Zehntausenden von Flügen hatten vor allem amerikanische Piloten den Westteil Berlins zehn Monate lang unter anderem mit Lebensmitteln und Kohle versorgt, nachdem die Sowjetunion versucht hatte, ihn komplett abzuriegeln.

Bei Kennedys Besuch war West-Berlin längst endgültig zur »Frontstadt« des Kalten Krieges geworden. »Fast zwei Jahre nach dem Mauerbau war hier die bestbewachte Grenze im Eisernen Vorhang«, sagt die Berliner Historikerin Jessica Gienow-Hecht. »Viele Menschen in Berlin waren nach dem Bau der Mauer deprimiert, viele hatten die Stadt verlassen«, beschreibt die Professorin an der Freien Universität (FU) Berlin die damalige Situation. »Der Besuch dieses charismatischen, jungen Präsidenten hat den Menschen in West-Berlin sehr viel Hoffnung gegeben.«

Abstecher zum Brandenburger Tor und zum Checkpoint Charlie

Bei seiner Fahrt durch den Westteil der Stadt stoppte Kennedy sowohl am Brandenburger Tor, das die Ost-Berliner Regierung mit der Flagge der DDR verhängt hatte, als auch am amerikanischen Grenzübergang Checkpoint Charlie.

Das Bild von den sowjetischen und amerikanischen Panzern, die sich dort im Oktober 1961 mitten in Berlin stundenlang direkt gegenüberstanden, hatten viele noch vor Augen. Die Szene symbolisierte geradezu, wie real das Risiko eines Krieges zwischen West und Ost damals war.

Kritik am Kommunismus und an der Mauer

In seiner Rede nahm Kennedy dennoch kein Blatt vor den Mund und kritisierte den Kommunismus mehrfach. Die Berliner Mauer bezeichnete er als »die abscheulichste und stärkste Demonstration für das Versagen des kommunistischen Systems«, West-Berlin nannte er eine Insel der Freiheit. Und den Massen vor dem Schöneberger Rathaus rief er zu: »Alle freien Menschen, wo immer sie leben mögen, sind Bürger dieser Stadt West-Berlin, und deshalb bin ich als freier Mann stolz darauf, sagen zu können: «Ich bin ein Berliner».«

Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) betonte beim Bürgerfest am Samstag eine weitere Passage aus Kennedys Rede: »Die Freiheit ist unteilbar, und wenn auch nur einer versklavt ist, dann sind nicht alle frei.« Dieser Gedanke müsse aktuell der Maßstab für die Unterstützung des Westens für die Ukraine sein. »Wir stehen an der Seite Kiews«, sagte der CDU-Politiker. Er berichtete zudem von seinem Vater, der den Auftritt Kennedys damals vor Ort miterlebt habe. Wie viele Menschen habe er Angst gehabt, was aus West-Berlin werde. »Mein Vater verließ diesen Platz voller Hoffnung«, sagte Wegner.

»Es gibt so Tage in der Geschichte, die sind einmalig.«

Kennedy hielt die Rede auf Englisch - den berühmtem Satz sagte er aber auf Deutsch. Die richtige Aussprache hatte er sich erklären lassen und vorher geübt. Anschließend sei er überwältigt gewesen von den Menschen, die ihm zujubelten und so froh gewesen seien, ihn zu sehen, sagt Gienow-Hecht. »Der Berlin-Besuch ist so einer der zeitlosen Momente, wo alles ganz richtig ist, ein Moment, wo ganz klar ist, wer recht hat und wer nicht und wo man sein und wo man stehen möchte und wo nicht.« Kennedy sei das bewusst gewesen.

»Er selbst merkte, dass es ein Höhepunkt womöglich seiner gesamten politischen Laufbahn sein würde. Ich denke, damit hat er recht gehabt«, so die Historikerin. »Es gibt so Tage in der Geschichte, die sind einmalig. Berlins nächster großer Tag war der 9. November 1989.«

Die Wiedervereinigung Deutschlands und Berlins, die er in seiner Rede erwähnt hat, hat Kennedy nicht mehr erlebt. Er starb bei einem Attentat im November 1963 in Dallas, nicht einmal fünf Monate nach seinem Berlin-Besuch. Als Zeichen der Trauer stellten Tausende von Menschen in West-Berlin Kerzen in die Fenster.

© dpa-infocom, dpa:230625-99-177704/4