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Geplante EU-Asylreform: Was man dazu wissen muss

Im Ringen um die Reform der EU-Asylregeln dringt Italien auf weitere Zugeständnisse Deutschlands. Muss sich die Bundesregierung noch einmal bewegen? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

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Wie geht es weiter mit der EU-Asylreform? Foto: Patrick Pleul/DPA
Wie geht es weiter mit der EU-Asylreform?
Foto: Patrick Pleul/DPA

Kann die EU-Asylreform nach dem deutschen Ja zu einem umstrittenen Krisenmechanismus endlich zu Ende verhandelt werden? Die Ereignisse der vergangenen Tage werfen in Brüssel und Berlin zahlreiche Fragen auf. Wie es weitergeht, wird allerdings nicht nur in diesen beiden Städten entschieden. Ein Überblick.

Wie ist nun der Stand bei der EU-Asylreform nach dem deutschen Ja zur sogenannten Krisenverordnung für den Fall der Ankunft außerordentlich vieler Migranten?

Die Bundesregierung hatte erwartet, dass sie mit Zugeständnissen im Streit um die Krisenverordnung den Weg für wichtige Verhandlungen mit dem Europaparlament ebnen kann. Spätestens seit diesem Freitag ist allerdings klar, dass die Hoffnung verfrüht war. Nach Angaben von Diplomaten gehen insbesondere Italien die deutschen Zugeständnisse nicht weit genug. Rom stört sich außerdem an der Finanzierung ziviler Seenotrettungsprojekte durch Deutschland.

Grundsätzlich sehen die Pläne für die EU-Asylreform zahlreiche Ergänzungen und Verschärfungen vor, um unerwünschte Migration zu begrenzen. Geplant ist insbesondere ein deutlich härterer Umgang mit Menschen aus Ländern, die als relativ sicher gelten. Sie sollen künftig nach einem Grenzübertritt unter haftähnlichen Bedingungen in streng kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen kommen. Dort würde dann im Normalfall innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden, ob der Antragsteller Chancen auf Asyl hat. Wenn nicht, soll er umgehend zurückgeschickt werden.

Zudem soll dafür gesorgt werden, dass stark belasteten Staaten wie Italien und Griechenland künftig ein Teil der Asylsuchenden abgenommen wird. Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, würden zu Ausgleichszahlungen gezwungen werden.

Wenn Italien nicht zustimmt - warum hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) dann am Donnerstag nach einem EU-Treffen eine »politische Einigung« verkündet?

Faeser ist derzeit nicht nur Innenministerin, sondern auch Spitzenkandidatin für die hessische SPD bei der Landtagswahl am 8. Oktober. Möglich ist, dass sie wenige Tage vor der Wahl einen politischen Erfolg präsentieren wollte. Denkbar ist allerdings auch, dass sie die die Lage und die Bedenken Italiens nicht richtig eingeschätzt hat. Faeser muss nun hoffen, dass in den nächsten Tagen einige Einigung erzielt werden kann.

Druck machen auch die Entwicklungen an den EU-Außengrenzen. Die Zahl der von der EU erfassten Asylanträge stieg zuletzt auf den höchsten Halbjahresstand seit der Flüchtlingskrise 2015/2016. Bis zum 24. September dieses Jahres sind nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR allein 186.000 Menschen über das Mittelmeer nach Europa gekommen. Im gesamten vergangenen Jahr waren es den UNHCR-Daten zufolge etwa 150.000.

Stimmt es, dass die Bundesregierung noch weitreichende Änderungen an den Plänen für die Krisenverordnung herausgehandelt hat?

EU-Beamte, die in der Regel einen sehr nüchternen Blick auf die Fakten haben, beantworten diese Frage mit einem klaren Nein. Wer in den neuen Text schaut, sieht, dass zum Beispiel eine Regel gestrichen wurde, die es EU-Ländern erlaubt hätte, bei einem starken Zustrom von Menschen zeitweise von EU-Standards für materielle Unterstützungsleistungen und den Zugang zu medizinischer Versorgung abzuweichen. Zudem sollen die Anträge auf Schutz von Minderjährigen und ihren Familienmitgliedern auch in Krisensituationen bevorzugt geprüft werden. Vorgesehen sind auch stärkere Informations- und Rechtfertigungspflichten für Länder, die die Verordnung in Anspruch nehmen wollen.

Substanziell sind diese Änderungen unter dem Strich allerdings nicht. So wäre auch mit dem ursprünglichen Text festgelegt worden, dass die Mitgliedstaaten auch in Krisensituationen die Grundbedürfnisse der Antragsteller in Bereichen wie Ernährung, Kleidung, angemessene medizinische Versorgung und Unterkünfte decken müssen.

Die Grünen hatten die Zustimmung der Regierung aus Sorge vor einer inakzeptablen Absenkung von Schutzstandards zuletzt wochenlang blockiert. Warum haben sie nun dennoch zugestimmt?

Führende Grünen-Politiker wie Außenministerin Annalena Baerbock begründeten den Kurswechsel am Donnerstag mit den noch erfolgten Änderungen. Selbst grüne Bundestagsabgeordnete gehen allerdings davon aus, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch informell von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch gemacht hat und angeordnet hat, den Widerstand gegen die Krisenverordnung aufzugeben. So kritisierte Julian Pahlke, »die Entscheidung des Bundeskanzlers der Verordnung um jeden Preis zuzustimmen«, habe Verbesserungen nur noch schwieriger gemacht.

Was bedeutet das für die Grünen?

Sie stecken bei dem Thema in einem Dilemma. An der Basis gab es von Anfang an grundsätzlichen Widerstand gegen den geplanten schärferen Asylkurs, über den in der EU verhandelt wird. »Die Ampel darf diese Abschottungspolitik nicht mitmachen«, schrieb jüngst etwa der Bundessprecher der Grünen Jugend Timon Dzienus bei X (früher Twitter) im Zusammenhang mit den Verhandlungen in Brüssel. Er warnte vor »noch mehr Chaos, Leid und Elend an den Außengrenzen, weil Menschen entrechtet werden«. Spitzenpolitiker der Grünen sind als Teil der Regierung aber gezwungen Zugeständnisse zu machen - eine Belastungsprobe für die Partei.

Gilt das auch für die Ampel-Koalition insgesamt?

Auch für die. Wie bei anderen Themen - siehe Kindergrundsicherung oder Heizungsgesetz - verläuft die Trennlinie allerdings vor allem zwischen Grünen und FDP. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai hatte den Grünen beim Thema Migration zuletzt sogar vorgeworfen, ein »Sicherheitsrisiko für das Land« zu sein und durch »realitätsferne Positionen« konsequentes Regierungshandeln zu erschweren. Dem »Tagesspiegel« sagte er nun: »Ich begrüße es, dass der Bundeskanzler an die Adresse des grünen Koalitionspartners gerichtet nun klargemacht hat, dass die Asylwende kommen muss.«

Wie ist die Stimmung in der Bevölkerung beim Thema?

Laut aktuellem ARD-»Deutschlandtrend« ist die Unterstützung für eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen gewachsen, ebenso die allgemeine Skepsis gegenüber Zuwanderung. 64 Prozent der Befragten sprechen sich demnach dafür aus, dass Deutschland weniger Flüchtlinge aufnehmen sollte, 12 Punkte mehr als im Mai. Die Frage, ob Deutschland durch Zuwanderung eher Vorteile oder eher Nachteile hat, beantworteten 64 Prozent mit »eher Nachteile«, im Mai gaben das noch 54 Prozent an, wie die Erhebung von infratest dimap ergab.

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