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G7 verstärkt Druck auf Russland - Selenskyj wird erwartet

Dauerhafte Solidarität mit der Ukraine, klare Kante gegen Russland: Am Wochenende wird derjenige zum G7-Gipfel dazustoßen, der den Abwehrkampf gegen Putin führt - virtuell oder sogar physisch.

G7-Gipfel
Kanadas Premier Justin Trudeau EU-Ratspräsident Charles Michel, US-Präsident Joe Biden, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Japans Premier Fumio Kishida und Bundeskanzler Olaf Scholz (v.l.n.r.). Foto: Michael Kappeler
Kanadas Premier Justin Trudeau EU-Ratspräsident Charles Michel, US-Präsident Joe Biden, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Japans Premier Fumio Kishida und Bundeskanzler Olaf Scholz (v.l.n.r.).
Foto: Michael Kappeler

Die führenden demokratischen Wirtschaftsmächte verschärfen ihre Strafmaßnahmen gegen Russland und seine Unterstützer wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine.

Zum Auftakt ihres Gipfels im japanischen Hiroshima beschloss die G7, den Handel mit Diamanten aus Russland deutlich zu beschränken, um die Einnahmen zur Finanzierung des Krieges zu verringern. Staaten und Unternehmen, die Russlands Krieg unterstützen, drohte die Gruppe der Sieben (G7) in einer gemeinsamen Erklärung mit »erheblichen Kosten«.

Am Wochenende wird auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj als Überraschungsgast in Hiroshima erwartet. Der Sekretär des ukrainischen Nationalen Sicherheitsrats, Olexij Danilow, kündigte den Besuch im Fernsehen an: »Dort werden sehr wichtige Dinge entschieden, daher ist eben die physische Anwesenheit unseres Präsidenten absolut wichtig«, sagte er.

In einer anschließenden Presseerklärung des Gremiums hieß dann zwar, Selenskyj nehme nur online teil. In G7-Kreisen wird aber fest mit seinem Kommen gerechnet und auch geplant - was nahelegt, dass die Mitteilung ein Ablenkungsmanöver aus Sicherheitsgründen ist.

Gedenken an Atombombenopfer - Keine Geste Bidens

Der Gipfel begann erst einmal ohne Selenskyj, aber dafür mit einem starken Symbol gerade mit Blick auf den russischen Krieg gegen die Ukraine. Gemeinsam gedachten die Staats- und Regierungschefs der Opfer des weltweit ersten Atomwaffeneinsatzes. Am 6. August 1945 warf das US-Flugzeug »Enola Gay« die Bombe mit dem harmlos klingenden Namen »Little Boy« über Hiroshima ab. Die Detonation tötete sofort 70.000 Menschen, bis heute sind mehr als 330.000 Opfer verzeichnet.

Ein Teil der zerstörten Innenstadt wurde schon kurz nach dem Krieg in einen Friedenspark umgewandelt. Dort, am Ehrenmal für die Opfer, legten die Staats- und Regierungschefs gemeinsam Kränze nieder. Der japanische Ministerpräsident Fumio Kishida stand während der Gedenkminute zwischen US-Präsident Joe Biden und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron.

Macron legte Kishida seine Hand auf die Schulter. Eine besondere Geste Bidens blieb dagegen aus. Die USA sehen bis heute keinen Grund, sich für den Abwurf der Atombombe zu entschuldigen. Selbst Barack Obama, dessen Einsatz für eine atomwaffenfreie Welt mit dem Friedensnobelpreis belohnt wurde, hatte sich beim ersten Besuch eines US-Präsidenten in Hiroshima 2016 nicht entschuldigt. Viele Amerikaner halten den Atomschlag bis heute für berechtigt, weil dieser ihrer Ansicht nach zur Kapitulation Japans führte und damit den Zweiten Weltkrieg beendete.

G7 will Russlands Einnahmen aus dem Diamantengeschäft schmälern

Auch ohne Selenskyj berieten die Staats- und Regierungschefs bereits über die Ukraine. Flankierend zur Einschränkung des Diamenten-Handels präsentierten die USA ein Sanktionspaket, das etwa 70 Unternehmen und Organisationen aus Russland und anderen Ländern von US-Exporten abschneiden soll. Großbritannien kündigte neben einem Importverbot für Diamanten auch eins für Kupfer, Aluminium und Nickel aus Russland an.

Russland gilt als weltweit größter Produzent von Rohdiamanten. 2021 hatte der staatliche Diamantenförderer Alrosa 332 Milliarden Rubel (rund 4 Milliarden Euro) Einnahmen. Es sind die letzten veröffentlichten Zahlen.

Bislang hat die EU den Handel nicht eingeschränkt. Als ein Grund galt unter anderem Widerstand aus Belgien, wo die flämische Hafenstadt Antwerpen seit dem 16. Jahrhundert als Diamantenzentrum der Welt gilt.

Selenskyj erstmal bei der Arabischen Liga

Selenskyj nimmt heute zunächst am Gipfel der Arabischen Liga im der saudi-arabischen Hafenstadt Dschidda teil. In den ersten zehn Monaten nach der russischen Invasion hatte er das Land gar nicht verlassen. Im Dezember besuchte er zunächst US-Präsident Biden in Washington, dann folgten mehrere Reisen innerhalb Europas, zuletzt auch nach Deutschland.

In Hiroshima sind seine wichtigsten Verbündeten beisammen, was Waffenlieferungen, finanzielle Unterstützung und Wiederaufbau angeht. Er dürfte mit ihnen aber auch über den angestrebten Beitritt in die Europäische Union und in die Nato sprechen wollen. Zudem ist es für ihn eine Gelegenheit, erstmals seit Kriegsausbruch persönlich den brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva und Indiens Regierungschef Narendra Modi zu treffen. Sie sind als Partnerländer beim G7-Gipfel vor Ort, unterhalten aber auch vergleichsweise enge Kontakte zu Moskau.

Schwierige Diskussion über Kampfjets

Nicht ganz einfach dürfte die Diskussion zwischen Selenskyj und der G7 über Waffenlieferungen werden. Der ukrainische Präsident hatte sich bei seinem Besuch in Berlin eine Allianz zur Lieferung von Kampfjets westlicher Bauart gewünscht. Die kommt aber nur schleppend in Gang. Großbritannien und die Niederlande haben sie zwar angestoßen. Bundeskanzler Olaf Scholz ist aber skeptisch.

Wie die USA sich verhalten werden, ist unklar. Sie haben aber eine Schlüsselrolle. Die Ukraine will die in den USA produzierten F16-Kampfjets. Jeder Export in die Ukraine - auch aus den Beständen der Verbündeten - muss aber von den Amerikanern genehmigt werden. Der US-Nachrichtensender CNN berichtete, dass die US-Regierung bereits grünes Licht signalisiert habe.

Russland erneut zu komplettem Truppenabzug aufgefordert

In der Ukraine-Erklärung der G7 werden die Kampfjets nicht erwähnt. Die Staats- und Regierungschefs bekräftigen darin lediglich allgemein die Bereitschaft, die Ukraine gemäß ihrer Bedürfnisse weiterhin militärisch zu unterstützen.

Russland wird erneut eindringlich zu einem kompletten Rückzug seiner Truppen aufgefordert. »Russland hat diesen Krieg begonnen und kann diesen Krieg beenden«, heißt es. »Wir unterstreichen, dass es keinen gerechten Frieden geben kann ohne den vollständigen und bedingungslosen Abzug der russischen Truppen und der militärischen Ausrüstung, und das muss bei jedem Friedensaufruf berücksichtigt werden.«

© dpa-infocom, dpa:230519-99-744781/8