Nach der weitgehend friedlichen linken Demonstration am Abend des 1. Mai hat Berlins neuer Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) von einer »taktischen Meisterleistung« der Polizei gesprochen. Es habe ein Gewaltpotenzial gegeben, »er habe auch durchaus Sorgen gehabt«, sagte Wegner. Letztlich sei der Tag aber »sehr, sehr erfolgreich« gewesen. Die Polizei habe ein Gewaltaufkommen bei der Demonstration mit 12.000 Teilnehmern am Abend aber verhindert.
Tatsächlich war die Polizei am Abend des 1. Mai anders als in allen früheren Jahren nicht direkt angegriffen worden. Steinwürfe und Flaschenwürfe aus der Demonstration blieben aus. Die Gruppen von schwarz gekleideten Linksautonomen waren eher klein, die Polizeipräsenz dagegen sehr hoch. Innensenatorin Iris Spranger (SPD) und die Polizei zeigten sich daher auch zufrieden mit dem Verlauf und sprachen vom friedlichsten 1. Mai seit langem.
Trotzdem wurden 67 Menschen, 58 Männer und 9 Frauen, von der Polizei vorläufig festgenommen. 99 Ermittlungsverfahren seien eingeleitet worden, teilte die Polizei am Dienstag mit. Dabei gehe es um Vorwürfe wie Landfriedensbruch, Angriffe auf Polizisten, Widerstand gegen die Polizei, Sachbeschädigung und gefährliche Körperverletzung. Nach den Angaben wurden 9 Polizisten leicht verletzt, meist hätten sie Prellungen erlitten. Ein israelfeindlicher Ruf für Palästina zu Beginn der Demonstration sei dokumentiert worden, nun werde geklärt, ob es sich um eine antisemitische Straftat handele, sagte Slowik.
7100 Polizisten waren im Laufe des Tages in ganz Berlin im Einsatz, davon knapp 2600 aus anderen Bundesländern. An der linken und linksradikalen Demonstration am Montagabend nahmen laut Polizei rund 12.000 Menschen teil. Die Veranstalter sprachen von etwa 20 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.
Vorfall wird untersucht
Polizeipräsidentin Barbara Slowik sicherte zu, ein aggressives Auftreten von Polizisten aus Mecklenburg-Vorpommern nach der Demonstration in Kreuzberg genauer zu untersuchen. Dabei geht es vor allem um ein Video, das zeigt, wie Polizisten am späten Abend feiernde Menschen von der Oranienstraße vertreiben wollen, mit Pfefferspray sprühen und einen betrunkenen Mann heftig zu Boden stoßen.
Mit Blick auf eine zweite problematische Situation verteidigte Slowik das Vorgehen der Polizei. Gegen 20.00 Uhr stand die Demonstration am Kottbusser Tor still. Die dortige neue Polizeiwache wurde mit vielen Polizisten geschützt. Nach vorne kamen die Demonstranten nicht weiter, hinten warteten tausende Menschen, rechts und links hatte die Polizei mit Stoßstange an Stoßstange stehenden Mannschaftswagen alles abgesperrt. Veranstalter und Unterstützer kritisierten, die Polizei habe einen »Kessel« gebildet, mehrere Menschen hätten Panikattacken bekommen. Auch Journalisten sahen die Polizeitaktik der seitlichen Abriegelungen kritisch. Slowik erwiderte, jederzeit hätten die Teilnehmenden den Demonstrationszug rückwärts oder nach Westen in verlassen können.
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