In Frankreich haben erneut Hunderttausende Menschen gegen Präsident Emmanuel Macrons Rentenreform protestiert - über deren Rechtmäßigkeit der Verfassungsrat an diesem Freitag urteilen will. In vielen Städten hatten die Gewerkschaften am Donnerstag zum inzwischen zwölften Mal zu Kundgebungen aufgerufen.
Nach Angaben des Innenministeriums beteiligten sich landesweit 380.000 Menschen an den Protesten, die Gewerkschaften sprachen von über einer Million Teilnehmer. Auf jeden Fall ging der Rückhalt für die Proteste damit im Vergleich zur Vorwoche abermals spürbar zurück.
Landesweit kam es am Donnerstag zu Blockaden von Straßen, Bahngleisen und Raffinerien - die Beeinträchtigungen blieben am Ende aber überschaubar. Die Müllabfuhr in Paris begann erneut einen Streik und die Gewerkschaft CGT drohte an, die Hauptstadt in eine öffentliche Müllkippe zu verwandeln, bis die Reform zurückgezogen werde.
Der Einsatz von 11.500 Polizisten war geplant, 4200 davon in Paris. Bei den zunächst über viele Wochen friedlichen Protesten war es zuletzt immer wieder zu Gewalt und Auseinandersetzungen gekommen. In Paris sicherten Banken und teure Geschäfte ihre Schaufenster vorsorglich mit Holzplatten ab. In der Hauptstadt drangen am Donnerstag Demonstranten in die Zentrale des Luxuskonzerns LVMH ein und zündeten Feuerwerkskörper. Aus Nantes und Rennes wurden Auseinandersetzungen von Protestierenden mit der Polizei gemeldet. Auch in Paris gab es einige Rangeleien und Festnahmen.
Was wird aus den Protesten?
Die Proteste richten sich gegen die schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre. Die Mitte-Regierung will mit der inzwischen beschlossenen Reform eine drohende Lücke in der Rentenkasse schließen. Der Streit verschärfte sich, weil die Regierung den Text ohne Abstimmung durch die Nationalversammlung drückte. Präsident Emmanuel Macron will, dass die Reform bis Jahresende in Kraft tritt.
Macron hatte seine umstrittene Reform am Mittwoch gegen andauernde Kritik verteidigt und einen Dialog mit den Gewerkschaften in Aussicht gestellt. Das Land müsse weiter vorankommen und er wolle mit den Sozialpartnern über den weiteren Gang der Dinge reden. Die Reform sei notwendig, die öffentlichen Haushalte müssten ins Gleichgewicht gebracht werden. Am Freitag soll der Verfassungsrat das Ergebnis einer Prüfung des Reformvorhabens verkünden. Er könnte die Reform in Teilen oder vollständig kippen oder für verfassungskonform erklären. Ein großes Polizeiaufgebot schützte am Donnerstag das Gebäude des Verfassungsrats, an dem der Pariser Demonstrationszug vorbeizog.
Sollte der Verfassungsrat die Reform im Wesentlichen bestätigen, gibt es für die Gewerkschaften keine Aussicht mehr auf eine Abmilderung oder Absage des Vorhabens. Dennoch werde es weitere Demonstrationen geben, hieß es von Gewerkschaftsseite. Der Chef der Gewerkschaft CFDT, Laurent Berger, brachte bereits den 1. Mai als nächsten Protesttag ins Gespräch. Macrons Einladung zum Dialog wurde verärgert aufgenommen. Seit einem Monat habe man mit Macron reden wollen, sagte die neue Chefin der Gewerkschaft CGT, Sophie Binet. Ein Treffen wenn alles entschieden sei, mache keinen Sinn.
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