Deutschland hat der Ukraine das Flugabwehrsystem Patriot zur besseren Verteidigung gegen russische Luftangriffe übergeben. Das Waffensystem sei geliefert worden, teilte die Bundesregierung auf ihrer Seite zur Rüstungshilfe für die Ukraine mit. Die Bundeswehr hatte auch die Ausbildung von Soldaten in einem Schnellprogramm übernommen. Nach ukrainischen Angaben traf auch ein komplettes Waffensystem aus der USA ein, die Niederlande lieferten zudem Systemanteile zu.
Patriot (»Phased Array Tracking Radar for Intercept on Target«) zählt zu den modernsten Flugabwehrsystemen der Welt. Damit können feindliche Flugzeuge, ballistische Raketen und Marschflugkörper bekämpft werden. Die Bundesregierung leistet damit einen Beitrag, damit die Ukraine die zahlreichen Angriffe abwehren kann, die auch auf die Zerstörung der zivilen Infrastruktur zielen.
»Ich bin froh, dass unsere Patriot-Feuereinheit in der Ukraine die Zivilbevölkerung gegen die brutalen russischen Luftangriffe schützt. Zusammen mit unseren Verbündeten liefern wir das, was die Ukraine am dringendsten braucht – und gehen dazu immer wieder auch an eigene Leistungsgrenzen«, erklärte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Mittwoch. Die hoch motivierten Ukrainer hätten bei der Luftwaffe die anspruchsvolle Ausbildung in Minimalzeit gemeistert. Pistorius: »Nun kehren sie zurück aufs Schlachtfeld und tragen dazu bei, dass der Himmel über der Ukraine wieder den Ukrainern gehört.«
Letzter Schliff für Bedienmannschaften bei Übung
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur hatten die von den USA und Deutschland ausgebildeten Bedienmannschaften zuletzt mit einer gemeinsamen Übung auf dem Militärgelände eines Nato-Partners ihre Fähigkeiten unter Beweis gestellt. Das ukrainische Flugabwehrpersonal bekam dabei den letzten Schliff, um Patriot erfolgreich zur Abwehr russischer Luftangriffe einsetzen zu können.
Auf eine Entfernung von etwa 100 Kilometern und bis in Höhen von 30 Kilometern können die Abwehrraketen in einer gedachten Glocke um die Stellung Ziele treffen - abhängig vom eingesetzten Lenkflugkörper. Deutschland hatte sich zusammen mit den USA bereiterklärt, der Ukraine jeweils ein System der modernen Flugabwehr zur Verteidigung gegen russische Angriffe zu überlassen.
Mit einer Individualausbildung der ukrainischen Soldaten wurde begonnen, erklärt Markus König, Kommandeur der Flugabwehrraketengruppe 21 und Verantwortlicher für die Ausbildung der Ukrainer. Bald ging es um das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten, also Startgerät, Feuerleitstand und Feuerleitradar. Die Feuerleitbesatzungen wurden im »taktischen Feuerkampf« geschult.
»Effektive Luftverteidigung ist Lebensversicherung«
»Mit Hilfe simulationsgestützter Ausbildung wurden die ukrainischen Crews nach und nach mit immer komplexeren Situationen konfrontiert. Immer wieder mussten sie sich in den unterschiedlichsten Bedrohungsszenarien zurechtfinden, die Lage richtig einschätzen, um letztendlich die richtige Entscheidung für eine erfolgreiche Bekämpfung eines Luftangriffs zu treffen«, so der Oberstleutnant. »Was unter optimalen Bedingungen bei Tag funktioniert, muss auch bei Nacht einwandfrei ablaufen.«
Die Bedienmannschaften sind nach diesen Angaben nun in der Lage, das Waffensystem aufzubauen und den Feuerkampf gegen anfliegende Ziele zu führen. Das werde zu einer deutlichen Stärkung ihrer Luftverteidigung beitragen, sagte der deutsche Offizier. Und: »Eine effektive Luftverteidigung ist die Lebensversicherung der Ukraine.«
Nur der scharfe Schuss, wie er von der Bundeswehr auf einem Nato-Schießplatz auf der griechischen Insel Kreta geübt wird, war nicht möglich. Die ukrainischen Soldaten verfügten aber über reale Gefechtserfahrung mit anderen Systemen der Luftverteidigung. Wie Patriot eingesetzt wird, entscheiden die ukrainischen Streitkräfte jetzt selbst. König erwartet: »Von einem unmittelbaren Einsatz ist auszugehen.«
Vor mehr als zwei Wochen hatte die Ukraine auch ein weiteres Luftverteidigungssystem Iris-T SLM aus Deutschland erhalten - die nun zweite dieser Anlagen. Die Lieferung sei erfolgt, bestätigte eine Regierungssprecherin der »Süddeutschen Zeitung«. Das von dem Rüstungskonzern Diehl mit weiteren Partnern entwickelte System habe laut Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko geholfen, den Großraum Kiew weit besser zu schützen, so die Zeitung. Die Trefferquote liege laut Klitschko bei 100 Prozent.
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