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Flüchtlingskosten: Länder fordern deutlich mehr Geld

Wenn die Regierungschefs der Länder am Mittwoch mit dem Kanzler über die Unterbringung und Integration von Flüchtlingen reden, ist mit harten Verhandlungen zu rechnen. Es geht nicht nur um Geld.

Flüchtlingsunterkunft
Flüchtlinge in einem Zelt einer provisorischen Flüchtlingsunterkunft in Hessen. Foto: Arne Dedert
Flüchtlinge in einem Zelt einer provisorischen Flüchtlingsunterkunft in Hessen.
Foto: Arne Dedert

Vor den geplanten Bund-Länder-Beratungen zur Flüchtlingspolitik haben die Ministerpräsidenten den Druck auf die Bundesregierung erhöht. Die finanziellen Beiträge des Bundes müssten sich vor allem daran orientieren, wie viele Menschen nach Deutschland kommen - »denn das ist eine Zahl, die Länder und Kommunen definitiv nicht beeinflussen können«, sagte Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD) am Sonntag. Mit einer Jahrespauschalleistung unabhängig von der Zahl der Schutzsuchenden sei es nicht getan.

Weil erwartet »sehr schwierige Gespräche« am Mittwoch. Er sagte: »Zur Stunde ist nicht abzusehen, ob es uns am Ende tatsächlich gelingen wird, zu einer gemeinsamen Position zu kommen. Ich wünsche mir das sehr.« Die Vorschläge der Bundesregierung böten wenig Anlass für Zuversicht.

Bund will Zahlungen nicht erhöhen

Der Bund ist bislang weder bereit, seine Zahlungen zu erhöhen, noch ist er an einer Rückkehr zum System der Pro-Kopf-Pauschalen interessiert. Stattdessen wird in einem Entwurf aus dem Kanzleramt für eine Beschlussvorlage zu dem Treffen vorgerechnet, wie viel der Bund jetzt schon zu den Ausgaben mit Flüchtlingsbezug beiträgt.

Zu den in dem Papier enthaltenen Vorschlägen, die für Entlastung sorgen sollen, gehört etwa eine Verlängerung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis von Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutzstatus von einem auf drei Jahre. Die Idee dahinter: Wenn Menschen mit subsidiärem Schutzstatus nicht mehr jährlich zur Ausländerbehörde müssen, hat das Personal mehr Zeit, sich um andere Aufgaben zu kümmern. Außerdem wird überlegt, wie man Ausländer, die trotz eines Einreiseverbots nach Deutschland gekommen sind, leichter in Abschiebungshaft nehmen kann.

»Städte, Gemeinden und Landkreise brauchen deutlich mehr Geld - der Bund muss deshalb seinen Anteil von derzeit 2,75 Milliarden Euro mindestens verdoppeln«, forderte Hessens Landeschef Boris Rhein (CDU) im Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Anders seien Unterbringung und Integration dauerhaft nicht zu finanzieren. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sagte der »Bild am Sonntag« (BamS): »Die Bundesregierung muss endlich dafür sorgen, dass Zuwanderung gesteuert wird. Wenn wir uns in Deutschland nicht handlungsfähig zeigen, wird das Vertrauen in unsere Demokratie mehr und mehr untergraben.«

Söder will gegebenenfalls Entwicklungshilfe kürzen

Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) schlug vor, Herkunftsstaaten, die ablehnte Asylbewerber nicht zurücknehmen, Hilfen zu kürzen. »Wir stehen zum Grundrecht auf Asyl. Aber bei Ländern, die einer geordneten Rückführung nicht zustimmen, müssen wir künftig auch über Kürzungen bei der Entwicklungshilfe nachdenken«, sagte Söder der Zeitung.

Die Innenminister von Brandenburg und Sachsen forderten die Einführung stationärer Kontrollen an der Grenze zu Polen und Tschechien, um unerlaubte Einreisen zu begrenzen. Michael Stübgen und Armin Schuster (beide CDU) wandten sich mit ihrem Anliegen schriftlich an Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), wie sie am Sonntag gemeinsam mitteilten. Sie verwiesen auf die bereits bestehenden Grenzkontrollen in Bayern, die wirksam und richtig seien.

»Der Bund muss seiner Verantwortung gerecht werden und darf die Länder und Kommunen mit den Mehrkosten der Flüchtlingskrise nicht alleine lassen«, sagte Baden-Württembergs Landeschef Winfried Kretschmann (Grüne) der »BamS«. Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) forderte, »nicht abgerufene Mittel der Wohnraumförderung einsetzen zu können, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, der zeitweise auch zur Unterbringung von Flüchtlingen dienen kann«.

Brandenburg und Sachsen fordern Grenzkontrollen

Die Innenminister von Brandenburg und Sachsen fordern die Einführung stationärer Kontrollen an der Grenze zu Polen und Tschechien, um unerlaubte Einreisen von Flüchtlingen zu begrenzen. Michael Stübgen und Armin Schuster (beide CDU) wandten sich vor dem für Mittwoch geplanten Flüchtlingsgipfel in einem Schreiben an Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), wie sie am Sonntag gemeinsam mitteilten. Sie verwiesen auf die bereits bestehenden Grenzkontrollen in Bayern, die wirksam und richtig seien.

Der Präsident des Deutschen Städtetags, Markus Lewe (CDU), sagte der Funke-Mediengruppe: »Bund und Länder dürfen bei ihrem nächsten Treffen am 10. Mai nicht mit leeren Händen auseinandergehen. Wir brauchen verlässliche Finanzierungszusagen und konkrete Ergebnisse, die uns bei der Aufnahme von Geflüchteten spürbar entlasten.« Das Geld müsse sich den steigenden Flüchtlingszahlen dynamisch anpassen und auch tatsächlich bei den Kommunen ankommen. »Der Bund muss außerdem die Rückführung ausreisepflichtiger Asylbewerber ohne Bleibeperspektive konsequent unterstützen.«

Faeser hofft auf EU-Lösung

Faeser (SPD) sieht derweil gute Chancen, innerhalb der EU bald zu einer Lösung in der Migrationspolitik zu kommen. »Ich will, dass wir als Europäer endlich gemeinsam handeln - trotz aller Widerstände«, sagte sie der »BamS«. »Die jahrelange gegenseitige Blockade in der EU haben wir schon durchschlagen.« Dabei geht es vor allem um den Vorschlag für Asylzentren an den EU-Außengrenzen, von wo Asylbewerber auch zurückgeschickt oder gerecht verteilt werden können.

Pro Asyl forderte die Parteivorstände von SPD, Grünen und FDP indes auf, eine deutsche Zustimmung zu Asylverfahren an den Außengrenzen auf EU-Ebene zu verhindern. »In fernab gelegenen, geschlossenen Lagern an den Rändern der EU geht es nicht um Schutzgewährung«, hieß es in einem Aufruf der Organisation, die für die Rechte von Geflüchteten eintritt. Vielmehr sollten Schutzsuchende dort schnellen Verfahren unterzogen werden, an deren Ende für viele die Abschiebung in einen vermeintlich sicheren Drittstaat drohe.

Ratstreffen zur Asylreform

Beim Ratstreffen der EU-Innenminister am 8. Juni geht es um die seit Jahren strittige Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Vor allem Staaten an den EU-Außengrenzen wie Italien und Staaten wie Deutschland, die das Ziel vieler Asylbewerber sind, haben mit Blick auf die Europawahlen im kommenden Jahr großes Interesse, dazu bald eine Einigung zu erzielen.

Die FDP-Innenpolitikerin Linda Teuteberg sagte der Deutschen Presse-Agentur, entscheidend sei der politische Wille, Migration wirksam zu ordnen und zu steuern. »Steuerung setzt Kontrolle voraus«, betonte Teuteberg, die dem Bundesvorstand der FDP angehört. Sinnvoll wäre es, schon in Drittstaaten zu prüfen, »ob jemand schutzberechtigt ist, als Arbeitsmigrant in die EU einreisen kann oder offensichtlich keine Bleibeperspektive hat«. Teuteberg mahnte zudem eine Versachlichung der Debatte an. Sie sagte: »Die zu Recht hohe Akzeptanz und Aufnahmebereitschaft für ukrainische Kriegsflüchtlinge darf nicht als Vorwand dafür dienen, die Notwendigkeit, irreguläre Migration endlich wirksam zu begrenzen, in Abrede zu stellen.«

Der Bundesvorsitzende der kommunalpolitischen Vereinigung der CDU und CSU, Christian Haase, sagte: »Die Aufnahmekapazitäten sind vielerorts erschöpft, es fehlt an Schul- und Kitaplätzen. Unter diesen Bedingungen können Integrationsangebote nicht wirken.« Darunter litten auch Menschen, die bereits das Asylverfahren durchlaufen haben und sich nun eine Perspektive in Deutschland aufbauen wollten. Deshalb brauche es nun »wirksame Mechanismen, um den Zustrom von Flüchtlingen zu begrenzen«.

© dpa-infocom, dpa:230507-99-596098/3