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Flüchtlingskosten: Bund gibt noch eine Milliarde

Der Bund erhöht seine Beteiligung an den Flüchtlingskosten. Mit der Forderung nach einer Lösung, die sich automatisch an die Zahl der Asylbewerber anpasst, können sich die Länder nicht durchsetzen.

Bund-Länder-Gipfel - Beratungen
Mitglieder der Bundesregierung und der Ministerpräsidentenkonferenz sitzen zu Beginn des Bund-Länder-Gipfels im Bundeskanzleramt. Foto: Bernd von Jutrczenka
Mitglieder der Bundesregierung und der Ministerpräsidentenkonferenz sitzen zu Beginn des Bund-Länder-Gipfels im Bundeskanzleramt.
Foto: Bernd von Jutrczenka

Bund und Länder haben bei ihrem Flüchtlingsgipfel keine Grundsatzentscheidung über dauerhaft höhere Bundesmittel zur Unterbringung und Versorgung von Schutzsuchenden getroffen. Der Bund wird aber für das Jahr 2023 die Flüchtlingspauschale an die Länder um eine Milliarde Euro erhöhen.

Damit sollen die Länder dabei unterstützt werden, ihre Kommunen zusätzlich zu entlasten und die Digitalisierung der Ausländerbehörden zu finanzieren. Der Bund hatte zuvor bereits 1,5 Milliarden Euro für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in diesem Jahr zugesagt sowie 1,25 Milliarden Euro für andere Geflüchtete.

Man sei sich einig, dass es sich bei der Bewältigung der Fluchtmigration um eine dauerhafte Aufgabe von Bund, Ländern und Kommunen handelt, hielten die Teilnehmer des Treffens fest. Vor diesem Hintergrund wollten Bund und Länder miteinander klären, wie die Finanzierung dieser Aufgabe in Zukunft geregelt werden könne. Eine Entscheidung dazu solle bei einer Zusammenkunft im kommenden November getroffen werden.

Einige Fragen noch offen

In dem gemeinsamen Beschluss heißt es weiter, eine Arbeitsgruppe werde diese Entscheidung vorbereiten. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder würden bei ihrer regulären Zusammenkunft Mitte Juni den Zwischenstand beraten.

»Wir haben eine Diskussion vor uns, die auch jede Mühe wert ist, das will ich ausdrücklich sagen. Aber die Aufgabe zu lösen ist auch nicht einfach, weil in den letzten Jahren viel passiert ist«, sagte Scholz nach dem Ende der Beratungen. »Wir gehen da als offener Prozess rein und das Ergebnis kann niemand vorhersagen.«

»Mehr war eben nicht drin«, bilanzierte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). »Das muss man heute so klar sagen.« Auf die zentrale Frage nach einer dauerhaft höheren Beteiligung des Bundes hätten die Länder noch keine Antwort erhalten.

So habe es keine Einigung gegeben auf die von Ländern und Kommunen gewünschte vollständige Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung für Flüchtlinge durch den Bund. Offen seien auch die Fragen nach höherer Kostenbeteiligung für Integration und für minderjährige Flüchtlinge. Dennoch sei die zusätzliche Milliarde vom Bund anzuerkennen. Immerhin gebe es nun einen Fahrplan, wie auf dem Weg zu einer dauerhaft fairen, verlässlichen Finanzierung voranzuschreiten sei.

»Sind uns der Verantwortung bewusst«

Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD) sagte, der Beschluss sei besser als das, was er noch vor ein oder zwei Tagen für möglich gehalten habe. »Wir sind uns, Bund und Länder, der gemeinsamen Verantwortung bewusst«, sagte er als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK).

In den ersten vier Monaten dieses Jahres hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 101.981 Asylerstanträge entgegengenommen. Das ist eine Zunahme der Antragszahlen um rund 78 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Hauptherkunftsländer waren seit Jahresbeginn Syrien, Afghanistan und die Türkei. Im vergangenen Jahr hatten rund 218.000 Menschen erstmals einen Asylantrag in Deutschland gestellt. Außerdem müssen die Kommunen mehr als eine Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine unterbringen. Diese müssen keine Asylanträge stellen.

Um Abschiebungen konsequenter durchzusetzen, hätten sich Bund und Länder darauf verständigt, die maximale Dauer des Ausreisegewahrsams von derzeit 10 auf 28 Tage zu verlängern, sagte Scholz. Vereinbart wurden den Angaben zufolge auch erweiterte Zuständigkeiten der Bundespolizei und ein verbesserter Informationsaustausch zwischen Justiz- und Ausländerbehörden.

»Um Bund, Länder und Kommunen zu entlasten, ist die irreguläre Migration spürbar zu reduzieren«, heißt es in dem Beschluss, auf denen sich die Teilnehmer des Flüchtlingsgipfels einigten. Wer dafür die Verantwortung trägt, blieb allerdings offen. An anderer Stelle wird festgehalten: »Lageabhängig wird der Bund das im Verhältnis zu Österreich bestehende Grenzsicherungskonzept auch an anderen Binnengrenzen Deutschlands nach Konsultation mit den betreffenden Ländern der Bundesrepublik Deutschland etablieren.« Dies müsste Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) dann bei der EU-Kommission anmelden.

Kritik von den Grünen

Eigentlich gibt es im Schengen-Raum, dem 26 europäische Länder angehören, keine stationären Personenkontrollen an den Grenzen. In den vergangenen Jahren hatten aber mehrere Staaten eine Ausnahmeregelung genutzt. Deutschland kontrolliert seit Herbst 2015 in Bayern an der Grenze zu Österreich, nachdem sich Zehntausende Flüchtlinge und andere Migranten von Griechenland über die Balkan-Route auf den Weg nach Westeuropa gemacht hatten.

Sachsen, Bayern und Sachsen-Anhalt hielten in einer Protokollerklärung zu dem Beschluss fest: »Das zentrale Problem ist die fortgesetzte irreguläre Migration. Alle bisher von Bundesseite getroffenen Maßnahmen haben nicht zu einer nachhaltigen Zuzugsbeschränkung geführt.«

Die vom Bund vorgesehene Erhöhung um eine Milliarde Euro sei »völlig unzureichend« und werde der Belastungssituation in den Kommunen nicht gerecht. Thüringen sprach sich in einer weiteren Protokollerklärung gegen eine Verlagerung von Asylverfahren an die EU-Außengrenzen aus, wie sie derzeit auf europäischer Ebene diskutiert wird.

»So, wie die Debatten in den letzten Tagen geführt wurden, ist die Humanität aus dem Blick geraten«, kritisierte die Grünen-Migrationsexpertein Filliz Polat. »Abschottung und Abschreckung tragen in keiner Weise dazu bei, die Aufgaben bei der Aufnahme und Integration von Schutzsuchenden zu bewältigen.«

© dpa-infocom, dpa:230510-99-641703/2