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Fall Sharmahd: Berlin weist zwei iranische Diplomaten aus

Außenministerin Baerbock hatte eine deutliche Reaktion auf das Todesurteil gegen den Deutsch-Iraner Djamshid Sharmahd angekündigt. Nun ist sie da. Wie reagiert Teheran?

Auswärtiges Amt
Das Auswärtige Amt erklärt zwei Angehörige der iranischen Botschaft zu unerwünschten Personen. Foto: Marius Becker
Das Auswärtige Amt erklärt zwei Angehörige der iranischen Botschaft zu unerwünschten Personen.
Foto: Marius Becker

Die Bundesregierung hat als Reaktion auf das Todesurteil eines Gerichts in Teheran gegen den Deutsch-Iraner Djamshid Sharmahd zwei iranische Diplomaten ausgewiesen. Das teilte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in Berlin mit.

Ein Revolutionsgericht hatte den 67-jährigen Sharmahd unter anderem für einen Terroranschlag verantwortlich gemacht, wie das Justizportal Misan am Dienstag bekanntgegeben hatte.

»Wir fordern Iran auf, das Todesurteil zu widerrufen«

Baerbock erklärte, sie habe angesichts des Todesurteils den Geschäftsträger der iranischen Botschaft einbestellen lassen. Dies gilt als scharfes diplomatisches Mittel. Dem Geschäftsträger sei mitgeteilt worden, »dass wir die massive Verletzung der Rechte eines deutschen Staatsangehörigen nicht akzeptieren«, teilte die Außenministerin weiter mit. Als Folge habe die Bundesregierung zwei Angehörige der iranischen Botschaft zu unerwünschten Personen erklärt und mit kurzer Frist aufgefordert, Deutschland zu verlassen.

Auf die Funktionen der Ausgewiesenen innerhalb der iranischen Botschaft wollte ein Sprecher des Außenministeriums in Berlin am Mittwoch nicht eingehen. Es handele sich um zwei Personen, die auf der Diplomatenliste der iranischen Botschaft in Berlin angemeldet seien. »Sie können davon ausgehen, dass diese so gewählt sind, dass Iran die Tragweite der Situation in angemessener Weise deutlich gemacht wird«, ergänzte er auf eine entsprechende Frage.

Teheran macht Sharmahd für Terroranschläge verantwortlich

Die iranische Justiz macht Sharmahd auch für die Planung mehrerer Terroranschläge verantwortlich. Außerdem legte das Gericht ihm die Kooperation mit ausländischen Geheimdiensten zur Last. Überprüfen lassen sich die Vorwürfe nicht. Todesstrafen werden im Iran normalerweise durch Erhängen vollstreckt.

Bundeskanzler Olaf Scholz bezeichnete das Todesurteil als »inakzeptabel«. »Das iranische Regime bekämpft sein eigenes Volk auf jede erdenkliche Weise und missachtet die Menschenrechte«, schrieb Scholz am Mittwoch auf Twitter. »Wir verurteilen dies auf das Schärfste und fordern das iranische Regime auf, das Urteil zurückzunehmen.« Baerbock forderte zudem, Sharmahd ein faires und rechtsstaatliches Berufungsverfahren zu ermöglichen.

In Deutschland hatte auch CDU-Chef Friedrich Merz scharfe Kritik am Todesurteil gegen Sharmahd geäußert. Dies sei ein Affront, schrieb Merz am Mittwoch auf Twitter. »Er hatte keinen Anwalt seines Vertrauens und die deutsche Botschaft keinen konsularischen Zugang.« Merz hatte Anfang Januar angekündigt, Sharmahds politische Patenschaft zu übernehmen.

Die deutsche Botschaft in Teheran ist laut einem Sprecher des Auswärtigen Amtes in Kontakt mit seinen Angehörigen, einen direkten Kontakt gebe es nicht. Die Botschaft habe sich immer wieder auf allen Ebenen dafür eingesetzt, konsularischen Zugang zu Sharmahd zu erhalten. Dies habe der Iran unter Berufung auf dessen doppelte Staatsangehörigkeit konsequent verwehrt. Man habe zudem immer wieder intensiv versucht, dessen Prozess zu beobachten. Auch dies habe der Iran wiederholt abgelehnt.

Unterdessen überbrachte der deutsche Botschafter in Theheran der iranischen Regierung erneut auch förmlich den Protest der Bundesregierung.

Teheran verhängt Gegensanktionen

Zuletzt hatten sich die Beziehungen zwischen dem Iran und westlichen Ländern, darunter auch Deutschland, massiv verschlechtert. Baerbock sowie Vertreter der EU hatten Teheran für ihren gewaltsamen Umgang mit Protesten im Iran gegen die die repressive Führung und das islamische Herrschaftssystem des Landes scharf kritisiert. Zuletzt verhängte die EU am Montag neue Sanktionen gegen Teheran, etwa gegen Gefängnisdirektoren, Staatsanwälte und Richter. Im Zuge der Proteste sind nach Schätzungen von Menschenrechtlern 20.000 Demonstranten festgenommen worden. Gegen mehrere Demonstranten wurden Todesurteile verhängt und vier von ihnen bereits vollstreckt.

Am Dienstag antwortete der Iran mit Gegensanktionen gegen 23 Personen und 13 Organisationen. Betroffen sind unter anderem die Bundestagsabgeordneten Renata Alt (FDP), Roderich Kiesewetter (CDU) sowie Michael Roth (SPD). Sie hatten sich jüngst kritisch zum Iran geäußert. Die Strafmaßnahmen umfassen demnach Einreisesperren und das Einfrieren möglicher Vermögenswerte im Iran.

In einer gemeinsamen Mitteilung gaben sich die drei Abgeordneten gelassen. »Dass das Regime in Teheran uns und weitere engagierte Kolleginnen und Kollegen aus dem Europäischen Parlament mit Sanktionen belegt hat, verstehen wir als Bestätigung unserer Unterstützung für die Freiheitsbewegung im Iran«, hieß es darin. Die Sanktionen bedeuteten für sie faktisch keine Einschränkung, da sie kein Vermögen im Iran besäßen und nicht dorthin reisen wollten. »Wirklich bedroht sind hingegen die mutigen Iranerinnen und Iraner sowie ihre Unterstützerinnen und Unterstützer, die sich der Mullah-Herrschaft jeden Tag aufs Neue widersetzen.«

Auslöser der landesweiten Proteste im Iran war der Tod der iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini. Sie starb am 16. September im Polizeigewahrsam, nachdem sie von der Sittenpolizei wegen Verstoßes gegen die islamischen Kleidungsvorschriften festgenommen worden war.

© dpa-infocom, dpa:230222-99-692022/7