Die Beratung des Gerichts über die Klage von Gerhard Schröder (SPD) dauerte keine zwei Stunden, dann stand das Urteil fest: Der Ex-Bundeskanzler hat keinen rechtlichen Anspruch auf sein früheres Büro im Bundestag. Seine Klage wurde abgewiesen, der Altkanzler verliert auch in der zweiten Instanz vor Gericht.
Zwar bezahle der Staat in jahrzehntelanger Praxis den früheren Kanzlern nach ihrer Amtszeit Büro und Mitarbeiter zur Erfüllung von öffentlichen Aufgaben, stellte das Gericht fest. Aber nur weil es diese Praxis gebe, bestehe eben noch kein Rechtsanspruch. Kritische Fragen und Anmerkungen des Vorsitzenden Richters am Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hatten die Entscheidung schon erahnen lassen. Rechtskräftig ist sie noch nicht.
Überraschend war Schröder zehn Minuten vor Beginn der Verhandlung im Gericht aufgetaucht. Im schwarzen Anzug stand er am Morgen im großen Saal des Oberverwaltungsgerichts nahe dem Bahnhof Zoo, begleitet von seiner Frau Soyeon Schröder-Kim in tiefblau. Kurz stolperte Schröder über eine Teppichkante, dann begrüßte ihn der Vorsitzende Richter Boris Wolnicki ausgesprochen freundlich: »Es ist schön, dass Sie selbst gekommen sind, das ehrt uns. So viel darf ich sagen, ohne dass die Neutralität infrage gestellt wird.« Schröder, der zwischen seinen beiden Anwälten saß, erwiderte, es sei »angenehm hier zu sein«.
Schröder: Vermittlungsversuche mit Russland ohne Büro kaum möglich
Nach längeren Ausführungen seiner Anwälte und denen der Gegenseite, dem Bundeskanzleramt, meldete sich Schröder (80) dann mit mehreren Beispielen und Begründungen zu Wort. Zuletzt hatte er sieben Büroräume und fünf Mitarbeiter in einem Gebäude des Bundestags. Das halte er für eine »großzügige Regelung, aber eine angemessene«. Sein Versuch, auf Bitte der Ukraine im Krieg mit Russland zu vermitteln, sei mit aufwendigen Reisen und Gesprächen verbunden gewesen, sagte Schröder. So etwas könne er privat kaum organisieren. Das Protokoll bei Gesprächen habe seine Ehefrau geführt, weil er keine Mitarbeiter gehabt habe. »Ich will hier nur deutlich machen, dass solche Gespräche nur entstehen wegen meines früheren Amtes.«
Dazu kämen immer wieder Bitten von Bürgern, die meistens nach demselben Muster abliefen: »Alle sind gegen mich, nur Sie können mir jetzt noch helfen.« Vorausgesetzt werde natürlich, dass er dann ohne Bezahlung aktiv werde. »Das ist sehr aufwendig und eigentlich geht das nicht«, sagte Schröder. »Auch das sind Aufgaben, die man nur wahrnehmen kann, weil man früher dieses Amt innehatte.« Derzeit müsse er solche Tätigkeiten privat leisten.
Der Haushaltsausschuss des Bundestags hatte im Mai 2022 beschlossen, Schröders Büro im Bundestag stillzulegen. Zur Begründung hieß es, der Altkanzler nehme keine Verpflichtungen im Zusammenhang mit seiner früheren Tätigkeit wahr. Eine neue Regelung hatte das im Frühjahr 2022 zur Voraussetzung gemacht. Zuvor war Schröder wegen seiner Verbindungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin, der seit mehr als zwei Jahren einen Angriffskrieg gegen das Nachbarland Ukraine führt, scharf kritisiert worden. Ausdrücklich als Grund für die Neuregelung wurde das nicht genannt. Allerdings war von Konsequenzen »angesichts des russischen Überfalls« die Rede. Schröder war von 1998 bis 2005 Kanzler.
Kein Anspruch trotz Tradition
Schröder zog vor Gericht, verlor aber im Mai 2023 in der ersten Instanz vor dem Verwaltungsgericht. Auch Richter Wolnicki machte in der Verhandlung im Oberverwaltungsgericht deutlich, dass er den Fall kritisch sieht. Alles drehe sich um die Frage des Rechtsanspruchs, weil es kein Gesetz dazu gebe. Sicher gebe es für die Bezahlung eines Büros Gründe, sie sei vielleicht auch sinnvoll und habe Tradition. »Das ist unbestritten, aber hier geht es darum: Der Kläger muss ein Recht haben.«
Schröders Anwälte hatten vor allem auf ein Gewohnheitsrecht verwiesen, weil eben seit Jahrzehnten alle Kanzler »selbstverständlich« diese Büros plus mehrere Mitarbeiter bezahlt bekommen. Dazu komme der Grundsatz der Gleichbehandlung, weil Schröder nicht schlechter gestellt sein solle als etwa seine Nachfolgerin Angela Merkel (CDU). Ein Anwalt des Bundeskanzleramtes erwiderte: »Es ist vom Staat eine freundliche, freiwillige Geste. Es ist eine Wertschätzung für das, was geleistet wurde. Daraus ergibt sich aber kein Anspruch.«
Diesem Argument folgte das Gericht. Letztlich liege es in der Macht des Haushaltsgesetzgebers, also des Bundestages, der die Ausgaben des Staates festlegt, zu entscheiden. Richter Wolniock sagte, vielleicht habe der Bundestag die Versorgung der Altkanzler ganz bewusst nicht mit einem Gesetz geregelt, damit es politisch immer wieder neu ausgehandelt werden könne, »auch je nach Person des früheren Amtsinhabers«.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falls wurde die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen. Ob Schröder diese Möglichkeit nutzt, blieb offen. Nach der mündlichen Verhandlung verließ er Hand in Hand mit seiner Frau den Saal. Zur Urteilsverkündung zwei Stunden später waren weder er noch seine Anwälte dabei.
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