Logo
Aktuell Ausland

Europol soll nach Bootsunglück ermitteln - Suche vor Ende

Wer ist schuld am Tod von Hunderten Migranten im Mittelmeer? Griechenland bittet jetzt Europol um Unterstützung. Ein mutmaßlicher Schleuser soll gestanden haben - aber wo sind die Hintermänner?

Bootsunglück
Dieses undatierte, von der griechischen Küstenwache am 14. Juni zur Verfügung gestellte Bild zeigt zahlreiche Menschen, auf dem Deck eines Fischerboots, das später vor Südgriechenland kenterte und sank. Foto: Uncredited
Dieses undatierte, von der griechischen Küstenwache am 14. Juni zur Verfügung gestellte Bild zeigt zahlreiche Menschen, auf dem Deck eines Fischerboots, das später vor Südgriechenland kenterte und sank.
Foto: Uncredited

Nach der Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer mit vermutlich mehreren Hundert Toten sollen jetzt internationale Ermittlungen den Ablauf klären. Die griechischen Behörden baten die europäische Polizeibehörde Europol um Unterstützung, wie die Tageszeitung »Kathimerini« berichtete. Vermutet wird, dass die tödliche Überfahrt aus Afrika nach Europa von einem international agierenden Schleuserring organisiert wurde. Neun mutmaßliche Schleuser aus Ägypten, die an Bord waren und überlebten, sollen am Montag der Staatsanwaltschaft vorgeführt werden.

Auf dem Meer - rund 50 Seemeilen südwestlich der Halbinsel Peloponnes - wurde unterdessen mit Booten und einem Hubschrauber weiterhin nach Vermissten gesucht. Schlechtes Wetterbedingungen und starker Wind erschwerten die Arbeit jedoch. Die Suche dürfte bald eingestellt werden: Mehr als 72 Stunden nach dem Unglück gab es keine realistische Hoffnung mehr, noch Überlebende zu finden. Das Mittelmeer ist an dieser Stelle mehr als 5000 Meter tief. Vermutlich wird das Meer für Hunderte Menschen zum ewigen Grab.

Bei den neun Festgenommenen handelt es sich nach griechischen Medienberichten nicht um die Drahtzieher des Schleuserrings, aber um Helfer. Auf ihre Spur kamen die Behörden durch Aussagen anderer Überlebender des Unglücks von Mittwoch. Die Bande soll allein in den vergangenen Monaten bis zu 18 Fahrten übers Mittelmeer aus Libyen nach Italien organisiert haben.

Wie geht es jetzt weiter?

Überlebende sagten aus, für die Fahrt 5000 bis 6000 Euro pro Kopf gezahlt zu haben. Zeitungsberichten zufolge gab einer der Festgenommenen zu, Geld für Arbeiten an Bord erhalten zu haben. Die anderen stritten alle Vorwürfe ab.

In Athen arbeiteten Forensiker daran, die 78 geborgenen Todesopfer zu identifizieren. Es sei eine schwierige Aufgabe, sagte der Leiter der dortigen Gerichtsmedizin, Nikos Karakoukis. Kaum eines der Opfer habe Ausweispapiere an sich - und selbst wenn, müsse geprüft werden, ob diese echt seien. Ansonsten bleibe nur, die Merkmale der Toten akribisch zu dokumentieren.

Vorwürfe gab es gegen die griechische Küstenwache. Zunächst hieß es, die Beamten hätten nicht eingegriffen und damit dazu beigetragen, dass das Schiff Hunderte Menschen auf den Grund des Meeres mitnahm. Die Küstenwache wehrte sich: Man habe den Menschen an Bord mehrere Stunden vor dem Unglück ein Seil zugeworfen, um sie in Sicherheit zu bringen. Diese hätten das Seil jedoch zurückgeworfen, weil sie nicht nach Griechenland wollten, sondern nach Italien.

Was sagen Augenzeugen?

Einem Bericht des Westdeutschen Rundfunks (WDR) zufolge soll die Küstenwache versucht haben, das überladene Schiff Richtung Italien zu schleppen. Dies sollen zehn Überlebende unabhängig voneinander so geschildert haben. Dabei soll das Schiff ins Wanken geraten und schließlich gesunken sein. Der Unglücksort liegt genau über dem Calypsotief - mit mehr als 5000 Metern die tiefste Stelle des Mittelmeers. Eine Bergung des Wracks ist somit sehr unwahrscheinlich. Sie wäre sehr aufwendig und teuer.

© dpa-infocom, dpa:230617-99-88176/4