Zum Abschluss ihres Gipfeltreffens in Reykjavik haben sich die 46 Staaten des Europarats klar an die Seite der Ukraine im Kampf gegen Russland gestellt. Sie verabschiedeten ein Register für Kriegsschäden in der Ukraine, forderten die Rückkehr aller nach Russland deportierten Kinder und machten sich für ein Sondertribunal stark. Die gewünschte Geschlossenheit beim ersten Gipfel nach 18 Jahren war jedoch vor allem beim Schadensregister löchrig.
Einige Länder fehlen noch
Insgesamt haben sich 40 der 46 Staaten des Europarats dazu bereit erklärt, dem Schadensregister beizutreten oder dies in der Zukunft zu tun. Armenien, Aserbaidschan, Bosnien-Herzegowina, Serbien, Ungarn und die Türkei werden vorerst nicht dabei sein. Dafür beteiligen sich die EU, Kanada, Japan und die USA. Es sei vorhersehbar gewesen, dass sich nicht alle Länder von Anfang an beteiligen würden, sagte die isländische Premierministerin Katrin Jakobsdóttir, die den Vorsitz für den Gipfel innehatte. Die hohe Zahl an Unterstützern sei trotzdem ein Erfolg.
Der Europarat wurde 1949 zum Schutz von Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaat in Europa gegründet. Er ist von der Europäischen Union unabhängig. Ihm gehören auch deutlich mehr Länder an als der EU - fast alle europäischen Staaten. Die Ukraine ist seit 1995 Mitglied. Russland wurde nach der Invasion in der Ukraine ausgeschlossen. Das gemeinsame Nachbarland Belarus ist suspendiert und bei dem Gipfel nur noch als Beobachter dabei.
Erster Schritt zu möglichen Entschädigungszahlungen
Mit dem Schadensregister sollen die Zerstörungen in der von Russland angegriffenen Ukraine dokumentiert werden, um Russland dafür zur Rechenschaft ziehen zu können. Das Register gilt als erster Schritt auf dem Weg zu möglichen Entschädigungszahlungen an die Ukraine. Die Idee geht auf eine Resolution der Vereinten Nationen zurück und soll nun unter dem Dach des Europarats umgesetzt werden. Dabei sollen Informationen und Beweise über alle Schäden, Verluste und Verletzungen gesammelt werden, die der Ukraine seit dem russischen Angriff zugefügt wurden.
Das Schadensregister wird im niederländischen Den Haag angesiedelt, mit einer Außenstelle in der Ukraine. Es soll zunächst für die Dauer von drei Jahren eingerichtet werden. An dem Register können alle Mitglieder und Beobachter des Europarates teilnehmen sowie andere Länder, die dies beantragen und zugelassen werden. Sie zahlen dann voraussichtlich Beiträge, um das Register zu finanzieren.
Die Generalsekretärin des Europarats, Marija Pejčinović Burić, bezeichnete die Entscheidung für das Register als »historisch«. Es sei eines der ersten rechtlich bindenden Instrumente, um Russland für seine Taten zur Verantwortung ziehen zu können.
Es soll aber auch noch ein zusätzliches Instrument geben, das künftige Entschädigungen möglich machen soll. Dafür könnte eine Kommission eingesetzt werden und ein Entschädigungsfonds. Ein genaues Format gibt es dafür noch nicht. Unklar ist außerdem, wie ein solcher Entschädigungsfonds aufgebaut sein müsste. Immer wieder wird ins Spiel gebracht, dafür beschlagnahmte russische Vermögenswerte im Ausland heranzuziehen. Das gilt aber als juristisch sehr schwierig.
Ebenso kompliziert ist die Forderung nach einem Sondertribunal für die russischen Verbrechen, die die Europaratsmitglieder unterstützten. Ein weiterer zentraler Punkt in der Abschlusserklärung des Gipfeltreffens war die Rückkehr aller Kinder, die aus der Ukraine nach Russland deportiert wurden.
Orban blieb dem Treffen fern
Es war erst das vierte Gipfeltreffen der Staatengruppe in ihrer mehr als 70-jährigen Geschichte. Mehr als 30 Staats- und Regierungschefs nahmen teil. Neben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) waren auch der französische Präsident Emmanuel Macron und der britische Premierminister Rishi Sunak dabei. Russlandfreundliche Staats- und Regierungschefs wie der serbische Präsident Aleksandar Vucic und der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban kamen dagegen nicht nach Island.
Der Europarat hat, obwohl älter und mit mehr Mitgliedern, im Schatten der EU in den vergangenen Jahren an Bedeutung verloren. Der Gipfel sollte angesichts des russischen Angriffskriegs die Bedeutung der Organisation wieder mehr ins Bewusstsein rufen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kündigte in Reykjavik zehn Millionen Euro zusätzlich zum deutschen Pflichtbeitrag für den Europarat an. Und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wollte sich dafür einsetzen, dass die EU endlich der Europäischen Menschenrechtskonvention beitrete.
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