Die EU-Kommission will Tunesien rund 127 Millionen Euro auszahlen, um die Migration über das nordafrikanische Land zu verringern und die schwächelnde Wirtschaft anzukurbeln.
Rund 67 Millionen Euro davon sollen im Zusammenhang mit einer umstrittenen Migrationsabsprache der EU-Kommission mit Tunesien bereitgestellt werden, wie eine Sprecherin der Brüsseler Behörde mitteilte. Dazu kommen noch 60 Millionen Euro Haushaltsunterstützung, damit sich das Land von der Corona-Krise erholt. Tunesien ist eines der Haupttransitländer für Flüchtlinge aus Afrika mit Ziel Europa.
Vorwurf der Menschenrechtsverletzung
Ein Teil der 67 Millionen Euro fällt unter das bereits im Juni angekündigte Paket von knapp 105 Millionen Euro für neue Schiffe und Wärmekameras, Such- und Rettungsaktionen, Maßnahmen gegen Schleuser und Rückführung von Flüchtlingen. Im Gegenzug für die millionenschweren Finanzhilfen sollen die tunesischen Sicherheitsbehörden künftig stärker gegen Schlepper und das Ablegen von Booten vorgehen.
Für diese sogenannte Absichtserklärung hatte die EU-Kommission damals viel Kritik geerntet, weil der tunesischen Regierung Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden. Präsident Kais Saied hatte im Februar ein härteres Vorgehen gegen Migranten angekündigt und ihnen vorgeworfen, Gewalt ins Land zu bringen.
Derweil stieg im Juni die Zahl der erstmaligen Asylanträge in der EU im Vergleich zum Vorjahresmonat deutlich. Wie das Statistikamt Eurostat mitteilte, stellten im Juni 83.385 Menschen Asylanträge und damit 25 Prozent mehr als im gleichen Monat 2022. Wie schon in den Monaten zuvor stellten Menschen aus Syrien, Afghanistan, Venezuela und Kolumbien die meisten Anträge. 75 Prozent aller Anträge auf Schutz entfielen demnach auf Deutschland, Spanien, Frankreich und Italien. Im Verhältnis zur Bevölkerung wurden die meisten Asylanträge in Zypern und Österreich gestellt.
Brennpunkt Lampedusa
Eine Sprecherin der EU-Kommission sagte, die finanzielle Hilfe für Tunesien solle auch helfen, die Situation auf der italienischen Insel Lampedusa zu verbessern. Die meisten Flüchtlinge, die derzeit in Lampedusa ankommen, starten in Tunesien. Lampedusa liegt zwischen Sizilien und Nordafrika und gehört seit Jahren zu den Brennpunkten der Migration nach Europa: Vergangene Woche waren dort wieder Tausende Migranten mit Booten aus Nordafrika gelandet - an einem einzigen Tag mehr als 5000. Die Behörden riefen den Notstand aus.
Am Wochenende hatte Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni zusammen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Insel besucht. Von der Leyen kündigte dort einen Zehn-Punkte-Plan an, zu dem die stärkere Überwachung des Mittelmeers und eine bessere Ausbildung der tunesischen Küstenwache gehörten. Sie appellierte auch an die anderen EU-Staaten, freiwillig Migranten aus Italien aufzunehmen.
Den EU-Staaten ist es allerdings bis heute nicht gelungen, eine umfassende Reform des europäischen Asylsystems zu verabschieden. Im Juni wurde zwar ein Kompromiss erzielt, wonach Asylverfahren deutlich verschärft werden sollen. Es braucht aber noch eine Einigung mit dem EU-Parlament.
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